9.31

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ko­cher – ich sehe Sie gerade nicht, ah ja, jetzt sehe ich Sie (Abg. Michael Hammer: Brillen aufsetzen!) –, ich begrüße Sie auch von unserer Seite im Hohen Haus!

Wie ist die Situation? – Im Jahr 2020 ist die Arbeitslosigkeit auf ein Rekordniveau gestie­gen, das wir in Österreich in dieser Zweiten Republik so noch nie erlebt haben. Die Pro­gnosen – ich glaube, darin sind wir uns alle einig – schauen nicht gut aus, sondern sie schauen sehr schlecht aus. Wenn es hier jetzt auch Lob für die ehemalige Arbeitsminis­terin gegeben hat, so kann ich mich diesem Lob nicht anschließen, geschätzte Damen und Herren, denn zuzusehen und nichts gegen die Arbeitslosigkeit zu machen, das ist in dieser Situation eindeutig zu wenig. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Warum sage ich das? (Abg. Loacker: Ganz viele Leute ...!) – Wir haben versucht, hier Vorschläge zu präsentieren, wir haben versucht, mitzuwirken, wir haben versucht, die Dinge zum Besseren zu wenden, aber alles ist von Ihnen abgelehnt worden – alles abge­lehnt! Aufstockung der AMS-Mittel: abgelehnt; Erhöhung des Arbeitslosengeldes: abge­lehnt; Verpflichtung zur regionalen Wertschöpfung: abgelehnt. Stattdessen, geschätzte Damen und Herren: Showpolitik.

Ich sage Ihnen eines: Wenn man diese Arbeitslosigkeit bekämpfen möchte, wenn man wirklich etwas tun möchte – und, Herr Kocher, das ist Ihre zentrale Aufgabe für die Zu­kunft! –, dann braucht es nicht Showpolitik, sondern endlich Substanz und Maßnahmen für die Menschen, die jeden Tag in der Früh aufstehen, hart für ihr Geld arbeiten müssen, oder die, die arbeitslos geworden sind. Das ist Politik, die in Zukunft zu machen ist, ge­schätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kocher, ich muss Ihnen sagen, das, was Sie bis jetzt gesagt haben, ist enttäu­schend. Sich gegen die Hacklerregelung, gegen ein höheres Arbeitslosengeld, gegen die geförderte Viertagewoche, gegen Erbschaftssteuern, auf der anderen Seite aber für höhere Pensionsantrittsalter, für die Sonntagsöffnung (Zwischenruf bei der ÖVP), für die Senkung der Unternehmenssteuern auszusprechen  Herr Kocher, das geht so nicht. Wenn man diese Haltung vertritt, wird man nichts gegen die Arbeitslosigkeit tun, wird man nichts gegen die Situation der Menschen tun, die jetzt arbeitslos sind.

Können Sie sich vorstellen, wie es einem Menschen geht, der die Hälfte seines Gehalts verliert und diese Einkommensverluste über Monate hat oder der in Kurzarbeit ist und dadurch sehr viel Geld verliert? Das sind die Menschen, um die es jetzt geht, und um die hat sich die ÖVP-Grünen-Regierung bis jetzt nicht gekümmert. Ich fürchte, wenn Sie das umsetzen, was Sie bis jetzt angekündigt haben, dann wird es nicht besser werden, Herr Kocher! (Beifall bei der SPÖ.)

Noch ein Punkt: zur Änderung der Ressortverteilung, um das auch anzumerken. Ich bin da auch nicht sehr zuversichtlich, dass das, was Sie da machen, wirklich Sinn macht. Eine Frauenministerin, die bis jetzt wenig bis gar nichts für Frauen getan hat (Ruf bei der ÖVP: Das ist eine Unterstellung ...!), bekommt jetzt ein noch größeres Ressort und ist auch für Familie und Jugend zuständig. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich sage Ihnen eines: Es kann nicht sein, dass diese wichtigen Themen immer hin- und hergeschoben werden, von einem Ministerium zum anderen geschoben werden, und dann am Ende wieder nichts passiert. Das ist nicht die richtige Politik in dieser Frage. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzter Herr Kocher, geschätzte Damen und Herren, wir sind in einer Situation, in der es ums Ganze geht. Wir sind in einer Situation, die für die Menschen im Land un­glaublich schwierig ist. Mich hat etwas, was Sie in dieser Arbeitslosengelddiskussion gesagt haben, sehr verwundert: Sie haben die Weigerung, das Arbeitslosengeld für die Menschen, die jetzt in dieser Situation sind, zu erhöhen, damit begründet, dass es für die Bundesregierung schwierig sein wird, eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes wieder zurückzunehmen. Ich sage Ihnen: Das ist die falsche Einstellung. Die richtige Einstellung wäre, sich nicht darum zu kümmern, was für die Bundesregierung schwierig ist, sondern sich darum zu kümmern, was für die Menschen in Österreich schwierig ist, denn das hat in der Politik primär zu gelten, geschätzte Damen und Herren! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.36

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordnete Pfurtscheller zu Wort gemeldet. – Bitte.