10.02

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerinnen und Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Lie­ber Martin Kocher, herzlich willkommen hier bei uns im Parlament! Ja, wir haben eine Regierungsumbildung in einer extrem herausfordernden Zeit. Wir haben eine sehr hohe Arbeitslosigkeit und die Perspektive, dass sich die Pandemie nicht so schnell beruhigen und bewältigen lässt. In dieser Situation ist es natürlich extrem notwendig, die arbeits­marktpolitisch richtigen Maßnahmen zu setzen und zu schauen, dass wir so viele Men­schen wie möglich wieder in Beschäftigung bringen und uns aus dieser Krise so gut wie möglich hinausinvestieren, auch in neue Arbeitswelten. Den Wandel in der Arbeitswelt gilt es gut zu begleiten.

Herr Minister Kocher, lieber Martin! Es eint uns der Beginn unseres politischen Engage­ments, ich habe ja auch in der Studierendenpolitik begonnen. Das war bis jetzt deine einzige politische Station. Danach haben sich unsere Karrierewege, unsere Lebensläufe etwas getrennt. Der Eintritt – jetzt wieder – in die Politik ist sicher sehr spannend, aber wenn man aus der Wissenschaft kommt, dann ist das politische Geschehen oft nicht ganz nachvollziehbar.

Wir haben es jetzt gerade gesehen: Dass sich die Freiheitliche Partei mit der Wissen­schaft nicht leichttut, das ist bekannt. Das Thema haben wir ständig hier im Parlament (Abg. Kickl: Sie sind ja eine Koryphäe!), insbesondere in der Auseinandersetzung mit der Coronapandemie, aber auch sonst ist es eher so, dass die Freiheitliche Partei an die Wissenschaft nicht so gut anschließen kann.

Da gibt es ein paar Punkte, die ich für extrem wichtig und gut halte, und ich freue mich auch darauf, dass du die einbringen wirst. Wissenschaft ist ambivalenter als Politik. Wis­senschaft sagt nicht, das ist die absolute Wahrheit und das ist die absolute Nicht­wahrheit. Wissenschaft formuliert in Thesen, formuliert in Möglichkeiten, formuliert in verschiedenen Modellen. Das ist ein Beitrag, der uns in der Politik nicht schaden kann: mehr Ambivalenz, mehr Diskurs, mehr Abwägung und weniger Schwarz-Weiß. Ich freue mich, wenn mit dir diese Ebene der Wissenschaft hier Eingang findet. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich finde es auch etwas befremdlich und kenne mich ehrlich gesagt nimmer ganz aus bei der FPÖ: Eine Partei, die immer ganz eng mit der Industriellenvereinigung verbunden war, entwickelt jetzt plötzlich ein Problem mit angeblichem Neoliberalismus – die FPÖ, jene Partei, die als einzige Goldbarren in irgendwelchen Hütten am Berg lagert (Abg. Kickl – die Hände zusammenschlagend –: Jessas na! Jessas na!), die FPÖ, die bekannt dafür ist, dass ihre Mitglieder am öftesten in die Taschen der Republik gegriffen und Korruption betrieben haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Weiterer Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Ich finde es ja gut, wenn sich mehr Menschen dafür einsetzen, dass jene Menschen, denen es in unserer Republik am schlechtesten geht, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, die von Armut betroffen sind, gut unterstützt werden. (Abg. Kickl: Das ist ja heute noch schlechter als sonst!)

Die Herausforderungen, mit denen wir zu kämpfen haben, sind natürlich die Massenar­beitslosigkeit, die wir jetzt haben, und die potenziell daraus resultierende Armutsgefähr­dung, auch die Gefahr, dass wir eine sehr hohe Sockelarbeitslosigkeit aus dieser Krise mitnehmen. Ich bin sehr froh, dass Sie, Minister Kocher, in Interviews, die bis jetzt noch nicht zitiert wurden, gesagt haben, öffentliche Beschäftigungsprogramme seien bei­spielsweise ein wichtiger Punkt, um aus dieser Problematik herauszukommen.

Aber es gibt auch andere Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben: die Frage der Digitalisierung, die Frage der Green Jobs, die Frage von Just Transition ganz grund­sätzlich: Wie kommen wir in der Arbeitswelt weg von Arbeitsplätzen, an denen sehr umweltschädliche Güter produziert werden, hin zu Jobs, die gut fürs Klima sind?, aber auch Themen wie Frauen am Arbeitsmarkt, die niedrige Erwerbsbeteiligung von Frauen, die wir nach wie vor in Österreich haben, die extrem hohe Zahl an teilzeitbeschäftigten Frauen, oder auch die Frage, wie Menschen mit Behinderungen besser in den Arbeits­markt integriert werden können. All das wird uns beschäftigen, und bei all diesen The­men freue ich mich auf eine gute Zusammenarbeit. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

Es ist klar, dass wir in wirtschaftspolitischen Themenbereichen durchaus unterschiedli­che Ansätze haben, aber ich freue mich, dass mit dir, lieber Martin, jetzt jemand Teil dieser Regierung ist, mit dem man auf wissenschaftlicher Ebene evidenzbasiert sehr gut diskutieren kann, welche Maßnahmen man setzen kann und soll. (Abg. Kickl: Da wird er sich freuen!) Die FPÖ hat es in ihrem Antrag erwähnt, ich war ja auch am IHS, ge­meinsam mit dir, bevor ich wieder in die Politik zurückgekehrt bin, und deinen Umgang generell, deinen Zugang zu wissenschaftlicher Evidenz, deine Diskussionsfähigkeit und auch Diskussionsfreude schätze ich sehr. Dementsprechend, glaube ich, können wir diese Zusammenarbeit gut gestalten. Alles Gute! (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

10.07

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wimmer. – Bitte.