14.11

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Hohes Haus! Worum geht es? – Der Europäische Gerichtshof hat in einer Entscheidung festgestellt, wie die EU-Richtlinie über die Rechte der Verbraucher bei vorzeitigen Kreditrückzahlungen auszulegen sei. Diese Entscheidung hat gezeigt, dass wir diese EU-Richtlinie in Österreich mangelhaft, und zwar zulasten der Konsumenten und zugunsten der Banken, umgesetzt haben.

Der EuGH hat judiziert, dass bei vorzeitiger Kreditrückzahlung die Gesamtkosten des Kredits zu ermäßigen sind und nicht nur die laufzeitabhängigen Kosten, so wie das in Österreich bisher gesetzlich vorgesehen ist. Daher gibt es jetzt legistischen Handlungs­bedarf, aber leider wird der Spruch des Europäischen Gerichtshofes mit der vorliegen­den Regierungsvorlage wieder nur halbherzig umgesetzt. Dies zeigt auch die scharfe Kritik des Obersten Gerichtshofes im Begutachtungsverfahren.

Unser erster Kritikpunkt ist jener, dass die vorliegende, im Vergleich zum Istzustand zwar korrektere, aber noch immer nicht korrekte Umsetzung der EU-Richtlinie erst für Ver­braucherkredite gelten soll, die nach dem Stichtag 11. September 2019, also dem Datum der EuGH-Entscheidung, geschlossen beziehungsweise gewährt wurden. Es wäre aber doch nur logisch und fair, auch ältere Verbraucherkredite, die nach der fehlerhaften innerstaatlichen Umsetzung der Richtlinie abgeschlossen wurden, miteinzubeziehen; das wäre der Stichtag 11. Juni 2010. In Wahrheit ist diese halbherzige Novelle nichts anderes als ein ÖVP-Geschenk für die heimischen Banken, zu denen ja durchaus ein gewisses Naheverhältnis besteht.

Sollte der Europäische Gerichtshof mit dem heutigen Gesetz im Zusammenhang mit älteren Kreditverträgen befasst werden, die zwischen 2010 und 2019 abgeschlossen wurden, dann wird er dieses Gesetz mit hoher Wahrscheinlichkeit aufheben. Bis dahin geht es weiter auf Kosten der Konsumenten und zugunsten der Banken, und alles nur, um den Banken für Kredite aus neun Jahren EU-rechtswidrige Bankspesen zuzu­schan­zen.

Unser zweiter Kritikpunkt ist jener, dass das Wort Gesamtkosten bewusst vermieden wird und immer nur von Kosten gesprochen wird. In den erläuterten Bemerkungen zur Regierungsvorlage steht etwas Erstaunliches, und ich zitiere daraus: „Wenngleich die Richtlinie im Zusammenhang mit der vorzeitigen Rückzahlung ebenfalls den Begriff ,Gesamtkosten‘ verwendet, sollte [...] aus Sachlichkeitserwägungen von einem engeren Verständnis der erfassten Kosten ausgegangen werden.“ – Zitatende.

Das ist schon erstaunlich, denn in der Regierungsvorlage steht also sinngemäß drinnen: Wir halten die EU-Richtlinie in diesem Punkt für unsachlich und setzen sie daher bewusst nicht korrekt um. – Das ist eine interessante Einstellung für selbsternannte Europa­parteien und keinesfalls konsumentenfreundlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher bringe ich hiermit den folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen: 

Der dem obenstehenden Bericht angeschlossene Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. In Artikel 1 Ziffer 5 wird das Wort „Kosten“ durch „Gesamtkosten“ ersetzt.

2. In Artikel 1 lautet die Ziffer 6 § 29 Abs. 12 wie folgt:

„(12) § 16 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. I Nr. xxx/2020 tritt mit 1. Jänner 2021 in Kraft und ist auf Kreditverträge und Kreditierungen anzuwenden, die nach dem 11. Juni 2010 geschlossen beziehungsweise gewährt werden, sofern die vorzeitige Rückzahlung nach dem 31. Dezember 2020 geleistet wird.“

*****

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, folgen Sie Ihrem Herzen! Fühlen Sie sich nicht der Bankenlobby verpflichtet und stimmen Sie unserem Abänderungsantrag zu! (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend wünsche ich Ihnen, Frau Bundesminister, alles Gute für die bevor­stehenden Wochen. Es gibt nichts Schöneres auf der Welt als das Wunder der Geburt eines Kindes. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Ing. Mag. Reifenberger, Mag. Harald Stefan

und weiterer Abgeordneter

zum Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (478 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Verbraucherkreditgesetz und das Hypothekar- und Immobilien­kreditgesetz geändert werden (517 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der dem obenstehenden Bericht angeschlossene Gesetzesantrag wird wie folgt ge­ändert:

1. In Artikel 1 Ziffer 5 wird das Wort „Kosten“ durch „Gesamtkosten“ ersetzt.

2. In Artikel 1 lautet die Ziffer 6 § 29 Abs. 12 wie folgt:

„(12) § 16 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2020 tritt mit 1. Jänner 2021 in Kraft und ist auf Kreditverträge und Kreditierungen anzuwenden, die nach dem 11. Juni 2010 geschlossen beziehungsweise gewährt werden, sofern die vorzeitige Rückzahlung nach dem 31. Dezember 2020 geleistet wird.“

Begründung

Der Artikel 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. Nr. L 133 vom 22.05.2008 S. 66, ist vor dem Hintergrund der Erwägungen der Richtlinie, insbesondere in Bezug zu Punkt 20, der den Begriff „Gesamtkosten“ genau darstellt, zu sehen:

„(20) Die Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher sollten sämtliche Kosten umfassen, einschließlich der Zinsen, Provisionen, Steuern, Entgelte für Kreditvermittler und alle sonstigen Entgelte, die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Kredit­vertrag zu zahlen hat, mit Ausnahme der Notargebühren. Die tatsächliche Kenntnis des Kreditgebers von diesen Kosten sollte objektiv beurteilt werden, wobei die Anforderun­gen an die berufliche Sorgfalt zu berücksichtigen sind.“

Der EuGH begründet in seiner Entscheidung unter Punkt 28, dass es sich ausschließlich um „Gesamtkosten“ und nicht um den ungenaueren Begriff „Kosten“ handeln könne, folgendermaßen: „In Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 wurde demnach das Recht des Verbrauchers auf Ermäßigung der Kosten des Kredits bei vorzeitiger Rückzahlung dadurch konkretisiert, dass der allgemeine Begriff „angemessene Ermäßigung“ durch den präziseren Begriff „Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits“ ersetzt und ergänzt wurde, dass sich diese Ermäßigung auf die „Zinsen und Kosten“ zu beziehen hat.“ Daraus schließt der EuGH und urteilt: „Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucher­kredit­verträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass das Recht des Verbrauchers auf die Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Kreditrückzahlung sämtliche dem Verbraucher auferlegten Kosten um­fasst.“

Die Regierungsvorlage, da nur die „Kosten“ und nicht die „Gesamtkosten“ und Kredit­verträge und Kreditierungen, die nach dem Urteil des EuGHs und nicht ab dem 11. Juni 2010 (Inkrafttreten der RL Richtlinie 2008/48/EG) gewährt oder geschlossen wurden, Berücksichtigung fanden, ist daher anfällig für weitere Prozesse an den ordentlichen Gerichten Österreichs, wenn das Verbraucherkreditgesetz, BGBl. I Nr. 28/2010, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 93/2017, nicht entsprechend des Abänderungsantrages geändert in Kraft tritt.

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und er steht auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Dr. Christian Stocker. – Bitte, Herr Abgeordneter.