Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minis­ter für Inneres betreffend „Für die Freiheit – gegen Zwang, Willkür und Rechts­bruch“ (5213/J)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 5213/J. Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Vergangene Woche wurden mehrere, für den 30. und 31. Jänner 2021 in Wien ange­meldete Demonstrationen, beispielsweise die Großdemonstration „Für die Freiheit – Gegen Zwang, Willkür und Rechtsbruch“, untersagt – ebenso wie die Kundgebung einer Oppositionspartei.

Diese Vorgehensweise ist einmalig in der Zweiten Republik und zeigt, dass die Regie­rung und insbesondere Innenminister Karl Nehammer nicht davor zurückschrecken, jede Regierungskritik beinhart zu verbieten.

Weil nicht sein kann, was nicht sein darf

Die Begründungen für die Untersagungen der geplanten Demonstrationen und auch der Kundgebung einer Oppositionspartei waren fadenscheinig. Man hat sich dabei auf eine augenscheinlich verfassungswidrige und möglicherweise sogar amtsmissbräuchlich erlassene Verordnung des Gesundheitsministers gestützt. Es wurde die Verwendung angeblicher „Strohmänner“ und das wahrscheinliche Nicht-Tragen eines Mund- und Nasenschutzes als Gründe angeführt, sowie seitens der Behördenführung behauptet, eine Einhaltung des vorgeschriebenen Mindestabstandes von 2 Metern wäre denk­unmöglich.

Wissenschaftliche Evidenz für die Behauptung, dass Demonstrationen ein verstärktes Infektionsgeschehen begünstigen würden, gibt es nicht. Eine angebliche Gefährdung des öffentlichen Wohls zu behaupten, um die regierungskritischen Demonstrationen zu unterbinden, ist daher völlig absurd. Die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips sowie die Wahl des geringstmöglichen Grundrechtseingriffs bei der Ausübung der staat­lichen Schutzpflicht wurden hier vollkommen außer Acht gelassen.

Der Verfassungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, dass die bloß allgemeine Befürch­tung, es könnte im Fall der Abhaltung einer Versammlung möglicherweise zu einer Gefährdung des öffentlichen Wohles kommen, für sich alleine noch nicht ausreicht, um die Untersagung jedweder Versammlung zu rechtfertigen. Das Vorgehen gegen regie­rungskritische Kundgebungen widerspricht auch vollkommen der bisherigen Prämisse, dass im Sinne der Verhältnismäßigkeit der Fokus polizeilichen Einschreitens bei De­monstrationen auf der Ahndung von gerichtlich strafbaren Handlungen und gerade nicht auf Verwaltungsübertretungen lag.

Der Bundespräsident schweigt still, wenn die ÖVP das will

Nach dieser Untersagung rechtmäßig angemeldeter Versammlungen – Kritiker sprechen von einem politischen Willkürakt – hätten sich viele Österreicherinnen und Österreicher mahnende Worte des Bundespräsidenten erwartet. Die „Schönheit der Verfassung“ hat Alexander Van der Bellen in jüngster Vergangenheit oft gelobt – nun wäre es an der Zeit, die Verfassung auch vor schwerwiegenden Angriffen in Schutz zu nehmen. Was hier geschehen ist, sollte der Bundespräsident nicht einfach so hinnehmen, auch wenn die ÖVP dies von ihm so möchte. Aufrechten Demokraten wurde so die Möglichkeit genom­men, ihre Sorgen und Ängste um die Zukunft unserer Kinder, unseres Arbeitsmarkts, unserer Unternehmen, unseres Bildungssystems und unseres Sozialsystems zum Ausdruck zu bringen. Dies stellt einen schweren Anschlag auf die Demokratie dar. Doch der Bundespräsident verschweigt sich.

Kurz und sein willfähriger Erfüllungsgehilfe Nehammer

Das Verbot von Demonstrationen gegen von der Regierung verordnete Maßnahmen und die damit verbundene Einschränkung der Versammlungsfreiheit sind nur das jüngste Kapitel in einer Aneinanderreihung von Grenzüberschreitungen. Kanzler Kurz nutzt seine Innenminister-Marionette zur parteipolitischen Instrumentalisierung der Exekutive. 

Der Möglichkeit der Einschränkung der Versammlungsfreiheit sind im Versammlungs­gesetz jedoch enge Grenzen gesetzt. Eine Beauftragung des Generaldirektors für öffentliche Sicherheit durch Bundesminister Nehammer, „die angekündigten Versamm­lun­gen genau zu prüfen und alle rechtlichen Möglichkeiten für eine Untersagung auszu­schöpfen“, darf diese nicht willkürlich verschieben. Die generelle Behauptung, dass Demonstrationen gegen die Politik der Bundesregierung in Bezug auf Covid-19 gem. § 6 Abs. 1 Versammlungsgesetz den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährden würden, sind als pau­schale Unterstellung zurückzuweisen.

Mit den Veranstaltern der geplanten Großdemonstration „Für die Freiheit“ ist im Vorfeld nicht gesprochen worden, obwohl diese mehrmals versucht haben, Kontakt aufzu­nehmen. Das ist absolut untypisch für die Vorgangsweise der Wiener Polizei, weshalb Experten davon ausgehen, dass es hier einen direkten „Befehl“ aus dem Innenminis­terium gegeben habe. Auch sollen angeblich im Vorfeld der Großdemonstration am 16. Jänner von Innenminister Nehammer 1000 Anzeigen eingefordert worden sein.

Bedenkliche Entwicklung unter Schwarz-Grün

Müttern und Vätern, Senioren und Jugendlichen, die für Demokratie, Rechtsstaat und Freiheit auf die Straße gehen, das Gegenteil zu unterstellen und diese in sozialen Netzwerken überwachen zu wollen, um Vorwürfe konstruieren zu können, ist eines Rechtsstaats unwürdig. Zynisch ist es, die Einschränkung der Versammlungsfreiheit mit jenen Maßnahmen zu begründen, gegen welche viele tausende Bürger bereits seit Wochen demonstrieren. Es wird immer offensichtlicher, dass es der schwarz-grünen Regierung darum geht, ihre Kritiker mundtot zu machen. Die Untersagung von Ver­sammlungen friedlicher Menschen kann und darf man in einer Demokratie nicht tolerieren. Grundsätze der politischen Freiheit und Toleranz setzen voraus, dass sich politische Ideen und Überzeugungen frei bilden können, die gleiche politische Freiheit auch kritisch denkenden Bürgern gesichert und ihnen die Möglichkeit zur kollektiven Meinungskundgabe garantiert wird.

Unser Sicherheitsapparat wird hingegen derzeit zur Durchsetzung verfassungsrechtlich höchst bedenklicher, unverhältnismäßiger und grundrechtswidriger Maßnahmen und vor allem parteipolitischer Interessen der ÖVP missbraucht. All das geschieht in einer Art und Weise, die Bürger des Staates Österreich noch im Jahr 2019 für unmöglich gehalten hätten. Welche Versammlungen werden noch verboten und unterbunden?

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundes­minister für Inneres folgende

Dringliche Anfrage

1.         Wie viele und welche Versammlungen wurden für 30. Jänner 2021 angemeldet?

2.         Wie viele und welche davon wurden untersagt?

3.         Wie lauteten die jeweiligen Untersagungsgründe?

4.         Wurden Versammlungen nicht untersagt?

5.         Wenn ja, wie viele und welche?

6.         Warum wurden diese Versammlungen nicht untersagt?

7.         Wie viele und welche Versammlungen wurden für 31. Jänner 2021 angemeldet?

8.         Wie viele und welche davon wurden untersagt?

9.         Wie lauteten die jeweiligen Untersagungsgründe?

10.       Wurden Versammlungen nicht untersagt?

11.       Wenn ja, wie viele und welche?

12.       Warum wurden diese Versammlungen nicht untersagt?

13.       Wie viele Personen wurden im Rahmen der stattgefundenen Spaziergänge am 31. Jänner 2021 am Ring angezeigt?

14.       Aus welchen Gründen wurden diese Personen angezeigt?

15.       Kam es auch zu Festnahmen bzw. Verhaftungen?

16.       Wenn ja, wie viele Personen wurden festgenommen bzw. verhaftet?

17.       Aus welchen Gründen wurden diese Personen festgenommen bzw. verhaftet?

18.       Gab es Weisungen, Personen festzunehmen bzw. zu verhaften?

19.       Wenn ja, von wem an wen?

20.       Welche genauen Gründe wurden für die Untersagung der von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) am 29.01.2021 angezeigten Versammlung zum Thema: „Allgemeine Information der FPÖ“ angeführt?

21.       Gab es diesbezüglich Weisungen von Ihnen?

22.       Wenn ja, an wen?

23.       Wenn ja, welchen Inhalts?

24.       Gab es diesbezüglich weitere Weisungen?

25.       Wenn ja, von wem an wen?

26.       Wenn ja, welchen Inhalts?

27.       Welche genauen Gründe wurden für die Untersagung der Versammlung „Für die Freiheit – gegen Zwang, Willkür und Rechtsbruch“ angeführt?

28.       Gab es diesbezüglich Weisungen von Ihnen?

29.       Wenn ja, an wen?

30.       Wenn ja, welchen Inhalts?

31.       Gab es diesbezüglich weitere Weisungen?

32.       Wenn ja, von wem an wen?

33.       Wenn ja, welchen Inhalts?

34.       Gibt es Weisungen bzw. Aufträge, Angehörige der Polizei zu identifizieren, die sich im Rahmen von Kundgebungen oder anderweitig als Kritiker der Corona-Politik der Regierung zu erkennen geben?

35.       Wenn ja, wer erteilte die Weisung bzw. den Auftrag?

36.       Wenn ja, was war der konkrete Inhalt?

37.       Wenn ja, wann wurden diese Weisungen bzw. Aufträge konkret kommuniziert?

38.       Wenn ja, an wen gingen diese Weisungen bzw. Aufträge im Detail?

39.       Wenn nein, können Sie ausschließen, dass in ihrem Ressort versucht wurde, Polizeibeamte zu identifizieren, die an Demos gegen Corona-Maßnahmen teilge­nommen haben, damit sympathisieren oder sich in anderer Weise kritisch zur Regie­rungslinie geäußert haben?

40.       Worauf stützen Sie die Behauptung, es hätte den Versuch eines Sturms auf das Parlamentsgebäude gegeben?

41.       Zu welcher Uhrzeit ist dieser Vorfall konkret passiert?

42.       Wie viele Personen haben versucht über die ca. 4 Meter hohe Baustellen­absperrung auf das Baustellengelände des historischen Parlamentsgebäudes zu kommen?

43.       Hatten diese Personen irgendwelche Gegenstände bei sich um auf das Baustellengelände des historischen Parlamentsgebäudes einzudringen?

44.       Gab es in Zusammenhang mit diesem angeblichen Vorfall Anzeigen oder Festnahmen?

45.       Wenn ja, wie viele?

46.       Ist bei diesem angeblichen Vorfall Sach- oder Personenschaden entstanden?

47.       Liegt der Polizei Foto- oder Videomaterial vor, das Ihre Behauptung unter­mauert?

48.       Ist Ihnen bekannt, dass es im Bereich des Maria-Theresien-Platzes zu einem körperlichen polizeilichen Einschreiten gegen einen Journalisten kam?

49.       Warum wurde dieser Journalist von mehreren Polizisten weggeschleift, obwohl er – auf Videos deutlich sichtbar – seinen Presseausweis vorzeigte?

50.       Handelte es sich bei diesem Vorgehen um eine Festnahme?

51.       Auf welcher Grundlage erfolgte in den Abendstunden die Festnahme des Akti­visten Martin R.?

52.       War diese Festnahme bereits vor der Demonstration geplant bzw. angeordnet?

53.       Wenn ja, von wem?

54.       Entspricht es den Tatsachen, dass Martin R. ohne Vorwarnung von mehreren Beamten zu Boden gebracht und obendrein wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt angezeigt wurde?

55.       Welche weiteren Verstöße werden ihm zur Last gelegt?

56.       Entspricht es den Tatsachen, dass trotz ausdrücklichen Wunsches von Martin R. dessen Anwalt am Abend der Festnahme nicht zu ihm gelassen wurde?

57.       Wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage?

58.       Entspricht es den Tatsachen, dass Martin R. im Zuge bzw. nach der Festnahme sein Mobiltelefon von der Polizei abgenommen und nicht wieder zurückgegeben wurde?

59.       Wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage?

60.       Hat ein Vertreter der Veranstalterin der untersagten Versammlung „Für die Frei­heit“ oder eine zurechenbare Person dazu aufgerufen, verordnete Maßnahmen nicht einzuhalten?

61.       Wenn ja, wer?

62.       Wenn ja, in welcher Form?

63.       Ist es richtig, dass die Veranstalter der untersagten Versammlung „Für die Freiheit“ gegenüber der Behörde zugesagt haben, den Teilnehmern die Einhaltung der Verordnungen, insbesondere der Maskenpflicht, zu empfehlen?

64.       Wenn ja, warum wurde den Veranstaltern dies nicht geglaubt und die Versamm­lung dennoch untersagt?

65.       Reicht schon ganz allgemein die Befürchtung, es werde im Fall der Abhaltung einer Versammlung möglicherweise zu einer Gefährdung des öffentlichen Wohles kom­men, um die Untersagung einer Versammlung zu rechtfertigen?

66.       Wie konnten die eingesetzten Kräfte am Sonntag in Wien zwischen Demons­trationsteilnehmern und Passanten bzw. Spaziergängern unterscheiden?

67.       Wie begründen Sie Ihre pauschalierenden Aussagen in Hinblick auf die Teil­nahme von „Altneonazis“, „Hooligans“, „Rechtsextremisten“ und „Familien“ bei der De­monstration?

68.       Wie viele Personen gehörten jeweils einer dieser Gruppen an?

69.       Wurde von Bundeskanzler Kurz, Bundesminister Anschober oder Vertretern der EU Druck ausgeübt, Demonstrationen zu untersagen?

70.       Wenn ja, von wem genau?

71.       Wenn ja, warum?

72.       Ist die politische Einstellung oder Weltanschauung von Teilnehmern an einer ordnungsgemäß angemeldeten Versammlung ein Untersagungsgrund?

73.       Gibt es in Ihrem Ressort eine externe oder interne verfassungsrechtliche Exper­tise zur angesprochenen Grundrechtsproblematik zur Untersagung von Versamm­lungen?

74.       Wenn ja, in welchen Erlässen ist diese abgebildet?

75.       Haben Sie den Gesundheitsminister darauf hingewiesen bzw. werden Sie ihn darauf hinweisen, dass die gültige COVID-19-Notmaßnahmenverordnung durch das Vorschreiben eines 2-Meter-Abstands größere Versammlungen per se unmöglich macht und damit das Versammlungsrecht massiv einschränkt?

76.       Welche Schritte werden Sie innerhalb der Bundesregierung setzen, um das ver­fassungsrechtlich garantierte Versammlungsrecht gegenüber einem derartigen Ein­griff durch eine niederrangigere Rechtsvorschrift zu verteidigen und die Versamm­lungs­freiheit somit wieder in Kraft zu setzen?

In formeller Hinsicht wird ersucht, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf auch den Herrn Bundesminister für Inneres und seine Kolleginnen auf der Regierungsbank herzlich begrüßen.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Klubobmann Kickl zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 53 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.