12.25

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe alle, die uns heute zuschauen! Herr Minister, bei Ihren einstündigen Ausführungen musste ich an, ich glaube, Goethe – aber ich weiß nicht, an wen er geschrieben hat – denken, der in einem Brief, der sehr lang geworden ist, gesagt hat: Verzeihen Sie mir, ich hatte nicht die nötige Zeit, mich kurz zu fassen.

Ich muss aber auch dazusagen, dass mir der Gedanke gekommen ist, dass die Redezeit von Ihnen vielleicht direkt proportional zur Brenzligkeit der Situation ist, die Sie gerade zu verteidigen haben. Also je länger Sie schwadronieren, desto mehr ist in Ihrem Ressort schiefgelaufen. (Beifall bei den NEOS.)

Impfen schützt die Gesundheit, Impfen wird uns hoffentlich auch davor bewahren, dass die Arbeitslosigkeit noch mehr steigt, es wird unsere Wirtschaft hoffentlich auch davor bewahren, noch mehr sozusagen in den Abgrund zu rutschen, und es rettet natürlich auch Leben. Das hat es in der Vergangenheit schon oft gegeben, es wurden die Errun­genschaften und Leistungen der Wissenschaft angesprochen, auf die unsere Gesell­schaft aufbaut, wenn wir an die Pocken denken, die ausgerottet wurden. Es wurde Polio angesprochen – ich kann mir das gar nicht vorstellen, dass, wenn man sich Dokumen­tationen dazu anschaut, Eltern Angst hatten, ihre Kinder auf Kinderspielplätzen spielen zu lassen (Abg. Kickl: Schweinegrippeimpfung! Auch ein Meilenstein! Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), weil das einfach so gefährlich war. Oder auch HPV, wo zumindest für mich die Impfung leider ein bisschen zu spät gekommen ist, die bekanntlich ja dann auch zu Gebärmutterhalskrebs führen können, da hatte ich auch schon einmal einen Verdachtsfall.

Jetzt gibt es Hoffnung auf Freiheit, Hoffnung auf eine Erlösung quasi von der Geißel dieser Pandemie. Ich habe das schon ein paar Mal gesagt – wir treten ganz entschieden für eine freie Entscheidung in dieser Frage ein, ich glaube auch, dass Gegendruck definitiv kontraproduktiv wäre –: Es muss eine persönliche freie Entscheidung der oder des Einzelnen sein, sich impfen zu lassen, aber für die Gesellschaft als Gesamtes ist es natürlich der Schlüssel zur Freiheit. Damit trägt jeder und jede von uns Verantwortung, Herr Kickl, was das Impfen angeht, denn es geht eben nicht nur um Sie, sondern es geht auch um Ihre Mitmenschen und gerade die Risikogruppen, die sich vielleicht gar nicht impfen lassen können. (Abg. Kickl: Sie haben jetzt vorher Freiheit gesagt, oder?)

Sie haben auch ein bisschen eine Themenverfehlung begangen, denn Sie haben heute darüber schwadroniert, was passiert, wenn es eine Impfpflicht gibt. Wir reden heute darüber, dass wir zu wenig Impfstoffe und zu wenig rasch Impfstoffe im Land haben, dass die, die sich impfen lassen wollen, überhaupt geimpft werden können. (Beifall bei den NEOS. Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Das ist das eigentliche Thema, die Holprigkeit und die Versäumnisse vor allem in einer seriösen Planung, Strategie und Vorbereitung und in einem Management. Es ist wahrscheinlich die zentrale Aufgabe für Staat und Verwaltung, für eine Impfstrategie und eine rasche Durchführung der Impfung zu sorgen. Es ist wahrscheinlich die zentrale und wichtigste Aufgabe für Sie als Gesundheitsminister in dieser Phase: ein echter Impfplan und eine echte Impfstrategie.

Herr Minister, was ich oft schon gesehen habe: Wo Sie Strategie drübergeschrieben haben, das sind keine Strategien. Sie haben vorhin von einer Anzahl von Tests ge­sprochen und diese als Beweis dafür genommen, dass Sie über eine kluge Teststrategie verfügen. – Sie verwechseln da etwas! Eine Anzahl von Tests hat noch nichts mit einer ausgeklügelten Strategie zu tun! (Beifall bei den NEOS.) Und es ist mir nicht erklärbar, wieso man in anderen Ländern ganz genaue Pläne hat, wer wann mit welchem Impfstoff drankommt, und man sich als einzelne Person danach richten kann – die Menschen haben nämlich wirklich viele Fragen.

Wenn ich jetzt höre – Sie sagen, das gehört der Vergangenheit an –, dass Impfstoff liegen bleibt, weil man in einer Probephase ist, weil Feiertage sind, weil man das beob­achtet, was eigentlich die EMA beobachten muss – die Nebenwirkungen –, und vielleicht insgesamt halt auch ein wenig die Bürokratie zuschlägt, dann verstehe ich das nicht.

Wenn ich höre, dass der österreichische Weg gefunden wird, dass in Pflegeheimen angerufen wird, dass man da vielleicht noch Impfdosen hat und jemand, weil er wen kennt, zu einer Impfdosis kommt, dann verstehe ich das nicht.

Wenn ich höre, dass es in Ihrem Ministerium nicht einmal eine abschließende Liste gibt, wie viele Alten- und Pflegeheime wir in Österreich haben, dann verstehe ich das nicht. Und wenn ich höre, dass man im Jänner gesagt hat, jetzt haben wir die Verantwortung zwischen Bund und Ländern geklärt, dann verstehe ich das nicht.

Und wissen Sie, was ich auch nicht verstehe? – Warum Sie sich hinstellen und sich selbst loben, wenn wir sehen, um wie viel besser andere Länder, zum Beispiel Dänemark, sind. (Beifall bei den NEOS.)

Sie haben so oft in dieser Pandemie von entscheidenden Phasen und kritischen Tagen gesprochen. Und jetzt lassen Sie das schleifen, und es kommt auf einmal auf ein paar Wochen nicht an? Das kann ich nicht nachvollziehen! (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Man muss sich die Frage stellen, ob es da an Substanz und Ernsthaftigkeit und an richtigem Leadership, an echten Managementqualitäten fehlt. Ich gebe Ihnen ein Bei­spiel: Sie haben heute sehr viel von der ansteckenderen Mutation B.1.1.7 gesprochen. Das ist ja nicht überraschend, wir haben vor Weihnachten davon erfahren. Das war einer der Gründe, warum wir darauf hingewiesen haben, dass Ihr Freitesten eine Schnapsidee ist. Und jetzt stellen Sie sich her und sagen, das ist jetzt alles ganz anders – eigentlich ohne Transparenz, die wir seit vielen Tagen einfordern, eigentlich ohne Plan. Wir sind da konstruktiv und positiv, schauen wir einmal, noch hat mit uns niemand wirklich ernsthaft geredet.

Was das Eintrittstesten oder was auch immer, das Testen von Berufsgruppen angeht, müssen Sie sich ja auch die Frage gefallen lassen, ob das nicht eine Diskussion und quasi eine Selbstbeschäftigung zur völligen Unzeit ist, wo Sie eigentlich nichts anderes tun müssten, als sich um das Impfen zu kümmern, sehr geehrter Herr Minister.

Leadership heißt auch nicht, als Bundeskanzler hin und wieder medienwirksam ins Steuerrad zu greifen oder aufs Bremspedal zu steigen, wenn es darum geht, eine Schlagzeile – dass man ein Machtwort gesprochen habe – zu produzieren. Echte Leader sprechen keine Machtwörter und stehen auch nicht dauernd in Pressefoyers, die schön geschmückt sind, sondern sind permanent auf der Kommandobrücke und tun eines, nämlich dafür Sorge zu tragen, dass das Management gut funktioniert. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Minister, das war verkorkst, und wir fordern deshalb einen Impfgipfel, weil wir einen Kurswechsel wollen; einen echten Kurswechsel, damit wir tun, was wir können, damit wir rascher impfen, vor allem zuerst die Risikogruppen. Wir nehmen Sie auch beim Wort, dass alle Bewohnerinnen und Bewohner in Alten- und Pflegeheimen im Jänner geimpft werden, alle über 80-Jährigen angeblich im Jänner noch geimpft werden. Schauen wir einmal, wir nehmen Sie beim Wort! Setzen wir uns zusammen! Wir haben Ihnen vor Wochen die Hand gereicht, was eine Impfallianz angeht. Sie haben sie nicht ange­nommen, sondern haben im stillen Kämmerlein dieses Fiasko verursacht, in dem wir jetzt sind.

Ein Letztes noch: Sie sagen im „Falter“ auf die Vorwürfe hin, na ja, das wäre jetzt eine Projektionsfläche für all die Aggressionen, Ängste, für all das, was sich in der Pandemie aufgestaut hat. – Nein, Herr Minister! Was wir jetzt beim Impfen gesehen haben, ist die Manifestation, dass es an echtem Leadership und an Managementfähigkeiten mangelt und in dieser Regierung Inszenierung vor Substanz gestellt wird. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.33

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Kollross. – Bitte.