16.09

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Ja, es sind kritische Zeiten für jeden Einzelnen, für jede Einzelne von uns und für unsere Gesellschaft als Ganzes. Es ist ein kollektiver Lagerkoller, wenn man so will, den wir alle spüren, und er zeigt sich immer deutlicher. In seinen dramatischsten Auswirkungen zeigt er sich auf den Kinderpsychiatrien, er zeigt sich in den sozialen Naheräumen, er zeigt sich in den sozialen Medien, und er zeigt sich zunehmend auch auf der Straße.

Lassen Sie mich eines für meine Fraktion eingangs noch einmal ganz klar feststellen: Das Demonstrationsrecht muss auch und gerade in der Krise gewährleistet sein (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ), ganz gleich, ob wir den Inhalt dieser Demonstrationen richtig oder falsch finden.

Grundrechte und Grundfreiheiten gibt es gerade für die Zeiten der Krise, gerade für jene Momente, in denen eine Regierung oder manche Regierungsparteien vielleicht der Meinung sind, das kommt ihnen gerade nicht so gelegen, und gerade dann, wenn auch manche Politiker im Parlament der Meinung sind, man könnte argumentieren, das passt jetzt gerade nicht so ins Konzept; gerade dann braucht es Grund- und Freiheitsrechte.

Das sage ich Ihnen, obwohl wir NEOS die Anliegen dieser Coronademonstrationen absolut nicht teilen und obwohl wir NEOS verurteilen, dass es zu massiven Verstößen gegen die Coronavorschriften, nämlich Abstand und Maske, die ja wirklich nicht so schwer einzuhalten sind, gekommen ist. Da sind wir klar, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn zu leugnen, dass es das Virus gibt, zu leugnen, dass das Virus gefährlich ist, und zu leugnen, dass Maßnahmen notwendig sind, das ist unverantwortlich und gefährlich. (Beifall bei den NEOS.)

Ebenso ist es unverantwortlich und gefährlich – und da schaue ich jetzt auf die Kolle­ginnen und Kollegen von der FPÖ –, als Verantwortungsträger nicht klar zu sein oder sogar genüsslich politisches Kleingeld zu wechseln. Also klipp und klar: Diese Demons­trationen müssen stattfinden können.

Die Polizei hat dabei eine besonders undankbare Aufgabe, die aber gleichzeitig unend­lich wichtig ist, und ich habe tiefsten Respekt vor jeder Polizistin, vor jedem Polizisten, die auf der Straße stehen, jeden Tag ihren Dienst verrichten, und die in all den Konflikten, die hier mit Worten ausgetragen werden, am Schluss dann jene sind, die es ausbaden. (Beifall bei den NEOS.)

Die Polizisten sollen auf der einen Seite die Einhaltung der Coronamaßnahmen über­wachen, auf der anderen Seite das Recht auf Versammlung und Meinungsäußerung in irgendeiner Art und Weise begleiten. Das ist eine Gratwanderung, und das erfordert einsatztaktisches Können, das erfordert auch viel Fingerspitzengefühl. Da haben wir wirklich großen Respekt vor der Polizei. Deren Aufgabe ist es außerdem, bei all dem neutral zu bleiben, nicht den Eindruck zu erwecken, zu sympathisieren, aber auch nicht den Eindruck zu erwecken, ablehnend zu sein oder persönlich zu werten.

Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Innenminister, ist nicht immer gelungen. Deshalb ist es wichtig, dass die Öffentlichkeit mit Argusaugen drauf schaut, und es ist wichtig, dass wir als Parlament dieses Thema hier und heute besprechen. Es ist auch wichtig, Herr Innenminister, dass Sie im Innenministerium gemeinsam mit den Polizistinnen und Polizisten sachlich und differenzierend analysieren, evaluieren und verbessern.

Es ist in einem Rechtsstaat wichtig, dass die Polizei ihre Aufgabe ungehindert ausführen kann. Dazu gehört auch, Behinderungen zu beseitigen, was bei den politisch und auch rechtlich verwerflichen und vollkommen falschen Abschiebungen von Kindern unlängst der Fall war. Wir müssen, so schwer das manchen von uns fällt, zwischen einerseits der Entscheidung, die auch der Herr Innenminister verantwortet und die aus unserer Sicht falsch war, und der Maßnahme der Durchführung, für die die Beamtinnen und Beamten verantwortlich sind, differenzieren.

Sachlichkeit und Differenzierung: Die Polizei, der Innenminister haben da viel zu ver­bessern, zu guter Letzt auch dahin gehend, wie die Polizei Journalisten bei solchen Veranstaltungen besser schützen kann. Diese werden angepöbelt, sie werden ange­spuckt, Herr Minister, sie werden gerempelt und bedroht, manche wagen sich gar nicht mehr zu Versammlungen oder nehmen sogar private Bodyguards mit. Auch das ist etwas, wo Sie gefragt sind, wo ein Innenminister gefragt ist und wo Verbesserungen hermüssen.

Überhaupt nicht gefragt, und damit komme ich zum Schluss, sind, Herr Innenminister Nehammer, Ihre polternde Rage von vorhin, Ihre wirklich schamlosen und maßlosen rhetorischen Untergriffe, und ebenso wenig das genüssliche politische Kleingeldzählen des jetzt wieder einmal nicht anwesenden Klubobmanns und Ex-Innenministers Herbert Kickl.

Was Sie, Herr Minister Nehammer und Herbert Kickl, da vorher coram publico geliefert haben, das war ein unsouveräner Kampf der Eitelkeiten. Wir, Regierung und Parlament, müssen aber Vorbild für Diskurs und für Vernunft sein. Sie befeuern die Spaltung statt den Zusammenhalt und das Vertrauen, das wir jetzt so dringend brauchen. Wir brauchen Sachlichkeit und Differenzierung. Das BMI ist durch parteipolitisches Fuhrwerken von Blau und Türkis – jetzt nur von Türkis – eine einzige Baustelle und schafft es nicht, für die Sicherheit Österreichs zu sorgen, und deshalb brauchen wir endlich einen partei­freien und kompetenten Innenminister. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

16.14

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Stocker. – Bitte.