13.45

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesmi­nisterin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Gleichbehandlungsbericht sind viele Themen angesprochen, die wir in Österreich zu erledigen haben, und es wurden jetzt auch schon sehr viele genannt. Ich möchte aber auch noch eine sehr bedenkliche Ent­wicklung ansprechen, die direkt vor unserer Haustür passiert und die niemanden zu küm­mern scheint.

Nachdem Orbán in den letzten Jahrzehnten in Ungarn seine absolute Macht hochge­fahren hat, ist er jetzt dabei, die Grund- und Menschenrechte zurückzufahren. Was pas­siert in Ungarn? – Mit den Stimmen der Regierungsmehrheit hat das ungarische Parla­ment beispielsweise kürzlich eine Verfassungsnovelle gebilligt, die die Rechte von se­xuellen Minderheiten weiter einschränkt und, im Verfassungsrang, künftig die Adoption eines Kindes durch gleichgeschlechtliche Paare ausschließt. In diesem Verfassungszu­satz wird festgelegt, dass das Geschlecht eines Kindes bei der Geburt festgelegt wird und als unveränderbar gilt. Wir wissen, dass es mehr intergeschlechtliche Geburten als Zwillingsgeburten gibt. Was muss so eine Regelung für diese vielen Betroffenen bedeu­ten?

Es ist ein Gesetz, mit dem man vorhat, in Schulen und Kindergärten Lehrinhalte, die konfessionsneutral sind oder sexuelle Minderheiten in positiver Weise darstellen, zu verbieten. Zitat: „Ungarn schützt das Recht der Kinder auf ihre bei der Geburt erhaltene geschlechtliche Identität und garantiert eine Erziehung entsprechend der Werteordnung, auf der die verfassungsmäßige Identität und christliche Kultur Ungarns beruhen“. – So heißt es dazu. Ich weiß, dass einige das auch in Österreich gerne so hätten, aber in Ungarn ist das schon Realität, und wir müssen dagegen aufstehen.

Es gibt mittlerweile auch schon die ersten LGBT-freien Zonen in Ungarn sowie in Polen. Was macht Österreich, was machen wir? Was macht die türkis-grüne Regierung? – Wir schauen zu. Wir sind leise, wir schweigen – setzen also das, was wir so gut können, so wie auch schon im Fall von Moria und Kara Tepe, auch in diesem Fall fort.

Viktor Orbán surft dabei auf der Coronawelle, und es funktioniert, weil wir alle darauf reinfallen. Als das letzte Mal jemand hier am Rednerpult Orbáns Umgang mit Minder­heiten thematisiert hat, kam von der ÖVP ein Zwischenruf, ob wir denn zurzeit keine wichtigeren Probleme hätten. Was aber sagen wir dann, wenn wir in ein paar Monaten die Coronapandemie besiegt haben werden, aber währenddessen die Autoritären in Eu­ropa erstarkt sind?

Deshalb bringen wir den folgenden – wie ich finde – sehr wichtigen Antrag ein, und ich würde mir wünschen, dass er Zustimmung findet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stopp der Ho­mophobie und LGBTIQ-Feindlichkeit in Ungarn“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, die Bundesministerin für EU und Verfassung sowie der Bundesminister für europäische und internationale Angele­genheiten, werden aufgefordert, sich für Rechtsstaatlichkeit in Ungarn einzusetzen und insbesondere die Diskriminierung von LGBTIQ-Personen und Errichtung von ‚LGBTIQ-freien Zonen‘ öffentlich aufs Schärfste zu verurteilen.“

*****

Verehrte Mitglieder der Bundesregierung, bitte erheben Sie Ihre Stimme gegen den Au­tokraten und für unsere MitbürgerInnen in Ungarn! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.48

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Stopp der Homophobie und LGBTIQ-Feindlichkeit in Ungarn

eingebracht im Zuge der Debatte in der 79. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Gleichbehandlungsbericht für die Privat­wirtschaft 2018 und 2019, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauen und Integration (III-207/589 d.B.) – TOP 2

Im September 2020 erschien ein ungarisches Kinderbuch mit neuen Versionen bekann­ter Märchen, in denen Mitglieder von marginalisierten Gruppen, darunter LGBTIQ-Per­sonen, Roma und Menschen mit Behinderungen, vorkamen. Dieses Buch löste eine Welle homophober Angriffe aus und rechtsextreme Politiker_innen schredderten das Buch öffentlich. Andere wichtige Regierungsvertreter_innen beteiligten sich im Oktober an der Hass-Kampagne und Orban kommentierte das Buch in einer Radiosendung mit den Worten, die LGBTIQ-Gemeinschaft solle 'unsere Kinder in Ruhe lassen'”. Wenige Tage, nachdem die Regierung die Gesetzesvorlagen im Parlament vorgelegt hatte, führ­te die Europäische Kommission eine neue LGBTIQ-Strategie ein, wodurch EU-Mittel, die den Mitgliedsstaaten für die Umsetzung der Strategie zur Verfügung stehen, an die Ein­haltung der EU-Antidiskriminierungsgesetze geknüpft wurden. Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova, erklärte am 12. November, die Verletzung der Rechte von LGBTIQ-Menschen sei ein Merkmal autoritärer Regime und hätte keinen Platz in der EU". Die zunehmend homophobe Politik der populistisch-konservativen Regierun­gen in Ungarn und Polen steht im Widerspruch zu der von der Kommission vorgeschla­genen LGBTIQ-Strategie und den Grundsätzen der Toleranz und Nichtdiskriminierung, die sie schützen soll,” schreibt Human Rights Watch im November 2020 (https://www.hrw.org/de/news/2020/11/20/ungarn-verstaerkte-attacken-auf-lgbt-personen).

Eine Zunahme von Homophobie und LGBTIQ-Feindlichkeit zeigt sich besonders deutlich in Polen und Ungarn, wo es immer mehr sogenannte “LGBTIQ-freie Zonen” gibt.

In Polen wiederum gibt es bereits seit Sommer 2020 fast hundert "LGBTIQ-freie Zonen". Besonders im Südosten des Landes machten Gemeinden gegen Homosexuelle mobil, mittlerweile nimmt die Fläche dieser Zonen fast ein Drittel der Fläche Polens ein (https://www.spiegel.de/politik/ausland/polen-fast-100-lgbt-freie-zonen-der-feind-ist-les­bisch-a-00000000-0002-0001-0000-000171426724).

In Ungarn wird die Lage für LGBTIQ-Personen ebenfalls immer prekärer. Mitte Novem­ber hat die Regierung in Budapest eine Verfassungsänderung und einige Gesetzesän­derungen präsentiert, die auf Kosten sexueller Minderheiten gehen. So heißt es bspw., dass Adoptionen nur für (heterosexuelle) Ehepaare möglich sein sollen oder das Ge­schlecht eines Menschen einzig jenes sein solle, das er zum Zeitpunkt seiner Geburt habe – was sich explizit gegen trans- und intersexuelle Personen richtet.

Es gibt mittlerweile auch in Ungarn die erste „LGBTIQ-freie Zone“: Die Kleinstadt Nagy­káta, etwa 50 Kilometer östlich von Budapest, hat Anfang November eine Resolution verabschiedet, die das „Verbreiten und Fördern von LGBTIQ-Propaganda“ in dem 12.700 Einwohner_innen zählenden Ort verbietet. Eine Entwicklung, die nicht nur be­denklich, sondern offen diskriminierend ist und von den rechtsstaatlichen Prinzipien ab­rückt (https://www.ggg.at/2021/01/12/auch-ungarn-hat-seine-erste-lgbt-freie-zone/).

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, die Bundesministerin für EU und Verfassung sowie der Bundesminister für europäische und internationale Angele­genheiten, werden aufgefordert, sich für Rechtsstaatlichkeit in Ungarn einzusetzen und insbesondere die Diskriminierung von LGBTIQ-Personen und Errichtung von „LGBTIQ-freien Zonen“ öffentlich aufs Schärfste zu verurteilen."

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Mag.a Maria Smodics-Neumann. – Bitte, Frau Abgeordnete.