9.41

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Vizekanzler, ich habe Ihnen gut zugehört, und eigentlich bin ich das, was ich von Ihnen in den letzten 10 Minuten jetzt gehört habe, nicht gewohnt, vor allem nicht diesen Hochmut (Ruf bei der ÖVP: Hochmut! Ha, ha!) und diese Arroganz, die Sie uns, dem Hohen Haus, hier entgegenbringen (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie des Abg. Loacker), indem Sie uns auffordern, auf den Boden zurückzukommen. Ich denke, Herr Vizekanzler, das steht Ihnen in dieser Form auch nicht zu.

Ja, wenn es der Boden der Realität ist, dann ist das genau dort, wo wir als Sozial­demo­kratie tagtäglich sind. Deswegen sage ich Ihnen auch: Keiner von uns hat je behauptet, dass die Bundesregierung nichts macht, aber ich sage auch, dass es nicht genug ist, dass es der Dimension dieser Krise nicht gerecht wird (Abg. Sieber: Ja, ja, ja! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), dass kein Plan dahinter ist und dass es nicht treffsicher ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Coronakrise, und vieles wurde dazu schon gesagt, fordert uns alle. Sie fordert uns alle, in allen Lebensbereichen, aber einige Gruppen unserer Gesellschaft fordert sie ganz besonders – das sind die älteren Menschen, das sind die Frauen, die Alleinerzie­herInnen und, ja, das sind die Jungen, die Jugendlichen und die Kinder. Es sind eine Million Schülerinnen und Schüler, die gerade zum zweiten Mal wochenlang zu Hause gesessen sind, und Zehntausende von ihnen waren für die Schule, für ihre Lehrerinnen und Lehrer nicht erreichbar.

Herr Vizekanzler, wir nehmen schon zur Kenntnis, dass es eine wissenschaftliche Dis­kussion darüber gibt, was das Gefährdungspotenzial und Infektionsrisiko in Schulen betrifft, aber eines ist klar: Es hätte immer ein funktionierendes Sicherheitskonzept an den Schulen geben müssen! Es wäre seit Beginn der Schule, seit September notwendig gewesen, darüber nachzudenken, und nicht erst jetzt nach neun Monaten Coronakrise! (Beifall bei der SPÖ.) Das wäre notwendig gewesen, das steht außer Zweifel, und dieser Meinung sind übrigens alle Expertinnen und Experten, darüber gibt es keine Diskussion.

Es sind auch junge Menschen, die eine Lehre beginnen wollen, die mit der Schule fertig sind, die ins Arbeitsleben eintreten könnten, die aber keinen Job und keinen Lehrplatz finden. Es sind junge ArbeitnehmerInnen, die ein paar Monate vor der Krise, ein paar Jahre vor der Krise ihre Karriere begonnen haben, und die die ersten waren, die in dieser Arbeitsmarktkrise den Job verloren haben. Ja, sie alle werden durch diese Krise und teilweise auch durch das Missmanagement der Bundesregierung um viele ihrer Chancen beraubt. – Das ist Zukunft.

Es sind 40 000 junge Menschen, die derzeit keinen Job haben, das sind somit 25 Pro­zent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Deutschland hat die Hälfte an zusätzlichen Arbeitslosen, daher, Herr Vizekanzler, hinkt der internationale Vergleich. Eine ganze Generation droht, wenn nichts gemacht wird, auf dem Abstellgleis zu landen, denn das heißt vor allem Perspektivenlosigkeit, die junge Menschen ein Leben lang wie einen schweren Rucksack mitschleppen – und das darf nicht passieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Da gilt es, entschlossen und entschieden zu handeln, mit einem Plan für gerechte Bildungschancen, Ausbildungschancen für junge Menschen – jene Chancen, die dieses Virus so schamlos bedroht. Das Wichtigste wäre, und ich komme darauf noch einmal zurück, alles zu tun, damit der Unterricht ein sicherer Unterricht wird, Sicherheitskon­zepte nicht nur am Papier auszuarbeiten, sondern auch in allen Schulen Österreichs umzu­setzen. (Abg. Steinacker: ...! Wir machen das! ... Direktoren in Österreich!) Rüsten wir aber unsere Schulen endlich auch für den digitalen Unterricht, so wie es sein soll! Stellen wir für jedes Kind ein Tablet oder einen Laptop dafür bereit! Holen wir die Schulen endlich aus dem digitalen Steinzeitalter heraus! Die Ganztagsschulen sollten endlich nach dem Vorbild Wiens ausgebaut werden. Das wäre zu tun. Ein Zukunftskonvent – vor einem Jahr haben wir darüber gesprochen, nichts ist in der Zwischenzeit passiert.

Die Coronapandemie ist noch lange nicht überstanden, das wissen wir alle. Es gilt, gemeinsam viel zu tun, um einen weiteren Lockdown zu verhindern. Wir müssen die Infektionszahlen unter Kontrolle halten, und Massentests sind ein Teil einer Strategie, ein Mosaikstein. Und wenn nach den öffentlichen Massentests jetzt viel über Wieder­holungen und regelmäßiges Testen gesprochen wird, dann wäre ein Ansatz, regelmäßig freiwillige Selbsttests zu Hause in den Wohnzimmern zu machen. Die Möglichkeiten sind da, und ich glaube, wir können es uns alle nicht leisten, in dieser Krise auf neue Mög­lichkeiten zu verzichten.

Gehen wir in den kommenden Monaten mutig neue Wege, um einen Lockdown zu vermeiden, um gemeinsam sicher voranzuschreiten! Das brauchen wir, das braucht unsere nächste Generation, und ich hoffe, wir ziehen da an einem Strang. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

9.46

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brückl. – Bitte.