12.09

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss mich grundsätzlich einmal am Beginn sehr bedanken dafür, dass es einen sehr spannenden Verhandlungsprozess, Diskussionsprozess zu diesen heutigen Beschlüs­sen gegeben hat. Ich denke, dass wir mit den heutigen Beschlüssen in zwei wesentli­chen Bereichen unserer Strategie zur Begrenzung der Pandemie deutliche Fortschritte machen, nämlich einerseits beim Ausbau der Testungen und andererseits bei der Um­setzung der österreichischen Impfstrategie in zentralen Bereichen.

Aber lassen Sie mich davor schon noch einen Punkt thematisieren, der mir wichtig ist, denn ich merke, dass das mittlerweile zwar international das dominante Thema der Pan­demie ist, es hier im Haus aber offensichtlich noch nicht ganz angekommen ist (Abg. Wurm: B.1.1.7!), nämlich die Frage der Entwicklung und der Ausbreitung der in Großbri­tannien entstandenen Mutation des Covid-Virus. Diese ist ja mittlerweile dafür bekannt, und wir wissen nach vielen Studien inzwischen einiges darüber, dass sie deutlich anste­ckender ist als der bisherige Virusstamm. Fachexperten insbesondere aus Großbritan­nien gehen nach viermonatiger Erfahrung davon aus, dass es da ein um mehr als 50 Prozent erhöhtes Ansteckungsrisiko gibt, deswegen haben wir in einzelnen Ländern, die eine sehr enge Verbindung mit Großbritannien haben, Irland zum Beispiel, in den letzten Wochen schon eine sehr dramatische Entwicklung erfahren müssen. In Irland etwa gab es, was die Zahlen bei den Neuinfektionen betrifft, die Entwicklung vom Vor­reiter in Europa noch knapp vor Weihnachten, was niedrige Zahlen, eine sehr gute Posi­tion und Situation betrifft, in den letzten Tagen hin zu den Höchstwerten in Europa zum derzeitigen Zeitpunkt, was die Siebentageinzidenzen betrifft. Das war innerhalb von drei Wochen eine rund Verzehnfachung der Zahlen, das heißt, diese Mutation hat tatsächlich ein enormes Potenzial in sich.

Die Tatsache, dass immer mehr europäische Staaten ganz massive Funde dieser Virus­mutation melden, ist ein sehr, sehr alarmierendes Zeichen. In der Slowakei gab es zu­letzt Schätzungen, die von einem Anteil dieser Mutation an den Gesamtinfektionszahlen, der Positivrate, von bis zu 15 Prozent ausgehen. Es gab Meldungen hoher Zahlen zum Beispiel aus der Schweiz und aus vielen anderen europäischen Staaten – mir fallen gerade die Niederlande ein –, also der Trend geht ganz in die Richtung, dass dieses Virus drauf und dran ist, schrittweise den alten Virusstamm zu verdrängen und damit diese Pandemie nochmals dramatisch zu forcieren.

Das ist das Risiko, das wir derzeit sehen, das alle Fachexpertinnen und Fachexperten in Europa sehen, und deswegen wiederhole ich, was ich bereits gestern formuliert habe: Ich befürchte, wir sind am Beginn der schwierigsten Phase der Pandemie. Bis Ostern sind wir in dieser Situation. Zu Ostern, so hoffe ich, und diesbezüglich bin ich sehr zuversichtlich, werden dann schon Teile der Gesellschaft geimpft sein und das wird zu wirken beginnen, und zweitens, das ist bekannt, wird es zu dieser Zeit eine klimatische Veränderung geben. Steigende Temperaturen bedeuten auch, dass wir uns wieder ver­stärkt im Freien aufhalten, und damit sinkt auch aus diesem Aspekt heraus das Risiko.

Wir wollen deswegen bei dieser Kontrolle, bei dieser Eingrenzung der Ausbreitung dieser Mutation auf einige wenige wichtige Punkte setzen, nämlich zunächst auf eine Kontrolle der Ausbreitung. Wir sind dabei, und wir haben da schon große Schritte vorwärts ge­macht, dass wir das entsprechende Kontrollnetzwerk massivst ausbauen. Mittlerweile werden Tausende Proben in Richtung von Vorsequenzierungen genommen, damit wir feststellen können, wo es generell Mutationen gibt, und dann werden genau diese Risi­kofälle, diese Verdachtsfälle in Form von umfassenden Sequenzierungen, die dann acht bis zehn Tage dauern, untersucht, ob tatsächlich diese Virusform jene ist, die wir suchen. Das ist der zentrale Bereich, mit dem wir diesbezüglich schnell arbeiten, schnell arbeiten müssen.

Dennoch zu den beiden heutigen Beschlüssen, die uns da ja einen Schritt weiterbringen. Testungen ausbauen: Ja! Das ist schon in den vergangenen Monaten sehr, sehr gut gelungen. Erinnern Sie sich mit mir an den Frühling! Wir waren da bei 4 000 bis 5 000 Testungen am Tag; derzeit sind wir bei deutlich über 100 000 Testungen am Tag.

Und wenn hier jemand davon spricht – und ich höre da immer wieder zwei Redner aus unterschiedlichen Fraktionen, die das wiederholen –, dass es in Österreich keine Test­strategie gibt, dann würde ich einfach ersuchen, mir von Zeit zu Zeit zuzuhören – das ist die eine Option. Die andere Option ist, auf die Homepage des Gesundheitsministeriums zu gehen, wo diese Teststrategie ganz einfach ablesbar ist, ableitbar ist. Die gibt es, die ist real existierend – selbstverständlich! –, alles andere wäre ja völlig unvorstellbar. Selbstverständlich wird sie weiterentwickelt, weil wir betreffend Testungen technische Fortschritte machen. Unter anderem durch die Einführung der Antigentests ist es gelun­gen, diese Zahl von Testungen massivst zu erhöhen. In den letzten Tagen wurden in Österreich jeden Tag über 100 000 Antigentests eingemeldet – an jedem Tag, in 24 Stunden, über 100 000 entsprechende Tests. Das heißt, wir gehen da wirklich ins Detail, wir gehen in die Tiefe. – Das ist der eine Punkt.

Diesbezüglich ist es mir noch wichtig, dass wir die Aussagekraft dieser Testungen jetzt durch zwei Punkte weiter verstärken, die heute in dieser Beschlussfassung sehr, sehr wichtig sind, nämlich einerseits durch den Punkt, dass wir die Verwendung von Antigen­testungen durch Berufsgruppentestungen und durch Zugangstestungen ausdehnen.

Zu den Zugangstestungen möchte ich ausdrücklich etwas betonen, denn da hat es of­fensichtlich Fehler in der Kommunikation von Einzelnen – nicht von unserer Seite – ge­geben: Es ist nicht so, dass die Gastronomie von diesen Testungen ausgeschlossen wäre! Es gibt im Bereich dieses heutigen Beschlusses ausdrücklich keine Ausnahme für die Gastronomie – ich finde es wichtig, dass man das noch einmal klarstellt –, und es wird vom weiteren Verlauf der Pandemie abhängen, in welchen Bereichen wir derartige Zugangstestungen tatsächlich umsetzen müssen. Die Zugangstestung ist ja ein Schlüs­sel für das Öffnen und von daher aus meiner Sicht etwas sehr Positives, denn jeder von uns will Öffnungsschritte, sofern sie aus virologischer Sicht machbar sind, und die Zu­gangstestung kann ein Instrument dafür sein. Das heißt, das ist aus meiner Sicht eine kluge, gute Überlegung, und von daher ein Danke für eine sehr gute Diskussion zu die­sem Thema auch im Gesundheitsausschuss und für einen seriösen Umgang mit dieser Frage.

Die zweite Innovation, die hier enthalten ist, ist der Umgang mit Selbsttests, die wir mit diesem Beschluss heute erstmals in einen konkreten offiziellen österreichischen Geset­zestext einbringen – das gibt es im Übrigen in Europa nach meinem Wissensstand bis­her noch nirgendwo. Das ist aber eine sehr große Innovation. Warum? – Da bin ich bei dem, was ihr (in Richtung FPÖ) auch oft sagt, nämlich die Selbstbestimmung des Ein­zelnen gehört unterstützt und gefördert. Ich bin ganz auf dieser Seite! Wir können nicht nur mit Verboten und Geboten arbeiten, wir müssen Technologien zur Verfügung stellen, durch die es möglich ist, dass sich der Einzelne in einem gewissen Sinn auch selbst kontrolliert und schaut: Bin ich ansteckend, ist das ein Thema?, und das auch laufend wiederholen kann. Deswegen wollen wir diese Selbsttests auch in großer Menge in Ver­kehr bringen; dazu braucht es die rechtlichen Voraussetzungen.

Und ganz, ganz wichtig ist die heute vorliegende Formulierung, nämlich dass verpflich­tend vorgesehen ist, dass jeder und jede, der und die einen derartigen Selbsttest zu Hause verwendet, dies im Fall eines positiven Ergebnisses dann auch einmelden und dafür sorgen muss, dass es eine Überprüfung dieses Testergebnisses gibt, denn theore­tisch könnte es ja auch falsch-positive Ergebnisse geben, und wir wollen nicht, dass daraus falsche Schlüsse auch mit entsprechenden Konsequenzen – Stichwort: Quaran­täne et cetera – folgen. Das heißt, das ist gut, das ist richtig. Damit haben wir den Selbst­test auch im System drinnen, ein wirklich großer Fortschritt. Ich bedanke mich bei allen, die dazu beigetragen haben, diese Diskussion auch dafür zu nützen.

Ein weiterer wichtiger Bereich ist eben der große Bereich der Impfungen: Ja, das ist ein ganz wichtiger Beschluss, was die Finanzierung des elektronischen Impfpasses betrifft. Wissen Sie, wenn hier von manchen Kollegen Beispiele genannt werden, die besagen, in diesem und jenem Land gibt es schon – ich glaube, Portugal war das Beispiel – seit 2012 den elektronischen Impfpass, so kann ich das nur bestätigen. Ich kann nur sagen: Ich bin jetzt seit einem Jahr in dieser Funktion. Vor meiner Zeit hat es geheißen, das ist ein Projekt – wirklich, ich erzähle da keinen Scherz! – für das Jahr 2030; ein Pilotprojekt für 2030 hat es geheißen. Eine meiner Vorgängerinnen – (erheitert) ich nenne keine Na­men – hat das in diese Stoßrichtung entwickelt. Wir haben im vergangenen Jahr auch dank eurer Hilfe (in Richtung FPÖ) enorme Fortschritte gemacht. Kollege Wurm, nicht kritisch schauen! Ich habe keinen Namen genannt (erheitert), wer das gewesen sein könnte. (Abg. Wurm: Ich habe gerade nachgedacht! Ich habe nachgedacht!) Nachden­ken ist immer gut, ist nicht verboten, ganz im Gegenteil: Das ist gut!

Wir haben dieses Projekt im vergangenen Jahr in der guten Kooperation zwischen Minis­terium und Nationalrat also extrem weiterentwickelt, indem wir gemeinsam die rechtli­chen Voraussetzungen für das Ausrollen des elektronischen Impfpasses geschaffen ha­ben. Und ich kann schon sagen, dass wir durch die Covid-Schutzimpfung in den letzten Wochen natürlich auch einen entsprechenden Druck aufbauen konnten, damit es zu einem schnellen Ausrollen kommt und die entsprechenden Finanzierungsnotwendigkei­ten gerade betreffend den Bereich der niedergelassenen Ärzteschaft angegangen wer­den – ich bedanke mich in diesem Zusammenhang auch bei den Ärztinnen und Ärzten für die gute Kooperation. Wir sind mittlerweile bei rund 40 Prozent angelangt; die Ge­samtausrollung wird uns, davon gehe ich, und das ist verbindlich, aus, bis allerspätes­tens Ende März gelingen. Ich danke diesem Haus, dass dafür auch die Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden.

Zum Schluss kommend aber noch einmal: Das sind wichtige Bausteine für die zukünftige Arbeit zur Begrenzung der Pandemie, aber seien wir ehrlich, wir werden in den nächsten Wochen wegen der Ausbreitung dieser Virusmutation vor ganz neuen Herausforderun­gen bei der Begrenzung der Pandemie stehen, mit allen Konsequenzen, mit allen Fol­gen, die es gibt und die wir aus manchen Nachbarländern derzeit schon kennen. Dan­ke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.20

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Pram­mer. – Bitte.