17.40

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Gesundheitsminister! Ich bin ganz grundsätzlich ein Freund von differenzierter Argumentation, und deswegen werde ich auch jetzt hier versuchen, das entsprechend zu machen.

Herr Bundeskanzler, Sie haben gesagt, Sie freuen sich über den Impfstoff. Diese Freude teile ich, und deswegen ist es mir auch sehr wichtig, vielleicht noch einmal darauf einzu­gehen, was ich vorhin gesagt habe. Es ist mir wichtig, dass die Bevölkerung Argumente dafür hört, wieso dieser – meines Erachtens unverantwortliche – Umgang der FPÖ mit Testungen und Impfungen schlichtweg falsch ist. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben es schon gehört: Es gab natürlich ein entsprechendes Zulassungsverfahren für die Impfstoffe. Ja, das ist schneller als sonst passiert, das ist richtig. Wir sind in einer Notsituation, und dementsprechend haben die Wissenschaftlerinnen und Wissen­schaft­ler in der EMA das auch schneller gemacht.

Die Freiheitlichen fragen immer öfter in die Runde, ob wir denn wissen, was in diesem Impfstoff drinnen ist. Herr Klubobmann Kickl, Sie haben diese Frage bei einer ATV-Diskussion gestellt, wer denn weiß, was da drinnen ist. Ich sage Ihnen etwas: Ich habe mich Zeit meines Lebens impfen lassen. Ich habe vorhin kurz nachgedacht, wie viele Impfungen es waren; und ich habe das immer gemacht, weil ich an die Wissenschaft und an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler glaube. Ich glaube, ich habe alle Impfungen gefunden. Ich kann es Ihnen vorlesen: Ich habe mich gegen Masern, Mumps, Röteln impfen lassen, gegen FSME, gegen Polio, gegen Tetanus, gegen Diphterie, gegen Japan-B-Enzephalitis, gegen Gelbfieber, gegen Tollwut, gegen Hepatitis A, gegen Hepatitis B, gegen Typhus, dieses Jahr übrigens auch erstmalig gegen die Grippe. (Zwi­schenruf des Abg. Hafenecker.)

Ich sage Ihnen etwas: Ich habe sicher noch welche vergessen, aber ich wusste bei keiner einzigen Impfung, was da drinnen ist, weil ich Vertrauen in Menschen habe, die vom Fach sind, weil ich überzeugt davon bin, dass Wissenschaftlerinnen und Wis­senschaftler, dass Ärztinnen und Ärzte wissen, was sie machen (Abg. Kickl: Ich habe auch nicht gefragt, was drinnen ist, ich habe gefragt, was es bewirkt! Sie waren ja dabei!), und wissen, dass Impfungen, wenn sie entsprechend getestet sind, auch ungefährlich sind. (Beifall bei NEOS und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Es mag ja sein, dass Sie mir nicht glauben. Ich empfehle Ihnen Folgendes: Steven Pinker hat ein ausgezeichnetes Buch geschrieben, es heißt „Aufklärung jetzt“, und er hat darin ausgerechnet, wie viele Menschenleben aufgrund von Impfungen gerettet werden konnten. Nur ein einziges Beispiel von einer Impfung: Es ist so, dass nach den WHO-Berechnungen alleine durch die Masernimpfung im Zeitraum von 2000 bis 2017 21 Mil­lionen Menschenleben gerettet werden konnten. Ich glaube, das ist ein ausgezeichneter Erfolg und ein guter Grund, Vertrauen in Impfungen zu haben. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein letztes Argument – weil ich vorhin den Zwischenruf von Kollegen Wurm gehört habe: Es darf sich eh jeder impfen lassen! –: Das ist richtig, und ich bin auch überzeugt davon, dass es nichts bringt, da Zwang anzuwenden, aber der Punkt ist: Es geht nicht darum, ob ich mich impfen lasse. Schauen Sie, ich bin noch vergleichsweise jung, bin halbwegs gesund. Der Punkt ist: Es geht da nicht um mich, es geht darum, dass ich mich impfen lasse, damit ich andere Menschen, die nicht die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen – weil sie beispielsweise besondere Allergien haben, weil sie eine Vorerkrankung haben, weswegen das nicht geht –, nicht anstecken kann. (Abg. Belakowitsch: Dafür ist die Impfung nicht geeignet, Herr Kollege!) Wir brauchen die Herdenimmunität, dazu braucht es eine gewisse Durchimpfungsrate, und das geht nur, wenn so viele wie möglich dabei mitmachen – und da wünsche ich mir, dass die Bevölkerung da auch entsprechend mittut. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Das wissen Sie schon, dass die Impfung diese Funktion nicht erfüllt!?)

Um jetzt bei der differenzierten Argumentation zu bleiben: Ich habe gerade gesagt, wie groß mein Vertrauen in die Wissenschaft ist. Herr Bundeskanzler, das ist bei Ihnen immer ein bisschen schwieriger – sowohl betreffend Ihre Erklärung zu Mittag als auch Ihre Ausführungen jetzt. Da fehlt mir in vielen Bereichen das Vertrauen. Sie haben gesagt, immer dann, wenn Maßnahmen nicht gesetzt werden, gibt es entsprechend höhere Infektionszahlen, und alle in Europa haben Maßnahmen gesetzt. – Das stimmt, ganz viele haben Maßnahmen gesetzt, auch sehr unterschiedliche. Eine Sache, die wir immer angesprochen haben – ich habe mir vorhin noch einmal die Zahlen angeschaut –, sind die Schulschließungen, die in Irland nicht passiert sind. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Kurz.)

Irland hat weniger Einwohner, aber selbst auf pro Kopf runtergerechnet hat Irland niedrigere Infektionszahlen, weniger Tote gehabt – und sie haben die Schulen offen gelassen. Das ist der Vorwurf, den wir Ihnen hier machen. (Beifall bei den NEOS.)

Der Vertrauensverlust in die Bundesregierung hat vier konkrete Gründe: Erstens ist es die Intransparenz, mit der Sie gehandelt haben, zweitens sind es die falschen Infor­mationen, die uns oft übermittelt wurden, es ist Chaos, und es ist Ignoranz.

Allein die Intransparenz: Wir haben die Ages-Daten, die wir x-mal verlangt haben, immer noch nicht, es gibt immer noch keinen Cofag-Unterausschuss, in dem wir die Wirt­schafts­hilfen entsprechend überprüfen können.

Zu den Falschinformationen von Ihrer Seite – ich habe es zu Mittag schon einmal gesagt –: Letzte Woche am Mittwoch im Hauptausschuss kein Wort davon, dass eventuell ein Lockdown notwendig ist, am Donnerstag im Bundesrat kein Wort davon, am Donnerstag im Tourismusausschuss kein Wort davon – gleichzeitig haben Sie diese Verordnung plus die Pressekonferenz natürlich schon vorbereitet. Sie informieren uns schlichtweg nicht richtig.

Sie richten Chaos an. Sie machen gesetzwidrige Verordnungen. Bis heute gibt es keine Amnestie für all die Menschen, die zu Unrecht aufgrund Ihrer verhängten Betretungs­verbote bestraft wurden. Sie richten Chaos mit den Schulschließungen an, es gibt keine Planbarkeit für Unternehmerinnen und Unternehmer.

Letztes Beispiel, Sepp Schellhorn hat es als direkt Betroffener angesprochen: Ein Unternehmer weiß jetzt nicht, ob es überhaupt möglich sein wird, in einem Skigebiet Essen to go anzubieten, oder nicht, es ist unmöglich, entsprechend zu planen.

Sie erzählen etwas von Zwangstests, für die es bis jetzt keine gesetzliche Grundlage gibt, obwohl Sie das offensichtlich glauben, und es gibt mehr als 2 000 Tote in Pflegeheimen, weil Sie es nicht geschafft haben, die Risikogruppen entsprechend zu schützen.

Vierter Punkt: Sie reden immer von diesem Schulterschluss. Sie haben nur leider Gottes kein Interesse am Schulterschluss. (Beifall der Abg. Doppelbauer.) Alle Oppositions­parteien haben wichtige Vorschläge gemacht. Wir haben beispielsweise im April gesagt: Es braucht die Testungen in den Pflegeheimen!, und es ist nicht passiert. Wir haben vorgeschlagen, dass wir gemeinsam – das tun wir jetzt bis zu einem gewissen Grad – zu erreichen versuchen, dass die Menschen sich impfen lassen. Wir haben bei den Wirtschaftshilfen Vorschläge gemacht, die ignoriert wurden.

Sie haben insgesamt weder die notwendigen Maßnahmen in Bezug auf den Schutz der Risikogruppen gesetzt, noch haben Sie aus unserer Sicht die richtigen Maßnahmen in Bezug auf die Wirtschaftshilfen gesetzt. Es ist jetzt doch so, dass endlich der Verlust­ausgleich kommt und es keine Umsatzersätze mehr gibt, die überfördern. Insgesamt haben Sie es aus unserer Sicht nicht geschafft, am Feld der Gesundheit die richtigen Maßnahmen zu setzen, auch nicht im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise.

Sie reagieren und regieren immer noch über Pressekonferenzen. Sie halten die Bundes­verfassung und unsere Grund- und Freiheitsrechte für juristische Spitzfindigkeiten, Sie nehmen dieses Parlament nicht ernst, und ich sage Ihnen: Dementsprechend haben wir das Vertrauen in Sie verloren. (Beifall bei den NEOS.)

17.47

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Dr. Susanne Fürst. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.