15.26.40

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP)|: Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglie­der der Bundesregierung! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Herr Klubobmann Kickl hat uns heute ins Hohe Haus geholt, um über die untersagte Demonstration vom vergangenen Wochenende zu diskutieren, und das unter dem Titel: „Für die Freiheit – gegen Zwang, Willkür und Rechtsbruch“. Er behauptet, dass das eben alles rechtswidrig war, weil dadurch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt wurde.

Die Freiheit, Herr Klubobmann Kickl, des einen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl: Erläutern Sie das einmal ein bisschen weiter! Das ist sehr spannend!)

Die Menschen haben nicht nur ein Recht darauf, zu demonstrieren, die Menschen haben auch ein Recht darauf, nicht absichtlich bei solch einer Demonstration angesteckt zu werden. Auch das ist ein Recht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Demonstrationen der vergangenen Wochen, nämlich die, die stattgefunden haben, haben ganz klar gezeigt, dass sich die Menschen zum Großteil eben nicht an das Mas­kentragen, nicht an die Mindestabstände gehalten haben, und sie haben die Mitmen­schen gefährdet. Wenn Sie schreiben, das wären allgemeine Befürchtungen: Nein, das sind keine allgemeinen Befürchtungen, Herr Kickl! Das sind konkrete Erfahrungen, die wir durch die letzten Demonstrationen haben, und realistische Schlussfolgerungen.

Der Staat hat auch immer das Recht, die Grundrechte aktiv zu schützen. (Abg. Kickl: Das ist schon ein paarmal höchstgerichtlich widerlegt worden!) Das bedeutet die schwierige Abwägung zwischen der Entscheidung der Freiheit des Einzelnen und der Freiheit von vielen. Das versuchen wir seit vielen Monaten, nämlich das höchste Gut für viele, das Grundrecht auf Leben und das Grundrecht auf Gesundheit, zu schützen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Recht erfolglos, wie man gesehen hat bei dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes!)

Sie, Herr Kickl, haben absichtlich einen sehr, sehr einseitigen Blick auf die Freiheit. Wir sind in einer Krise – das leugnen Sie ja nach wie vor –, wir sind in einer Pandemie. (Abg. Hauser: Und all die Kollateralschäden?!) Wir müssen Notmaßnahmen setzen, die uns alle keinen Spaß machen. Mittlerweile haben die Virusmutationen dazu geführt, dass es nachweislich eine sehr viel höhere, schnellere Infektionsgefahr gibt.

Wenn Sie behaupten, es gibt keine wissenschaftliche Evidenz dafür, dass Demons­tratio­nen ein höheres Infektionsgeschehen begünstigen, dann muss ich Sie hier tatsächlich berichtigen: Es ist sehr wohl wissenschaftlich belegt, dass das Zusammentreffen von vielen Menschen auf engem Raum zu sehr hohem Ansteckungsrisiko führt, und nichts anderes sind Demonstrationen mit mehr als 10 000 Leuten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Jetzt haben Sie von der Wiener U-Bahn gesprochen, oder? Von der Wiener U-Bahn haben Sie gesprochen! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Kickl: Das erleben Sie jeden Tag in der Wiener U-Bahn! Indoor! – Abg. Belakowitsch: Was Sie alles wissen!)

Eines Ihrer Themen, Herr Kickl, ist die Willkür. Herr Kickl, Sie sprechen von willkürlichen Entscheidungen der Behörde, aber genau das Gegenteil ist richtig. Das wäre nämlich dann der Fall, wenn ohne sachlichen Grund eine staatliche Entscheidung getroffen wird. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Die Behörde, in diesem Fall die Landespolizeidirektion, hat nach Befragung der ent­sprechenden Dienststellen die verschiedenen Interessen der Antragsteller und die Grundfreiheiten, die es daneben noch gibt, gegeneinander abgewogen. Auf der einen Seite gab es das Interesse der Allgemeinheit an Gesundheit, auf der anderen das Inter­esse der Veranstalter an den Demonstrationen, und die Landespolizeidirektion hat entschieden, dass das Interesse an Gesundheit und nicht das Interesse, Veranstaltun­gen und Demonstrationen abzuhalten, überwiegt.

Bei dieser Sachlage muss die Behörde die Demonstrationen untersagen, es gibt da gar keine andere Möglichkeit. Das sind Entscheidungen, die unser Rechtsstaat auf Basis der Gesetze, die Kollege Scherak vorhin genannt hat, zu treffen hat. Recht muss auch in diesem Fall Recht bleiben! Auch Sie können nicht dagegen arbeiten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Diese Infektionen ... Jänner!)

Eines können Sie aber machen – das ist in unserem Rechtstaat auch möglich –: Sie kön­nen sich selbstverständlich mit einem Rechtsmittel zur Wehr setzen. (Abg. Belakowitsch: Machen wir eh!) Sie können zum Verwaltungsgericht und in der Folge zum Verfas­sungsgericht gehen, das steht Ihnen frei. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) – Na, sicher! Wir werden dann sehen, wie die Abwägung erfolgt. (Abg. Kickl: Aber das ist ja wurscht, wie der Bundeskanzler gesagt hat!)

Nun zum letzten Thema, nämlich zum Thema Rechtsbruch, das Sie im Titel Ihrer Anfrage erwähnen: Zu Rechtsbruch, Herr Kickl, rufen Sie seit Monaten auf! Sie rufen zu Rechtsbruch in der Hinsicht auf, dass wir auf unsere Mitmenschen nicht Rücksicht nehmen sollen. Wir setzen keine Masken auf, wir wollen keine Tests, wir wollen keine Impfungen!, sagen Sie. Das ist Rechtsbruch, zu dem Sie aufrufen und nicht wir! (Abg. Belakowitsch: Es ist ein gutes Recht! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir schützen die Gesundheit der Menschen, der Österreicherinnen und Österreicher, und nutzen nicht die Angstmache, von der Sie zu Beginn Ihrer Rede gesprochen haben, für politische Zwecke. Sie bewerben Demonstrationen (Abg. Belakowitsch: Und Sie verbieten sie willkürlich!), Sie verneinen die Mutationen. Ihnen ist es egal, wer zu diesen Demonstrationen kommt und an ihnen teilnimmt. Sie sind vom ehemaligen Law-and-Order-Innenminister zum Krawall-Kickl geworden. Das ist ganz klar und das ist nachvollziehbar! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wie man bei Ihnen sieht, bestimmt sichtlich der Standort den Standpunkt. Die Polizisten, die bei diesen Demonstrationen in Einsatz sind, leisten Großartiges, setzen gar ihr Leben aufs Spiel. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Bei der Abwicklung der Maßnahmen, die sie zu treffen haben, gehen sie sorgsamst vor; aber das sind natürlich Themen, die Sie mittlerweile ganz anders sehen.

Daher meine Schlussfolgerung, meine Feststellung: Die Entscheidungen wurden auf­grund der Gesetze, unter Abwägung sorgsamst getroffen. Und ich sage für viele, viele Menschen in Österreich (Zwischenrufe bei der FPÖ), für viele: Wir wollen in einem Staat leben, in dem sich die Menschen darauf verlassen können, dass Recht weiter Recht bleibt. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer. – Abg. Kickl: So hat auch die DDR argumentiert!)

15.32

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte.