15.36

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Grundrecht, zu demonstrieren und seine Meinung zu äußern, ist zu Recht ein hohes Gut und muss in einer Demokratie gewahrt werden. Es spricht nichts dagegen, eine Demonstration abzuhalten. Auch wenn es gerade eine Pandemie gibt, muss das irgendwie möglich sein. Es müssen aber die Spielregeln eingehalten werden, weil diese weltweite Pandemie auch über Österreich zieht. Da braucht es eben Regeln, nämlich in diesem Fall: Abstand einhalten und Mund-Nasen-Schutz tragen. Das muss möglich sein.

Ich war selber am Rande der Demonstration als Demonstrant, Pardon, nicht als De­monstrant, sondern als Beobachter dabei (Zwischenrufe bei der FPÖ), um mir ein Bild zu machen. Ich habe beobachtet, dass einerseits Familien, besorgte BürgerInnen, andererseits aber auch bekannte Personen aus der rechtsextremen Szene dabei waren. Als Paradebeispiele kann ich Sellner und Küssel nennen, aber es sind auch Menschen aus der zweiten und dritten Reihe der extremen Rechten dabei gewesen.

Das zeigt, dass sich da ein Netzwerk aus FPÖ, aus den extremen Rechten und aus BürgerInnen bildet, die die Maßnahmen der Regierung kritisieren wollen. Die Maß­nahmen der Regierung zu kritisieren soll auch in der aktuellen Coronazeit – unter Ein­haltung gewisser Regeln – möglich sein. Die Rechten nützen das aber bewusst aus, um so entsprechend zu manipulieren. Diese Demonstrationen werden von den Rechten sozusagen vereinnahmt.

Ich will jetzt aber gar nicht viel über die Personen sprechen, die bei der Demo dabei waren, sondern über die Polizeihandlungen. Da gäbe es mit Ihnen, Herr Minister, meiner Meinung nach viel zu bereden.

Mir sind folgende Punkte aufgefallen: Es war eigentlich nach ein paar Minuten klar, dass die Menschen nicht, wie angekündigt, zum Beten, sondern zum Demonstrieren ge­kommen sind. Es wurde auch relativ rasch die Auflösung angekündigt, und die Ver­sammlung wurde untersagt. Dann passierte aber lange Zeit nichts. Die Tore am Helden­platz wurden zugemacht, enttäuschte Demonstranten standen am Heldenplatz. Ich habe auch gehört, wie hinter diesen Gittern Demonstranten gesagt haben: Na, dann ziehen wir weiter in die Innenstadt und demonstrieren halt dort weiter!

Es sind auch Menschen aus Oberösterreich mit Bussen angekarrt worden. Da frage ich mich, ob all diese Zeichen nicht für die Annahme ausgereicht haben, dass am Sonntag in der Innenstadt nicht nur eine kleine, sondern sehr wohl eine große Kundgebung stattfinden würde. Das hätte man kapieren müssen und dementsprechend handeln müssen. (Beifall bei den Grünen.)

Eines, Herr Minister, geht sich für mich einfach nicht aus: dass PolizistInnen Demons­trantInnen beim Marsch durch die Innenstadt, bei einer zuvor für rechtswidrig erklärten Kundgebung begleiten. (Zwischenrufe der Abgeordneten Amesbauer und Schrangl.) Was denken sich die BürgerInnen, die seit fast einem Jahr brav zu Hause sind, sich an die Regeln halten, wenn unter ihren Fenstern plötzlich grölende Menschenmengen durch die Straßen ziehen, teils ohne Mundschutz, ohne den Mindestabstand einzu­hal­ten, die noch dazu von der Polizei begleitet werden, was ihrer Handlung gewisser­maßen Legalität verleiht?! – Nein, das ist nicht hinnehmbar und es ist nicht erklärbar, Herr Minister! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Jeder, auch hier, der schon einmal bei Demonstrationen dabei war, weiß, wie die Polizei normalerweise vorgeht: Sie treibt die Menschen in Seitengassen zusammen, sie werden eingekesselt und die Versammlung wird aufgelöst. (Zwischenruf des Abg. Rauch.) Das war aber diesmal nicht der Fall. Es wurden auf Facebook einige Videos veröffentlicht, in denen zu sehen ist, wie sich Polizisten und Rädelsführer sozusagen ausgemacht haben, wohin sie gehen, welche Route sie gehen werden. (Abg. Schrangl: ... ob es so ist!) Das vermittelt leider das Bild, dass die Polizei hier mit zweierlei Maß misst. Das Eingreifen erscheint sehr willkürlich: Die einen Demonstranten, die sich den anderen Demonstran­ten entgegenstellen, werden relativ rasch von der Straße weggeschafft, und die anderen werden begleitet.

Vielleicht muss man auch ablenken. Vielleicht ist es doch besser, über Demonstrationen zu reden als über das, was zum Beispiel im österreichischen Geheimdienst beziehungs­weise im BVT vorgeht. Wenn ich mir nämlich die Einvernahmeprotokolle des BVT der letzten Tage anschaue, muss ich feststellen, dass dort ebenso verdammt viel im Argen liegt. Da wird von Geldflüssen geredet, von engsten Kontakten von BVT-MitarbeiterIn­nen zu Wirecard, aber nicht nur zu Marsalek; auch ehemalige KabinettsmitarbeiterInnen sind da dabei. Sie wissen, es wird noch spannend in dieser Causa. Das ist kein Ruh­mesblatt.

Auch bin ich schon gespannt auf den Endbericht der Kommission über den Terror­an­schlag, der nächste Woche veröffentlicht wird. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Dessen politische Tragweite müssen wir auch bedenken. Es hat schon einen Zwischenbericht gegeben, und da gab es schon ein klares Bild: Das Versagen des BVT wird ganz deut­lich.

Vielleicht sollte dieses Agieren bei Demonstrationen aber auch davon ablenken, dass Sie mit unmenschlicher Kälte und Brutalität mitten in der Nacht während einer Pandemie Kinder abschieben, die im Sinne des Kindeswohls eigentlich das Recht haben sollten, hier zu bleiben. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.) Nur um jeden Preis keine Menschlichkeit zeigen, so lautet anscheinend das Motto.

Hätten Sie die Hunde und die Polizisten mit dieser Vehemenz, die Sie zum Abschieben von Kindern brauchen, im Umgang mit Rechtsextremen eingesetzt, hätte uns das heute viel erspart. Schöne Worte allein sind zu wenig, setzen Sie sie bitte auch um! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

15.42

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Krisper. – Bitte.