18.04

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Mit­glieder der Bundesregierung! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Seit Mitte März ist die Coronapandemie das alles bestimmende Thema, nicht nur in Österreich, sondern auf der ganzen Welt. Das sind inzwischen fast zehn Monate, in denen die Bundesregierung von ÖVP und Grünen einen Fehler nach dem anderen produziert, Entwicklungen verschläft, Husch-pfusch-Maßnahmen setzt und damit die Bevölkerung zunehmend verunsichert.

Für die Bewältigung einer Pandemie und einer Krisensituation ist das ganz und gar kontraproduktiv. Eines hat die Regierung jedenfalls seit Ausbruch der Pandemie stets durchgehalten, nämlich das Spiel mit der Angst, gepaart mit Drohungen, Spaltung und Zwang. Und was mir jetzt auffällt, ist, dass die Erzählung der ÖVP ist: Die anderen sind schuld, die Opposition, die Angst schürt und verunsichert. – Auch Sie, Herr Bundes­kanzler, haben heute in Ihrer Rede wieder mit der Angst gespielt. Sie weisen auf andere und verweisen auf andere Staaten, in denen die dritte Welle schon begonnen hat. An dieser Stelle darf ich darauf hinweisen, dass Österreich unter der Führung Ihrer Regie­rung vom Musterknaben zum weltweiten Schlusslicht geworden ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Der Herr Vizekanzler erklärt uns heute, dass alles eh logisch und super ist. Ich sage Ihnen eines: Alles richtig gemacht – eine derartige Einschätzung hat bereits ein Tiroler Landespolitiker von sich gegeben, und das ist ihm nicht gut angestanden.

Herr Bundeskanzler, Ihr neuer Spin lautet sinngemäß: Ich bin so arm, denn egal, was ich mache, es gibt immer Leute, die das kritisieren. – Es ist schon richtig interessant: Dieser Satz kommt und ist zu hören, wenn es eng wird, wenn es in der Argumentation eng wird, wenn kritische Fragen gestellt werden, wenn auf die verfassungswidrigen Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten hingewiesen wird.

Aber wie sagte der Herr Bundeskanzler? Wie sagten Sie unlängst sinngemäß? – Was interessiert mich die Verfassungskonformität der unter meiner Führung erlassenen Restriktionen? Bis die Rechtswidrigkeit festgestellt wird, sind sie eh nicht mehr in Kraft! – Das ist eine Einstellung, Herr Bundeskanzler, die sehr tief blicken lässt. Die Menschen in Österreich wissen selbst genau, wie sie Derartiges beurteilen. Eines ist aber klar: Die Regierung wurde gewählt, um verständlich, nachvollziehbar, aber vor allem auch gesetzes- und verfassungskonform zu handeln.

Die Verkündung von Maßnahmen in Pressekonferenzen, deren Grundlagen überhaupt noch nicht ausgearbeitet sind, die in laufenden Parlamentssitzungen mittels Initiativ­antrag eingebracht werden und dann von der Regierungsmehrheit schnell beschlossen werden, hebelt unsere Demokratie aus. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Aber es sind ja immer die anderen schuld – seien es im Sommer die Reiseheimkehrer, seien es die jüngeren Menschen, die sich nicht opportun verhalten, seien es die Kritiker, die sich trauen, Unverständliches aufzuzeigen, oder sei es einfach die gesamte Bevöl­kerung, die, um es mit dem Vizekanzler zu sagen, ganz einfach das Logische nicht nachvollziehen kann.

Ja, man kann immer auf andere hinweisen und ihnen die Schuld zuschieben. Ich frage mich wirklich ernsthaft: Was haben Sie den gesamten Sommer über gemacht? Hätten Sie die Millionen in Experten und Expertisen investiert, anstatt die Regierung besser zu verkaufen oder unzählige Pressekonferenzen zu veranstalten und nur auf PR zu setzen, würden wir heute ganz anders dastehen.

Dass nun ein Quasitestzwang kommen soll, mit dem sich die Menschen freitesten können, ist wieder einmal ein besonderes Negativhighlight von Türkis-Grün. Was die rechtliche Situation anbelangt, dass dieser Quasizwang einer Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof standhalten soll: Also ich erkenne da keine Verhältnismäßigkeit, und wir werden da die nächste Bruchlandung erleben.

Die andere Seite ist, sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung und der Regierungs­parteien: Die Bürgerinnen und Bürger vertrauen Ihnen in der Bewältigung der Krise nicht mehr. Das ist tatsächlich fatal, denn die Menschen sind besorgt. Was ich in den letzten Tagen an Mailverkehr, Anrufen und persönlichen Gesprächen erleben musste: Die Angst und die Sorgen sind immens groß geworden. Es gilt, diese Sorgen ernst zu nehmen und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen. Das geht nun einmal nicht mit einer Zwangstestung, mit Zwangstests, die maximal eine Moment­aufnahme sind und von denen Expertinnen und Experten sagen, dass sie nur etwas bringen, wenn sie regelmäßig und in kurzen Abständen durchgeführt werden, wie das unsere Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner übrigens seit Monaten immer wieder vor­schlägt.

Nun frage ich mich, welche Vorbereitungen die Regierung getroffen hat, um sicherzu­stellen, dass zum Beispiel in Wien an einem Wochenende tatsächlich ausreichende Testkapazitäten zur Verfügung stehen. Welche Maßnahmen wurden getroffen? Wie war es denn bei der ersten Massentestung? Ist sichergestellt, dass die EDV funktioniert? Ist das Organisatorische, das Datenschutzrechtliche geklärt? Wie werden Pannen vermie­den? Oder ist es der Regierung völlig egal, dass testwillige Personen, testwillige Men­schen mangels Testkapazitäten gar keine Möglichkeit zum Freitesten haben werden?

Herr Klubobmann Wöginger beschwert sich heute auch noch darüber, dass im Parla­ment darüber diskutiert wird. Ja, aus seiner Sicht wäre es wohl besser, gar nicht zu diskutieren.

Es gilt wirklich, das ernst zu nehmen und das Vertrauen der Bevölkerung zurückzu­gewinnen. Das gelingt nicht mit Zwangstests. Das gelingt in dieser unsicheren Zeit aber auch nicht – das muss ich Ihnen sagen, werte Abgeordnete von der Freiheitlichen Partei – mit einem Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung. Daher werden wir diesen Antrag heute nicht unterstützen.

Nicht Angst- und Schreckensmeldungen braucht es in der Krise, nicht eine Predigt, dass wir alle nicht in der Lage seien, das einzig Logische zu verstehen. Nein, was es braucht, sind Kompetenz, Nachvollziehbarkeit, Zuversicht. Dann werden die Menschen in unse­rem Land auch freiwillig das Richtige tun.

Leider wird aber der Mangel an Kompetenz und Nachvollziehbarkeit mit einem Satz deutlich zum Ausdruck gebracht: Ich bin so arm, weil es, egal was ich mache, immer Leute gibt, die es kritisieren.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen, liebe Zuseherinnen und Zuseher, werte Abge­ordnete, Hohes Haus, frohe Weihnachten, trotz all der Sorgen und Ängste. Ein gutes neues Jahr! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Doppelbauer.)

18.12

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.