13.29

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher! Ich bin ganz offen: Ich freue mich sehr, dass ich heute ge­meinsam mit der Justizministerin dieses große Paket Hass im Netz hier auch mit Ihnen besprechen und diskutieren kann. Es ist ein guter Tag, wenn wir über Hass im Netz sprechen. Es ist ein noch besserer Tag, wenn Sie heute die Möglichkeit haben – und ich hoffe, Sie tun das mit großer Mehrheit –, auch ganz konkrete Maßnahmen zu setzen, die Opfern von Gewalt, Opfern von Hass im Netz auch helfen können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Bereits als Staatssekretärin im Innenministerium habe ich mich ganz vehement gegen Gewalt an Frauen eingesetzt. Ich durfte die Taskforce Strafrecht leiten, gemeinsam mit dem Innen- und dem Justizministerium unter der Leitung von zwei Arbeitsgruppen von Sektionschef Pilnacek und Sektionschef Vogl haben wir hierzu bereits viele Maßnahmen vorgelegt, die strengere Maßnahmen im Strafrecht vorgesehen haben, wenn es um Gewalt an Frauen ging, und die bessere Möglichkeiten für den Opferschutz und die Täterarbeit vorgesehen haben. All das hat im Dritten Gewaltschutzgesetz gegipfelt, das seit 1.1. dieses Jahres in Kraft ist. – Dafür auch ein Dankeschön an Sie, die Sie das beschlossen und vorangetrieben haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Im Moment erleben wir eine Pandemie, wir befinden uns mitten in der zweiten Covid-19-Infektionswelle. Wir kämpfen alle in Europa mit sehr ähnlichen Problemen und wir schät­zen auf der einen Seite natürlich die Möglichkeiten, die wir haben, digital miteinander ohne physischen Kontakt in Kontakt zu bleiben, uns austauschen zu können. Diese digitalen Möglichkeiten haben aber auch eine negative Seite; das ist die noch intensivere Nutzung von sozialen Medien und, mit dem einhergehend, die noch raschere und unkontrolliertere Verbreitung von Hass im Netz, der ganz genau definiert ist. – Darauf komme ich noch zu sprechen.

Deshalb ist es aus meiner Sicht tatsächlich ein Meilenstein, dass wir heute über das Kommunikationsplattformen-Gesetz sprechen, das Ihnen zum Beschluss vorliegt, das in das große Maßnahmenpaket Hass im Netz eingebettet ist.

Worum geht es? – Österreich geht voran, Österreich ist da Tempomacher in der Euro­päischen Union auch für die Europäische Kommission. Österreich hat von den Erfah­rungen der anderen Staaten gelernt. So viele gibt es da noch nicht, das darf ich auch dazusagen, weil zuerst erwähnt worden ist, dass es da schon eine Reihe gibt. Es gibt in Deutschland das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das auch nachgebessert worden ist und von dem wir auch gelernt haben. Es gab auch einen Versuch in Frankreich, ein ähnliches Gesetz auf den Weg zu bringen, das am eigenen Verfassungsgericht in Frank­reich gescheitert ist – aber daraus haben wir auch gelernt und die Dinge und Kritikpunkte aufgegriffen. Es geht darum, Opfern rasch zu helfen, Opfern, die beleidigt werden, Opfern, die rechtswidrigen – und ich sage das ganz deutlich –, strafrechtswidrigen Dingen im Internet ausgesetzt sind. Darum geht es, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wenn hier immer wieder insbesondere seitens der FPÖ von Zensur die Rede ist, muss ich sagen, dann finde ich diese Diskussion wirklich, gelinde gesagt, irritierend. Es ist im Gesetz, im Kommunikationsplattformen-Gesetz ganz konkret aufgezählt, was wir unter Hass verstehen. Das Wort Hass kommt im Gesetz in dieser Form nicht vor, sondern es sind die Strafrechtstatbestände aufgelistet: Drohung, Nötigung, Mord, Verhetzung, anti­semitische Verhetzung, Verbotstatbestände. (Abg. Stefan: Wer entscheidet? – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Wer entscheidet, was Hass ist?) Das ist eine abschließende Liste. Diese Inhalte hat eine Plattform in Zukunft zu löschen, und zwar innerhalb von sieben Tagen, wenn es einer näheren Prüfung bedarf, innerhalb von 24 Stunden, wenn es auch für einen Laien leicht erkennbar ist, dass es sich dabei um solche Tatbestände handelt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Frau Abgeordnete Kucharowits, ich finde es bedauerlich, dass Sie sich nicht näher mit den Dingen auseinandersetzen und zum Schluss kommen, dass mit diesem Gesetz die Plattformen die Entscheidungshoheit hätten, was gelöscht wird oder nicht. Ganz im Gegenteil: Wir geben den Plattformen jetzt einen klaren gesetzlichen Rahmen vor und sagen ihnen, was zu löschen ist, und zwar zumindest, denn die Kommunikations- und Communityplattformen haben nach wie vor die Möglichkeit, ihre eigenen Standards zu setzen und auch über dieses Niveau oder unter dieses Niveau, je nachdem, von welcher Seite man es betrachtet, zu gehen. Das heißt, jetzt nehmen wir die Verantwortung in die Hand und geben ihnen klare rechtliche Rahmenbedingungen vor, innerhalb derer sie löschen müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich würde mich freuen, wenn Sie sich damit noch einmal auseinan­der­setzen.

Ein zweiter Punkt ist mir ganz wichtig zu betonen: Haben Sie schon einmal versucht, ein derartiges Posting aus den sozialen Netzwerken wegzubekommen? – Sie haben nor­malerweise keine Ansprechpartner, Sie suchen ewig herum, bis Sie jemanden finden. Zukünftig müssen diese Plattformen leicht erreichbar sein, sie müssen ein Meldesystem einrichten, an das sich jeder User schnell wenden kann. Sie müssen einen Zustellbe­vollmächtigten nennen, damit auch, wenn der erste Schritt, das Löschen erledigt ist, für die Justizministerin, für die Behörden der Justiz Ansprechpartner da sind, denen man zustellen kann. Das ist ein ganz, ganz entscheidender Vorteil. Ich sage Ihnen auch: Es ist jetzt die Zeit, zu handeln und diese Dinge einzurichten. Deshalb freue ich mich, dass das heute behandelt wird und, beginnend mit nächstem Jahr, auch tatsächlich in Kraft treten kann. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Steinacker: So ist es!)

Damit komme ich zur europäischen Dimension des Ganzen. Ja, wir brauchen eine euro­päische Lösung für das Ganze, das sage ich auch ganz bewusst als Europaministerin. Wir wollen, dass das in Europa einheitlich gelöst wird, dass alle Opfer von derartigen Hasspostings die Möglichkeit haben, sich an soziale Medien und die Netzwerke zu wenden, um diese löschen zu lassen. Ich sage Ihnen aber auch, es wird noch einige Zeit dauern, bis diese europäische Lösung da ist. Das ist nicht etwas, was jetzt nur ich sage, sondern erst vor wenigen Tagen, am 8. Dezember, hatten wir den Rat Allgemeine Ange­legenheiten. Die Vizepräsidentin Věra Jourová, die sich im Übrigen auch mit Desinfor­mation und Fakenews, aber auch mit Hass im Netz beschäftigt, hat ihren European Democracy Action Plan präsentiert. Sie hat gesagt, ja, auch sie will eine europäische Lösung, aber machen wir uns nichts vor – das ist ein ziemlich wörtliches Zitat –, es wird noch Jahre dauern, bis diese europäische Lösung tatsächlich vorliegt, selbst wenn sie dann hoffentlich Mitte Dezember präsentiert wird; im Übrigen hätte sie schon vor einigen Tagen oder Wochen präsentiert werden sollen, was bisher nicht der Fall war. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir sehen dieser europäischen Lösung wirklich händeringend entgegen. Ich wirke mit der Europäischen Kommission darauf hin, dass das vorgelegt wird. Wir werden unsere Erfahrungen, die wir in den nächsten Jahren machen werden, einbringen, wir sind stän­dig in Kontakt. Wir haben auch eine sehr umfangreiche Stellungnahme der Euro­päischen Kommission bekommen, in der die Sorge geäußert wird, dass sich das beißen könnte, wenn denn einmal der Digital Services Act in Kraft sein wird, aber bis dahin begrüßt die Europäische Kommission diese Initiative und teilt die Ziele, die wir mit diesem Kommuni­kationsplattformen-Gesetz verfolgen.

Deshalb möchte ich diese Ankündigung, die ich schon oft gemacht habe, dass wir natürlich auf die europäische Ebene Rücksicht nehmen und auch darauf eingehen, was die Kommission dann irgendwann präsentieren wird, auch tatsächlich manifestieren. Genau deshalb werden die Abgeordneten der Regierungsfraktionen auch noch einen Abänderungsantrag einbringen, damit wir eine Evaluierung dieses Gesetzes vorneh­men, spätestens im Jahr 2022, um auch auf alle Dinge, die sozusagen auf europäischer Ebene dann hoffentlich schon passiert sein werden, eingehen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nein, wir können nicht länger warten. Es ist jetzt Zeit, zu handeln. Wir wollen jetzt den Opfern bestmögliche Unterstützung anbieten, wenn sie von Hass im Netz betroffen sind. Ich darf es noch einmal sagen: Es geht nicht um irgendetwas, es geht um strafrechtswidrige Inhalte, die rasch gelöscht werden müssen, noch bevor die Zivil- und Strafgerichte der Justiz eingreifen können, damit möglichst schnell eine Erleichterung für die Opfer eintritt.

Das, was Sie heute hoffentlich hier mit breiter Mehrheit beschließen werden, ist ein Meilenstein. Das setzt neue Maßstäbe in Österreich und in Europa. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.39

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Alexander Melchior. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.