9.30

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Yılmaz, ich kann Ihren Gedanken nachvollziehen. Dieser Gedanke wird zum Beispiel in laizistischen Staaten wie Frankreich auch tatsäch­lich begrüßt. Ich erinnere an einen Artikel von Pascal Bruckner in der „Neuen Zürcher Zeitung“, in dem er festgestellt hat, dass die Laizität gleichsam die Möglichkeit darstellt, ein attraktives, freies Leben zu führen – nicht durch Religionen und insbesondere nicht durch fundamentalistische Religionen gebunden. Trotzdem glaube ich, dass das Modell, das wir hier präsentieren, Vorzüge hat.

Zwei Punkte möchte ich erwähnen. Erstens besteht ein Vorzug darin, dass ein Religions­unterricht, der bei uns im schulischen Rahmen erfolgt, tatsächlich in der Schule stattfin­det und nicht außerhalb der Schule, denn dieser Gefahr sieht sich ein laizistischer Staat wie Frankreich ausgesetzt. Genau das wollen wir bei bestimmten Religionen, die außer­dem fundamentalistische Tendenzen in sich tragen, nicht haben. – Das ist der eine Punkt. (Beifall bei der ÖVP.)

Der andere Punkt ist grundsätzlicher, ja, wenn Sie so wollen, philosophischer Natur. Meine sehr verehrten Damen und Herren, jeder Mensch ist irgendwie gläubig. Giordano Bruno glaubte an die Natur, und bis heute gibt es Menschen, die an die Natur glauben. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Lenin glaubte an die Geschichte, ein Vorgänger von Bürgermeister Ludwig glaubt an den Gott Bacchus. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Jeder Mensch ist irgendwie gläubig. (Zwischenruf des Abg. Zanger. – Heiterkeit bei der FPÖ.)

Es gibt gewisse Glaubensweisen, bei denen man sich als Religionsgemeinschaft zusam­menfindet. Der Glaube selbst ist privat, der geht den Staat überhaupt nichts an, aber die Religionsgemeinschaft steht natürlich in der Öffentlichkeit, und da muss eine Beziehung zum Staat hergestellt werden. Der Staat soll sich zu dieser Religionsgemeinschaft stel­len. Österreich ist ein religionsfreundlicher und zugleich auch ein religionsneutraler Staat, aber er möchte, dass den Religionen gleichsam auch die richtige Reverenz entgegenge­bracht wird, was bei jenen Religionen, die wir als Religionsgemeinschaften anerkennen, sehr gut ist. Darum wollen wir, dass der Religionsunterricht bleibt. Würden wir einen Ethikunterricht für alle einführen, würde sofort das Ockham’sche Messer zuschneiden, und die Religionsunterrichtsstunden wären einfach weg – bis auf diejenigen, die in den Hinterhöfen stattfinden.

Darum wollen wir auch denjenigen, die sich einer Religionsgemeinschaft zugehörig füh­len, eine Möglichkeit geben, über diese Religion von Leuten zu lernen, die diese auch authentisch vertreten – nicht missionarisch, sondern den Idealen der Aufklärung ver­pflichtet. Darum ist es gut, dass wir denjenigen, die das nicht wollen, als Kompensation diesen Ethikunterricht anbieten können – wobei es, meine sehr verehrten Damen und Herren, so sein muss, dass dieser Ethikunterricht natürlich auch ein hohes Niveau be­sitzen muss. Es geht darum, die Frage: Was soll ich tun?, im Kontext zu: Was kann ich wissen?, und: Was darf ich hoffen?, zu sehen und nicht irgendeinen Ethikunterricht zu betreiben, bei dem es in Wirklichkeit nur darum geht, ein zeitgeistkonformes Verhalten zu predigen. Das muss tiefer gehen.

Ich darf Ihnen berichten: Es wurde bei diesem Ethikunterricht zudem mitberücksichtigt, dass wir die Ausbildung sehr gut vorbereitet haben. Ich darf hier namentlich Konrad Paul Liessmann erwähnen, der wirklich dafür einsteht, dass dieser Ethikunterricht von gut ausgebildeten Professorinnen und Professoren durchgeführt werden kann. Wir können also darauf vertrauen, dass auf Augenhöhe mit dem Religionsunterricht unterrichtet wird. Ja, wir können sogar darauf vertrauen, dass dies in Gemeinschaft geschieht – manchmal in freundschaftlicher Auseinandersetzung. Das ist auch sehr gut so, denn um die Vielfalt geht es.

Wenn Sie Lessings Ringparabel gelesen haben, dann wissen Sie: Es gibt mehrere Rin­ge, und Lessing war nicht der Meinung, dass man diese verschiedenen Ringe zu einem großen Ring zusammenschmelzen sollte, sondern es sollten mehrere Ringe sein, von denen man nicht weiß, welcher der wirklich wahre ist. „Nathan der Weise“ ist, nebenbei gesagt, ein Buch, das auf dem Index Librorum Prohibitorum gewesen ist. Aus gutem Grunde lesen wir es daher natürlich, weil wir der Aufklärung verpflichtet sind.

Das ist also sozusagen das Ziel des Ethikunterrichtes. Wenn ich jetzt den Namen von Konrad Paul Liessmann erwähne (Zwischenruf des Abg. Kassegger), darf ich vielleicht noch ganz kurz andeuten, dass er vor Kurzem einen wunderbaren Artikel zu den Schul­schließungen geschrieben und damit all das, was hier von sogenannten Bildungsexper­ten gesagt worden ist, entlarvt hat. (Abg. Scherak: Ich dachte, die Schulen sind nicht geschlossen! – Ruf: „Sogenannten“!)  Die sogenannten Schulschließungen, ganz rich­tig, ja, ja, Sie haben vollkommen recht, Herr Kollege, ich danke Ihnen vielmals dafür. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz. – Abg. Scherak: Ach so!)

Eine weitere Bemerkung darf ich noch machen, weil Frau Kollegin Hammerschmid ges­tern etwas über Herrn Drosten gesagt hat, heute aber im „Kurier“ steht, dass es gar nicht so war (Ah-Rufe bei der ÖVP – Abg. Meinl-Reisinger: Ein bisschen Überheblichkeit!): Also nicht nur, dass Sie hergehen und sagen: Vertrauen Sie unseren Expertinnen und Experten!, Sie hören ihnen nicht einmal zu. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Ach Gott, Sie hören ihnen nicht zu!) Also das ist wirklich wahnsinnig span­nend. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Hammerschmid, kommen Sie mir nie mehr wieder mit den Expertinnen und Experten! Im Vergleich zu Ihnen ist Tartuffe ein Heiliger – und so bin ich wieder zur Religion zurückgekehrt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Völlig niveaulos!)

9.35

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brückl. – Bitte.