9.14

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Grüß Gott, sehr geehrte Damen und Herren! Ge­schätzter Herr Präsident! Lieber Martin Kocher! Sehr geehrte Damen und Herren Abge­ordnete! Wir haben mittlerweile fast ein Jahr lang mit der größten Pandemie seit 100 Jah­ren zu kämpfen. Es ist eine gewaltige Gesundheitskrise, die die ganze Welt erschüttert hat, die kein Land verschont und die uns in Europa und auch in Österreich hart getroffen hat. Es ist ein Krisenjahr, ein schwieriges Jahr, keine einfache Zeit – weder für die Politik noch für die Menschen, weder für Arbeitgeber noch für Arbeitnehmer, weder für Familien noch für Alleinstehende. (Zwischenruf des Abg. Schnedlitz.) Es ist eine massive Her­ausforderung, und es ist eine Herausforderung, die wir nur gemeinsam stemmen kön­nen.

Wie bei vielen großen Krisen ist es so, auch wenn sie einen am Anfang hart treffen, dass das Allerschwierigste ist, durchzuhalten. Dass die letzten Meter die anstrengenden sind, das ist nicht nur bei einem Langstreckenlauf so, sondern das ist auch bei der Krisen­bewältigung so. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Darum bin ich froh, dass wir in den letzten Zügen dieser Krise sind, dass wir wissen, dass wir im Sommer wieder Richtung Nor­malität zurückkehren können. Aber ja, diese letzten Meter sind besonders schwierig, besonders herausfordernd und für uns alle nicht einfach. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Unser oberstes Ziel war es das ganze Jahr über – und das wird sich auch in den nächsten Monaten nicht ändern –, alles zu tun, um Österreich gut durch diese Krise zu führen, alles zu tun (Zwischenrufe der Abgeordneten Amesbauer und Belakowitsch), um die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher zu schützen und gleichzeitig die wirtschaftlichen und sozialen Folgen dieser Krise so gut als möglich abzufedern. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Und ja, die wirtschaftlichen Auswirkungen sind enorm. (Abg. Amesbauer: Alles Ihre Schuld!) In der Finanzkrise im Jahr 2008 gab es einen Einbruch von 4,3 Prozent der Wirtschaftsleistung. Diese Krise jetzt trifft uns in Europa und auch uns in Österreich deutlich härter. (Abg. Amesbauer: Sie sind schuld!) Sie trifft uns heftiger und sie ist wirtschaftlich und sozial deutlich herausfordernder. (Abg. Amesbauer: Kurz ist schuld! Kurz muss weg! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Österreich, sehr geehrte Damen und Herren, hat viele Stärken. Eine dieser Stärken ist, dass wir eine Tourismus- und Kulturnation sind. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir sind einer der schönsten Plätze dieser Welt, und der österreichische Tourismus hat eine unglaubliche Kraft. Wir sind nicht nur im Sommer ein begehrtes Reiseziel, sondern sind eine der ganz starken Wintertourismusnationen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeord­neten Rössler und Schallmeiner. Abg. Belakowitsch: Deswegen haben wir den Tourismus gesperrt! – Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)

Die Gastronomie und die Beherbergungsbetriebe, die sonst einen ganz wesentlichen Beitrag zu unserer Wertschöpfung leisten, sind gerade in Zeiten einer Pandemie natür­lich ganz besonders hart getroffen. Sehr geehrte Damen und Herren, es ist kein Geheim­nis, dass Österreich im Bereich Gastronomie und Beherbergung drei Mal so stark ist wie Deutschland oder die Schweiz. Der Anteil an der Wertschöpfung von Gastronomie und Beherbergung ist in Österreich doppelt so hoch wie im Schnitt der Europäischen Union (Abg. Belakowitsch: Wie schaut das in Kroatien aus, in Italien?!), und was sonst unsere Stärke ist, das ist natürlich ein Bereich, der in einer Pandemie ganz besonders gefordert ist.

Wenn der internationale Reiseverkehr einbricht, wenn die Grenzen hochgefahren wer­den (Abg. Belakowitsch: Warum werden sie denn hochgefahren?!), wenn man auf­grund eines Virus wesentlich schwieriger Geschäftsreisen durchführen kann (Zwischen­ruf des Abg. Amesbauer) und sich die Verhandlungen auf Videokonferenzen verlagern, und wenn der Urlaub für viele unmöglich wird (Abg. Belakowitsch: Wer hat denn Tirol abgesperrt?! Das ist ja Kindesweglegung!), dann trifft das Gastronomie, Tourismus und Freizeitwirtschaft und alle Beschäftigten in diesem Bereich ganz besonders stark. (Zwi­schenruf des Abg. Schnedlitz.)

Das ist mit ein Grund dafür, warum wir in Österreich stärker helfen als alle anderen. (Heiterkeit der Abg. Belakowitsch.) Frau Rendi-Wagner hat vieles aufgezählt, was sie aber nicht erwähnt hat, war, dass Österreich weltweit die Nummer eins ist, wenn es um Unterstützungsleistungen für die Unternehmen und die Beschäftigten geht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Österreich hat in den letzten Jahren gut gewirtschaftet (Abg. Hafenecker: Darum sind wir Vorletzter beim Wirtschaftswachstum! Vorletzter in Europa! – Abg. Belakowitsch: Wir sind das Schlusslicht!), und wir sind ein erfolgreiches Land mit fleißigen Menschen. Daher haben wir jetzt auch die finanziellen Möglichkeiten, in dieser Zeit der Notwen­digkeit stärker zu helfen als andere Staaten in Europa und auf der ganzen Welt. (Abg. Kassegger: Das ist ein völliger Blödsinn! – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Bis jetzt wurden über 32 Milliarden Euro an Hilfsgeldern geleistet, für Klein- und Mittel­betriebe ganz besonders und insbesondere auch für deren Beschäftigte, es gibt 1 Milliarde Euro im Härtefallfonds, insbesondere für Einzelunternehmer, 3 Milliarden Euro Umsatz­ersatz (Abg. Belakowitsch: Das kommt aber nicht an, offenbar!), gerade für die ge­schlossenen Branchen im Bereich der Gastronomie und des Tourismus, sowie Stundun­gen von Steuern und Abgaben.

Ein Danke an Gernot Blümel, dass er es geschafft hat, den Deckel der Europäischen Union für bestehende Hilfen zu erhöhen und da einen wichtigen Verhandlungserfolg zu erzielen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Danke, danke, danke! – Zwischen­ruf der Abg. Doppelbauer. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ein Danke an Werner Kogler und den Koalitionspartner, mit dem wir es gestern gemein­sam auf den Weg gebracht haben, dass die Mietpreiserhöhung in diesem Jahr aus­gesetzt wird. (Abg. Loacker: Für den Mietadel! – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Damit werden gerade die Menschen, die weniger zum Leben haben, ein klein wenig stärker unterstützt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Wollt ihr uns pflanzen, oder was?)

Ein ganz besonderes Danke an Martin Kocher für alle Anstrengungen, die im Bereich der Kurzarbeit unternommen werden. Ich möchte mich hier auch bei den Sozialpartnern bedanken. Wir haben in Österreich mit dem Modell der Kurzarbeit eines der besten Modelle der Welt. Wir haben 6 Milliarden Euro in die Kurzarbeit investiert und so zwischenzeitlich über eine Million Menschen in Beschäftigung gehalten, die sonst viel­leicht ihre Jobs verloren hätten, und das ist auch der Grund, warum wir betreffend Arbeitslosigkeit unter den besten zehn Ländern in Europa und betreffend Jugendarbeits­losigkeit unter den besten fünf sind. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Darüber hinaus, sehr geehrte Damen und Herren, bringen wir gerade die größte Quali­fizierungsoffensive der Zweiten Republik auf den Weg. Wir investieren 700 Millionen Euro in Qualifizierungsmaßnahmen, um Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen, denn neben der Arbeitslosigkeit, neben den Folgen der Krise gibt es im Bereich der Digitalisierung, im Pflegebereich und anderen Branchen nach wie vor offene Stellen. Je intensiver und schneller wir Menschen aus- und weiterbilden können, desto mehr Menschen können wir wieder in Beschäftigung bringen, und das muss stets das oberste Ziel unserer Politik sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist keine einfache Zeit. Es ist eine extrem heraus­fordernde Phase für jeden Einzelnen in unserem Land, für jeden Einzelnen in Europa und weit darüber hinaus. Es ist eine Phase des Verzichts (Abg. Belakowitsch: Auf was verzichten Sie eigentlich? – Abg. Leichtfried: Sie könnten auf die 200 Millionen Werbe­gelder verzichten! Das wäre ein Anfang!), es ist für viele eine Phase der Vereinsamung. Es ist eine Phase, in der wir alle unser Leben nicht so leben können, wie wir es gerne leben würden. (Abg. Amesbauer: Weil Sie sie nicht lassen! Sie sind der größte Pha­risäer von allen!) Es ist eine Phase, in der Unternehmer, die fleißig, mutig, innovativ sind, nicht das machen können, wofür sie normalerweise brennen und mit dem sie einen wesentlichen Beitrag in unserem Land leisten. Es ist eine Phase, in der Menschen ihren Job verloren haben, ohne dass sie sich irgendetwas zuschulden haben kommen lassen.

Sehr geehrte Damen und Herren, es wird ein enormer Kraftakt sein und es wird unseren Zusammenhalt brauchen, um Österreich nach dieser Krise wieder bestmöglich zurück­zukämpfen, ich bin aber überzeugt davon, dass uns das gemeinsam gelingen kann. Ich bin auch überzeugt davon, dass es keine Alternative zu diesem Ziel geben darf, und daher werden wir weiterhin mit voller Kraft an diesem Ziel arbeiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben vor knapp drei Wochen einen sehr mutigen Schritt gemacht und wesentliche Teile der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens früher geöffnet als andere Staaten. Wir haben früher als andere die Schulen wieder für den Präsenzunterricht aufgesperrt, damit die Kinder wieder zur Schule gehen können. (Abg. Kickl: Bei anderen waren sie nie zu! – Abg. Belakowitsch: Was reden Sie? Die Kinder können nicht zur Schule gehen, die sitzen ...! – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Wir haben früher als andere Staaten den Handel wieder geöffnet und so viele Menschen wieder in Beschäftigung bringen können.

Während Deutschland und andere Staaten nach wie vor im Lockdown sind, haben wir versucht, erste Öffnungsschritte zu machen, und wir begleiten diese Öffnungsschritte mit aller Vorsicht, zum einen mit FFP2-Masken und zum anderen mit einer intensiven Teststrategie. Österreich ist unter den Ländern in Europa, in denen am allermeisten getestet wird, und das ist gut so (Abg. Amesbauer: Warum ist das gut? Warum? Was bringt das?), weil die Testungen unsere Chance sind, wieder zur Normalität zurückzu­kehren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Während die körpernahen Dienstleister in anderen Ländern noch geschlossen sind, ist es in Österreich möglich, nach einem Test dorthin zu gehen (Abg. Amesbauer: Und wenn man ohne Test hingehen will?), und das hilft nicht nur den Kunden, sondern vor allem den Betrieben und den Beschäftigten in diesen Branchen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Amesbauer und Belakowitsch.) Ich bin froh, dass sich mittlerweile auch Tourismus und Gastronomie für diese Teststrategie aussprechen und auch bereit sind, auf intensive Testungen zu setzen.

Wir werden in den nächsten Monaten weiterhin behutsam vorgehen müssen, aber eines steht fest: Je mehr wir testen (Abg. Amesbauer: Umso sinnloser ist es!), desto mehr Freiheit wird für uns alle möglich sein. (Abg. Kickl: So ein Schmarrn!) Je stärker wir testen, desto eher werden wir Öffnungsschritte setzen können (Abg. Belakowitsch: Das ist Erpressung!) – sehr behutsam, sehr vorsichtig, aber mit einem klaren Ziel: so viel Freiheit wie möglich, so viel Einschränkung wie notwendig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir zum Abschluss, der österreichischen Bevölkerung für den Zusammenhalt in dieser Zeit zu danken (Abg. Belakowitsch: Die wollen von Ihnen keinen Dank mehr!), vor allem aber auch dafür, dass so viele Men­schen in diesem Land versuchen, ihren Beitrag zu leisten, indem sie Abstand halten, indem sie Masken tragen, indem sie sich regelmäßig testen lassen (Abg. Belakowitsch: Tausende jeden Tag!), damit wir uns Schritt für Schritt wieder zurück ins normale Leben kämpfen können. (Ruf bei der FPÖ: Gesellschaftsspalter! – Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.) – Danke vielmals. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei den Grünen.)

9.26

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf darauf aufmerksam machen, dass die Redezeit der künftigen Redner laut § 97a Abs. 6 der Geschäftsordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ottenschläger. – Bitte.