16.19

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Abgeordneter Stocker, als surreal haben die Innsbruckerinnen und Innsbrucker es empfunden, was vergangenen Samstag abgegangen ist, aber dazu später.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Ich hätte nicht gedacht, dass ich im Jahr 2021 mittels Antrag im Hohen Haus die schwarz-grüne Regierung dazu auffordern muss, Grundrechte wie die Ver­sammlungs- und Meinungsfreiheit sicherzustellen. Das ist im Jänner 2021 aber die Realität. Dass am vergangenen Wochenende entschieden wurde, zehn von 14 Demons­trationen schon im Vorfeld zu verbieten, finde ich alarmierend, und in aller Deutlichkeit: Das lehne ich ganz klar ab! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Mit diesen Verboten, sehr geehrte Damen und Herren, schießen Sie uns allen ein Eigentor. Warum? – Weil sich radikale Kräfte einerseits bestärkt fühlen und verunsicherte und protestierende Menschen für sich vereinnahmen und diese Menschen in ihrem Vertrauensverlust bestärken. Das halte ich für eine gefährliche Tendenz. Selbst in Coronazeiten muss es möglich sein, seine Meinung frei zu äußern, solange keine anderen Menschen gefährdet werden und die Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden. Dafür aber Sorge zu tragen, Herr Innenminister, genau dafür sind Sie zuständig!

Wenn ich Sie nun so erlebe, werte Abgeordnete der FPÖ, dass Sie sich als Retter der demokratischen Rechte darstellen, ist das – mit Verlaub – natürlich auch nicht be­sonders glaubwürdig: War es doch die FPÖ, die sich in der Regierung die Einschränkung der Versammlungsfreiheit gewünscht und diese gefordert hat. Eine liberale Demokratie, wie wir sie in Österreich kennen und schätzen, muss unterschiedliche Meinungen zu­lassen, und es muss die Möglichkeit geben, diese auch mitzuteilen. Wenn es in Form einer Kundgebung und Demonstration sein soll, dann ist es auch so zu gewährleisten. Warum? – Weil wir die Freiheit und die Vielfalt in Österreich schätzen.

In Innsbruck, sehr geehrte Damen und Herren, hat sich letzten Samstag Folgendes ereignet – das hat mich wirklich erschüttert, aber nicht nur mich –: In Innsbruck haben sich etwa 600 oder 800 Personen zu einer genehmigten Demonstration gegen die Abschiebemethoden des Innenministers versammelt. Bereits im ersten Drittel der Demo­route aber gab es Pfeffersprayfontänen, Gewalt, Verletzte, Verhaftete und Anzeigen. Es waren verstörende Bilder. Da waren Familien mit Kindern dabei, SchülerInnen, Studie­rende, Pensionisten, sprich ein Abbild der Zivilgesellschaft – einer Zivilgesellschaft, die anderer Meinung ist als Sie, Herr Innenminister; und das ist auch zur Kenntnis zu nehmen. Sie berichten alle von unverhältnismäßigem Eingreifen der Polizei. Ich habe diesbezüglich gestern eine Anfrage eingebracht, und ich hoffe, Herr Innenminister, dass Sie die Öffentlichkeit seriös unterrichten und sie nicht mit Floskeln abspeisen, wie Sie es mit uns Abgeordneten teilweise machen. Die Öffentlichkeit hat es verdient, dass Sie konkret auf diese Fragen eingehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Jedenfalls ist zu gewährleisten, dass die Grundrechte nicht ausgehebelt werden, auch nicht in Pandemiezeiten. Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Auf­recht­erhaltung der Versammlungsfreiheit“

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage betreffend „Für die Freiheit - gegen Zwang, Willkür und Rechtsbruch“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, das im Staatsgrundgesetz, in der EMRK“ – Europäischen Menschenrechtskonvention – „und in der GRC“ – Grundrechtecharta – „verankerte Recht auf Versammlungsfreiheit auch in Zeiten einer Pandemie unter Einhaltung notwendiger gesundheitspolitischer Vorgaben zu gewährleisten.“

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Wir alle müssen unsere hart erkämpften Grundrechte gerade in Krisenzeiten wahren und schützen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

16.24

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim, Genossinnen und Genossen

betreffend Aufrechterhaltung der Versammlungsfreiheit

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage betreffend „Für die Frei­heit – gegen Zwang, Willkür und Rechtsbruch“

Die Versammlungsfreiheit ist eines der am härtesten erkämpften Grundrechte die es gibt. Deswegen ist sie im österreichischen Staatsgrundgesetz, in der EMRK und in der Grundrechtecharta der EU verankert. Daran ändert auch die derzeitige Situation nichts. Auch in „normalen Zeiten“ haben sich DemonstrantInnen an Auflagen zu halten.

Menschen haben daher auch in Zeiten einer Pandemie das Recht zu demonstrieren, wobei einer gesundheitlichen Gefährdung andere Menschen entgegen gewirkt werden muss. Vom Veranstalter ist daher einzufordern, dass er dies bereits im Vorfeld nachweist und dass durch einen Ordnungsdienst die Einhaltung von behördlichen Auflagen ge­währleisten werden kann. Die Einhaltung dieser Auflagen ist durch die Polizei zu kon­trollieren und gegebenenfalls zu sanktionieren. Dies kann selbstverständlich bis zur Auflösung der Versammlung führen.

Für die Demonstration am vergangenen Sonntag in Wien wäre dies die rechtlich gebo­tene Vorgehensweise gewesen. Die Untersagung der Demo, die dann dennoch unter chaotischen Bedingungen und ohne Einhaltung von gesundheitsschützenden Auflagen stattfand, war jedenfalls die schlechteste Variante, wie man als Bundesregierung und Innenminister auf die derzeitige Situation reagieren konnte.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, das im Staatsgrundgesetz, in der EMRK und in der GRC verankerte Recht auf Ver­sammlungsfreiheit auch in Zeiten einer Pandemie unter Einhaltung notwendiger gesund­heitspolitischer Vorgaben zu gewährleisten.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer. – Bitte.