9.35

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Geschätzter Herr Bundeskanzler, der Sie nicht hier sind, aber ich weiß, dass die Damen und Herren Ab­geordneten von der ÖVP Ihnen das jetzt ausrichten werden: Herr Bundeskanzler (eine Tafel mit der Aufschrift „Schulen wieder aufsperren!!!“ auf das Rednerpult stellend), sper­ren Sie die Schulen wieder auf! (Beifall bei der FPÖ.)

All die wichtigen Punkte, die wir hier jetzt debattieren und debattieren müssen, sind doch nur peripher, weil die Situation an unseren Schulen, die Situation rund um unsere Kinder derzeit eine katastrophale ist. Wir beschließen jetzt zwar einen Ethikunterricht – einen Ethikunterricht, von dem wir Freiheitliche immer gesagt haben, dass wir ihn wollen; wir haben ihn 2017 auch noch ins Regierungsprogramm mit der ÖVP hineinverhandelt – an den Oberstufen für jene, die sich vom Religionsunterricht abmelden. Das ist auch das, was wir heute mitbeschließen werden.

Wir haben außerdem einen eigenen Antrag eingebracht, in dem es darum geht, dass wir einen Sexualkundeunterricht an den Schulen haben wollen, der altersgerecht ist, der weltanschaulich neutral ist und der ohne schulfremde Pädagogen durchgeführt wird, so­dass die ausgebildeten Lehrer und Lehrerinnen, die ausgebildeten Pädagogen diesen Unterricht an den Schulen durchführen.

Wenn ich aber, wie gesagt, daran denke, wie es unseren Kindern zurzeit geht, dann rücken diese Themen völlig in den Schatten. Ich darf nur noch einmal die Zahlen von gestern in Erinnerung rufen. Wie wir gehört haben, ist der Anteil jener Kinder, die Angst­zustände haben, die um ihre Zukunft fürchten, die sich davor fürchten, dass ihre Eltern vielleicht den Job verlieren könnten, um 220 Prozent gestiegen. Kinder mit Schlafstörun­gen – da ist der Anteil um 240 Prozent gestiegen. Ganz dramatisch ist die Entwicklung im Zuge der Krise bei jenen Kindern, die Suizidgedanken entwickeln. Da ist der Anteil um 54 Prozent gestiegen. Das ist die Situation, in der sich unsere Kinder befinden.

Herr Bundeskanzler, schließen Sie die Schulen nicht – öffnen Sie die Schulen, sperren Sie die Schulen auf! (Beifall bei der FPÖ. – Abgeordnete der FPÖ zeigen Tafeln mit der Aufschrift „Schulen wieder aufsperren!!!“ und „Keine Maskenpflicht im Unterricht“ sowie eine Tafel, auf der ein Foto von Bundeskanzler Kurz und ein Gemälde, das Niccolò Ma­chiavelli darstellt, nebeneinander abgebildet sind.)

Sie wissen ganz genau, Herr Bundeskanzler – ich sage das auch Ihnen, Herr Bundesmi­nister Faßmann weiß das auch –: Die Schulen sind nicht die Treiber des Infektionsge­schehens. Kinder stecken sich seltener an, und Kinder stecken auch seltener andere Menschen an. Das ist ein guter Grund, unsere Kinder wieder in ein sozial geordnetes, in ihr normales, gewohntes Leben zurückzuführen. Herr Bundeskanzler, sperren Sie die Schulen auf! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Darf ich Sie kurz unterbrechen, Herr Abgeordne­ter? – Ich darf Sie bitten: 30 Sekunden – wir haben es alle gesehen. (Abg. Schnedlitz: Wir sind bei 20 Sekunden! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ich glaube, Sie ha­ben eine andere Uhrzeit, Herr Abgeordneter. Ich würde darum bitten, die Schilder wieder hinunterzugeben! – Danke.

Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. Ich habe Ihre Zeitnehmung unterbrochen.

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (fortsetzend): Danke, Herr Präsident, ich kann es aber gerne wiederholen: Herr Bundeskanzler, sperren Sie die Schulen wieder auf! (Zwi­schenruf bei der ÖVP.)

Wir wissen von besorgten Eltern, wie die Situation ist. Ich habe hier einen Brief, den ich auch gestern schon bekannt gemacht habe. Ich darf das noch einmal verlesen, eine besorgte Mutter teilt uns mit, wie die Situation derzeit aussieht. Sie schickt uns einen Onlinestundenplan, auch den darf ich kurz herzeigen (eine Tafel mit einer Tabelle und der Überschrift „Online-Stundenplan 1. Klasse/Gymnasium“ auf das Rednerpult stel­lend) – eine Stunde pro Tag Onlineunterricht –, und sie schreibt:

Ich erlaube mir höflichst, Ihnen den aktuellen Homeschoolingstundenplan meines Soh­nes, welcher die 1. Klasse eines Wiener Gymnasiums besucht, zur Beurteilung zu über­mitteln, ob mit dem daraus ersichtlichen Unterricht Ihrer Meinung nach überhaupt irgend­welche Bildungsziele erreicht werden können. Ich bezweifle das jedenfalls. – Zitatende.

Hohes Haus, Distancelearning kann den Präsenzunterricht niemals ersetzen, und des­wegen, Herr Bundeskanzler: Sperren Sie die Schulen wieder auf! (Beifall bei der FPÖ.)

Holen Sie die Kinder zurück in ihr Leben! Beenden Sie die von Ihnen im Alleingang ver­hängte Geiselhaft über unsere Kinder! Ich sage ganz bewusst im Alleingang, denn Sie wissen, dass Sie ganz alleine mit Ihrer Meinung dazu waren. Der Herr Gesundheitsmi­nister war für offene Schulen, der Herr Bildungsminister war für offene Schulen, die ei­gene Regierungsampelkommission war für offene Schulen, Wirtschaftskammer, Arbei­terkammer, Ärztekammer, Industriellenvereinigung, Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde und so weiter und so fort – alle waren sie für das Offenhal­ten unserer Schulen.

Hohes Haus, ich darf in diesem Zusammenhang folgenden Entschließungsantrag ein­bringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicher­stellung eines regulären Unterrichts ab Montag dem 23. November 2020“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, sicherzustellen, dass ab Montag, 23. November 2020 wieder ein regulärer Präsenzunterricht für alle Schulstufen stattfindet.“

*****

Hohes Haus! Wir wollen, wir müssen unseren Kindern helfen, wir müssen sie aus dieser sozialen Isolation, in der sie sich befinden, herausführen. Sie haben es sich verdient, es ist ihre Zukunft, um die es dabei geht. Herr Bundeskanzler, versemmeln Sie nicht auch noch die Zukunft unserer Kinder, sperren Sie die Schulen wieder auf! (Beifall bei der FPÖ.)

9.41

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Hermann Brückl, MA

und weiterer Abgeordneter

betreffend Sicherstellung eines regulären Unterrichts ab Montag dem 23. Novem­ber 2020

eingebracht in der 64. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 20. November 2020 im Zuge der Debatte zu TOP 1, Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungs­vorlage (344 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz und das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert werden (427 d.B.)

Die Schulen wurden von einer Bildungseinrichtung für alle Schülerinnen und Schüler zu einer Betreuungseinrichtung für wenige degradiert. Zu Lasten der Schüler, Lehrer und Eltern. Die Schulen sind de facto geschlossen, die Schulpflicht ist so gut wie aufgehoben. Und das nun schon zum zweiten Mal in diesem Jahr, trotz breitem Protest und massiver Kritik von so gut wie allen Experten, Institutionen, Eltern, Lehrern, Schülern bis hin zum Bildungsministerium.

Sollen, falls die Coronazahlen nicht sinken, nach den Oberstufen auch die Pflichtschulen wieder geschlossen werden? Die Opposition ist dagegen, die Bundesländer sind dage­gen, die Eltern- und Familienverbände sind dagegen. Und auch das Bildungsministerium ist strikt dagegen. Das Ressort von Minister Heinz Faßmann führt für das Offenhalten der Pflichtschulen zahlreiche Argumente ins Treffen. (Salzburger Nachrichten am 10. No­vember 2020)

Die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) spricht sich am 10. November 2020 für bessere Präventionsmaßnahmen innerhalb der Bildungsein­richtungen statt Schulschließungen und Distance Learning aus.

IV-Präsident Georg Knill zu Schulschließungen am 11. November 2020: „Gravierende wirtschaftliche und soziale Folgen – Große Belastung für Kinder, Lehrende, Eltern und Betriebe – Bildungspolitische Reparaturmaßnahmen nötig“.

Die Gesundheitskrise dürfe nicht auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden, mahnte am 11. November 2020 WKO Steiermark Vizepräsidentin und Landesvorsitzen­de von Frau in der Wirtschaft, Gabriele Lechner. Sie lehnt einen Bildungslockdown ab.

AK-Präsidentin Anderl am 12. November zu möglichen Schulschließungen: „Kinder und Jugendliche dürfen nicht weiter die Verlierer der Corona-Einschränkungen bleiben.“

Werner Rainer vom Landesverband der Elternvereine Kärnten plädierte am 12. Novem­ber 2020 dafür, die Schulen so lange wie möglich offen zu halten. Auch die Lehrer seien aus pädagogischer Sicht für das Offenhalten, sagte Pflichtschullehrer-Gewerkschafter Stefan Sandrieser.

Joris Gruber, Präsident des Landesverbands der Elternvereine an höheren und mittleren Schulen, bleibt auch am 14. November 2020 bei seiner Forderung, dass die Schulen offenbleiben sollten. "Die Kinder brauchen geregelten Unterricht und soziale Kontakte", sagt er.

Die baden-württembergische Kultusministerin Eismann (CDU) weiß es inzwischen auch besser. Bei einer erst kürzlich stattgefunden Bürgersprechstunde meinte sie: „Flächen­deckende Schulschließung war ein Fehler.“

Geht es nach der Regierungs-Ampel-Kommission vom 12. November 2020, sollen Schu­len trotz der hohen Corona-Zahlen weiterhin geöffnet bleiben, da es sich dabei nicht um die Treiber des Infektionsgeschehens handle.

„Ich fürchte, dass wir dadurch eine ganze Generation zu Corona-Verlierern machen“, so die Vizepräsidentin des Katholischen Familienverbands Österreichs (kfbö) Astrid Eben­berger am 16.11.2020 in einer Aussendung.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, sicherzustellen, dass ab Montag, 23. November 2020 wieder ein regulärer Präsenzunterricht für alle Schulstufen stattfindet.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, trägt fünf Unterstützungsunterschriften und steht somit mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Ham­merschmid. – Bitte. (Abg. Hörl: Die Unwahrheit!)