15.24

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger daheim vor den Bildschirmen, vor allem Sie daheim vor den Bildschirmen! Es geht aktuell darum, ob Sie auch in Zukunft in Österreich Qualitätsmedien konsumieren können, die kritisch und unabhängig recherchieren und berichten. Das ist nämlich nicht nach dem Gusto unserer Regierung.

In unserem Nachbarland Ungarn hat Ministerpräsident Orbán die Medien drangsaliert. Er hat das sehr offensichtlich gemacht, hat dadurch auch offenen Widerstand erzeugt, viel Reibung erzeugt und auch ein Schlaglicht darauf geworfen. Er war erfolgreich, aber noch erfolgreicher wird Sebastian Kurz sein. Der macht das viel smarter, er kauft sich die Medien einfach.

Schon bisher war das Inseratenvolumen allein der Bundesregierung in Nichtkrisenzeiten mit 20 Millionen Euro deutlich höher als in Deutschland. Die deutsche Regierung – Deutschland ist dann doch zehnmal so groß wie Österreich – kommt nämlich mit 15 Millionen Euro pro Jahr in Nichtkrisenzeiten aus, um ihre Bürgerinnen und Bürger zu informieren. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Hier denkt man sich: Warum denn nicht klotzen? – Man hat einfach gleich zwei Ausschreibungen an den Start geschickt. Gesucht wird zum einen eine Kreativagentur für die kommenden vier Jahre, die für 30 Millionen Euro diverse Dinge, Kreativleistungen – dazu gehören Logos, vielleicht ein lustiges Maskottchen –, entwickelt, um das Beste aus beiden Welten zu kommunizieren.

Weil man der Menschheit ja auch über seine fantastischen Ideen berichten muss, hat man eine zweite Ausschreibung am Start. Diese umfasst ebenfalls vier Jahre. Gesucht werden in diesem Fall drei Leadagenturen, um für – bitte festhalten! – 180 Millionen Euro Inserate, Banner und Plakate zu gestalten. (Beifall bei den NEOS.)

180 Millionen Euro werden in den nächsten vier Jahren verjuxt und verjubelt, um Inserate und Ähnliches zu buchen. Das sind pro Jahr 45 Millionen Euro. Wir werden also in Zukunft pro Jahr mit Regierungswerbung um 45 Millionen Euro beglückt. Damit ist diese Regierung der größte Werbekunde, den Österreich je gesehen hat. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich habe mir einmal ausgemalt, wie man sich das Leben von Herrn und Frau Österreicher dann in Zukunft in dieser schönen neuen Kommunikationswelt vorstellen kann. Gemein­sam mit Mediaplanungsexperten habe ich einen Mediaplan erstellt – den stelle ich Ihnen (in Richtung ÖVP) auch gerne zur Verfügung; da ersparen Sie sich wieder ein paar Millionen Euro – und habe gefragt: Was bekommt man denn für dieses Geld?

Sie bekommen unter anderem pro Woche 1 176 Fernsehspots zu je 30 Sekunden, ge­recht verteilt zwischen ORF und Privaten. 1 176 Spots, das sind knapp 36 000 Sekun­den, das sind 10 Stunden Werbespots pro Woche. Da sind aber die täglich bis zu vier Pressekonferenzen mit Liveübertragungen noch nicht eingerechnet.

Die Regierung kann sich zusätzlich auch jede Woche 60 ganzseitige Inserate in Tages­zeitungen kaufen. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, wie viele Tageszeitungen es eigentlich in Österreich gibt. Da muss man den Begriff überregional schon sehr groß­zügig aus­legen, damit jede Tageszeitung dann nur eine Regierungsseite pro Woche enthält. Sie können außerdem Österreich flächendeckend mit einer immerwährenden Plakatkam­pagne überziehen, alle zwei Wochen neu an 3 500 Standorten im ganzen Land. Hinzu kommen dann auch noch Radiowerbung, Werbung in sozialen Netzwerken und natürlich in der Google-Suche.

Sie müssen sich also schon richtig anstrengen, um dieses viele Geld auszugeben. Da fragt man sich natürlich: Wozu? Wozu diese ganze Propaganda? Was und wen wollen Sie denn eigentlich kontrollieren?

Das reicht Ihnen aber nicht. Sie schaffen ja auch ein Konstrukt, damit wir als parla­mentarische Opposition nicht nachvollziehen können, wie viel Geld eigentlich wohin fließt. Öffentlich sind nämlich nur die Aufträge an die sogenannten Leadagenturen. Was die dann mit dem Geld machen, an wen sie Aufträge weitervergeben, das entzieht sich jeder parlamentarischen Kontrolle und das ist empörend. (Beifall bei den NEOS.)

Ich weiß auch, warum Sie das tun. Bei den vielen Anfragen, die ich zu diesen Themen gemacht habe, hat sich erstaunlicherweise immer wieder herausgestellt, dass es Men­schen aus dem ÖVP-Umfeld waren, die Aufträge erhalten haben, oft auch Aufträge, für die sie völlig unqualifiziert sind. Da macht ein Strategieberatungsunternehmen plötzlich Grafik, ein parteinaher Werber ist plötzlich Nachhaltigkeitsexperte und kriegt dafür Auf­träge. (Abg. Hörl: ... einen Baldrian!) Mit Ihrem unverschämten Werbebudget schwächen Sie die Medienlandschaft in Österreich, statt vernünftige Medienpolitik zu betreiben.

Das ist jetzt auch der Lackmustest für die Grünen. Seid ihr Teil dieser Propaganda­ma­schine oder nicht? Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dras­ti­sche Reduzierung der Summe für die momentan ausgeschriebenen Rahmenverträge Mediaagenturleistungen Bund und Kreativagenturleistungen Bund“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, das Volumen der Rahmenverträge Media­agentur­leistungen Bund (Geschäftszahl 5202.03733) und Kreativagenturleistungen Bund (Geschäftszahl 5202.03685) drastisch zu beschränken, anstatt die festgesetzten 210 Millionen Euro an Steuergeld für Regierungs-Kommunikation zu verschwenden.“

*****

Danke. (Beifall bei den NEOS.)

15.30

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend drastische Reduzierung der Summe für die momentan ausgeschriebenen Rahmenverträge Mediaagenturleistungen Bund und Kreativagenturleistungen Bund

eingebracht im Zuge der Debatte in der 69. Sitzung des Nationalrats über Bundesgesetz, mit dem das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz, das KommAustria-Gesetz, das ORF-Gesetz und das Privatradiogesetz geändert werden (510 d.B.) – TOP 6

Die Regierung hat am 02.11.2020 über die BBG Rahmenverträge über 180 Millionen für vier Jahre für Mediaagenturleistungen Bund (Geschäftszahl 5202.03733) sowie 30 Millionen für vier Jahre für Kreativagenturleistungen Bund (GZ: 5202.03685) ausge­schrieben. Das bedeutet: Die Regierung plant von 2021 bis 2024 über 52 Millionen Euro an Steuergeld pro Jahr für Öffentlichkeitsarbeit, PR, Inserate und Agenturleistungen auszugeben. Das sind 1 Millionen Euro pro Woche. Es lässt sich nicht nachvollziehen, welche Kreativleistungen in der Höhe von 7,5 Millionen Euro pro Jahr von der Regierung noch zugekauft werden müssen. Das sind Budgets, die beispielsweise viele inter­natio­nale Filmproduktionen in den Schatten stellen. Zum Vergleich: Der Film „Liebe“ von Michael Haneke, der u.a. eine Goldene Palme in Cannes gewonnen hat, hatte ein Budget von ca. 7,3 Millionen Euro. Das unterstreicht die absurd hohe Summe die aus­gegeben werden soll, um die Bevölkerung über die eigene Arbeit zu informieren. Das Problem ist überdies, dass die Regierung weder transparente Kriterien angibt, nach denen die Mittel verteilt werden, noch sinnvolle, festgeschriebene Kommunikationsziele der Regierung existieren, nach denen man die umgesetzten Kampagnen evaluieren könnte. Vielmehr werden seit Jahren immer mehr Steuermittel an Medien verteilt. Vor allem aber wird mit den ausgeschriebenen Etats für "Leadagenturen" ein Konstrukt geschaffen, dass sich jeder parlamentarischen Kontrolle entzieht. Subauftrag­nehmer_in­nen der insgesamt 4 Leadagenturen (eine wird für den Kreativetat gesucht, drei für den Media-Etat) und deren Leistungen sind vom Interpellationsrecht nicht erfasst. Somit werden u.a. potentiellen Scheingeschäften Tür und Tor geöffnet.

Die Inserate und Kampagnen der Regierung übersteigen schon jetzt die staatliche Presseförderung (8,86 Millionen Euro/Jahr) um eine Vielfaches und sind damit die größte staatliche "Fördermaßnahme" für Medien in Österreich. Das heißt: Hier wird mit voller Absicht der Markt verzerrt und Geld ohne nachvollziehbare Kriterien aus-bezahlt. Die sich immer wiederholende Regierungsmär von der Reichweite als Kriterium stimmt leider ebenfalls nicht, wie eine Studie des Medienhaus Wien zu den Inseratenausgaben der Regierung in Tageszeitungen 2018/2019 bewies. Darin zeigt sich, dass die Regierung verschiedene Wertigkeiten für verschiedene Medien hat, sie bezahlt 5,15 Euro pro Leser_in von Österreich; für Heute 3,89 Euro; für Presse 2,72 Euro; für Krone 2,21 Euro; für SN 1,9 Euro. Der Boulevard (Krone, Österreich, Heute) wird auffällig bevorzugt.

Inserate sind jedoch keine Medienförderung. Aus diesem Grund muss es das Ziel sein, die teuren PR-Kampagnen der Regierung zu reduzieren und nicht vier Jahre im Voraus mit einem äußerst üppigen Budget festzuschreiben. Dass es anders geht, hat die Regierung Bierlein bewiesen. Brigitte Bierlein reduzierte in ihrer kurzen Amtszeit die Ausgaben für Inserate im BKA um 98% von 955.000 auf 17.000 Euro und ihr Innen­minister Peschorn im BMI um 93% von 920.000 auf 65.000 Euro – ohne, dass sich die Bevölkerung schlechter informiert gefühlt hätte.

Es braucht ein Ende der starken, intransparenten Wettbewerbsverzerrung durch die Regierung und dieser Steuergeldverschwendung. Außerdem fordern wir NEOS seit Jahren mehr Transparenz bezüglich der Vergaben und eine Ausweitung der Bekanntgabe- und Meldepflichten. Darüber hinaus braucht es nachvollziehbare und verbindliche Richt­linien für die Inseratenvergabe und festgeschriebene Kommunikationsziele von Seiten der Regierung.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, das Volumen der Rahmenverträge Mediaagen­tur­leistungen Bund (Geschäftszahl 5202.03733) und Kreativagenturleistungen Bund (Geschäftszahl 5202.03685) drastisch zu beschränken, anstatt die festgesetzten 210 Millionen Euro an Steuergeld für Regierungs-Kommunikation zu verschwenden. "

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht damit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gerstl. – Bitte.