14.17

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Geschätzte Bundesregierung! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich habe das Privileg, dass ich das sechste, nein, sogar das siebte Mal an der Debatte zum Weltfrauentag hier im Nationalrat teilnehmen darf, und ich muss Ihnen sagen, ich verliere meine Geduld. Ich habe den Eindruck, dass die Debattenbeiträge, die wir in den letzten Jahren gehört haben – vonseiten aller Fraktionen, ich nehme keine aus –, immer die gleichen waren, also diese Zuschreibung von Fehlern, die es in der Vergangenheit gegeben hat, das Aufbauen von verschiedenen Feindbildern und das Suchen nach einfachen Lösungen.

Sie, Herr Kanzler, haben vorhin gesagt, dass Sie selbst auch in Ihrer Familie, wenn Sie da hinschauen und hinhören, wahrnehmen, dass es diese Ungleichheit noch gibt. Ich glaube, dass es nicht nur heute, sondern ganz generell darum gehen muss, dass wir mehr wahrnehmen, was um uns herum passiert. Ich habe darüber nachgedacht – ich habe eine Rede mit Themen vorbereitet, die Sie wahrscheinlich schon von verschie­denen Oppositionsabgeordneten gehört haben, die lasse ich heute einmal weg –, und wenn man darüber nachdenkt, was man allein im eigenen Umfeld dazu wahrnimmt, dann ist das oft schon viel mehr als das, was in den Debatten so vorkommt.

Ich muss vielleicht vorausschicken, dass ich privat wie auch beruflich das Privileg habe, von starken Frauen umgeben zu sein. Ich habe an meine in den Achtzigerjahren alleinerziehende Mutter gedacht – da hat es zuerst eine rot-blaue und dann eine rot-schwarze Regierung gegeben. Sie hat sich durchgekämpft und mit genau den gleichen Problemen herumgeschlagen, von denen wir heute noch immer hören: das Problem mit der Kinderbetreuung, die nicht ausreichend war, das Problem, dass es ökonomische Zwangslagen gab, weil der Unterhalt nicht geflossen ist und das Einkommen einfach geringer war als der Bedarf, den man mit Kindern hatte.

Wir denken jetzt im 21. Jahrhundert darüber nach, eine Familie zu gründen. Ich erlebe bei meiner ebenfalls sehr starken Frau, dass sie sich viel mehr als ich mit den Konsequenzen davon befassen muss: Was bedeutet das für meine Karriere? Was bedeutet das für meinen Beruf? Was bedeutet das für mich persönlich, wenn ich es anders mache als andere? Und auch: Was bedeutet das jetzt überhaupt, wenn man eine Familie gründet?

Ich habe eine Tochter, die ebenfalls sehr stark ist, sie wird jetzt 13. Sie will seit ihrem sechsten Lebensjahr Tierärztin werden. Sie wird das alles wahrscheinlich auch gut schaffen, aber ich weiß heute schon, dass, wenn wir diese Debatte in den nächsten sieben Jahren weiter so führen wie bis jetzt, sie dann vor den gleichen Problemen stehen wird, vor denen meine Frau in der Gegenwart steht und meine Mutter in der Vergan­genheit gestanden ist.

Natürlich können wir sagen, zwischen den Achtziger- und den 2020er-Jahren ist sehr viel passiert, aber wir dürfen keinen Moment darauf stolz sein, denn das ist in Wahrheit viel zu wenig für die vielen Jahrzehnte, die inzwischen verflossen sind.

Aus meiner Sicht muss es – und da ist es egal, von welcher Seite, von welcher Partei oder Ideologie man kommt – an mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Österreich das Versprechen geben, dass man ein System baut, in dem es für Männer und Frauen, wenn sie diesen schönen Akt einer Familiengründung gemeinsam machen – oder vielleicht danach auch nicht mehr gemeinsam –, eine gemeinsame Verantwortung gibt, die vom staatlichen System her in gleichem Maße gefördert wird, und da kommen wir wiederum zu ganz konkreten Themen.

Frau Ministerin! Sie wissen vielleicht, wir haben in der nächsten Sitzung des Familien­ausschusses eine ganz banale Debatte, nämlich um die Frage, ob der Mutter-Kind-Pass nicht besser Eltern-Kind-Pass heißen sollte. So wie dieses Dokument jetzt heißt, nämlich Mutter-Kind-Pass, signalisieren wir einer Frau, wenn sie schwanger wird, als Erstes: Du bist dafür verantwortlich! Was der Mann macht, was der Vater macht, ist sekundär.

Natürlich ist in der Schwangerschaft die Verantwortung der Frau größer als die des Mannes, was die Gesundheit der Babys betrifft, aber ab dem Zeitpunkt, ab dem man zum Kinderarzt geht, sollte das für beide gleich gelten. Wenn man Mutter-Kind-Pass sagt, signalisierst man: Es ist Sache der Mutter. Im Zusammenhang mit Familien­leistungen, mit dem Kinderbetreuungsgeld, aber auch schon bei den Karenzregelungen sollten statt des jetzigen Systems, in dem der Mutter grundsätzlich gesagt wird: Der Mann kann auch etwas beitragen!, ein System schaffen, in dem gesagt wird: Mutter und Vater tragen grundsätzlich in gleichem Maße bei, es sei denn, das ist für einen der beiden aufgrund der Arbeitsrealität nicht möglich!

Ich habe in der Vergangenheit, und zwar unabhängig von der Partei, Familien- und Frauenministerinnen erlebt, die stolz darauf waren, dass wir den Anteil von Vätern in Karenz von 3 Prozent auf 5 Prozent gehoben haben. Das ist natürlich viel zu wenig. Es geht darum, dass wir tatsächlich ein gleichwertiges System von Karenz und Kinder­betreuung, bis die Kinder erwachsen sind, schaffen, ein System, in dem beide sich auf ihre eigenen Leben, auf ihre Selbstermächtigung und auf ihre Verantwortung konzen­trieren können.

Dazu möchte ich noch ein paar Zahlen nennen, damit Sie wissen, was das ganz konkret bedeutet, denn es ist nicht alles nur Symbolpolitik wie beim Mutter-Kind-Pass. Wenn wir heute von Kinderbetreuung sprechen – und Kinderbetreuung ist das zentrale Element, wenn du eine Familie gründest, in der Frage: Wo kann mein Kind wie qualitätsvoll den Tag verbringen? –, sprechen wir noch immer davon, dass 51,2 Prozent der Kinder­gärten – Krippen sowieso, aber jetzt spreche ich von den Kindergärten – mehr als fünf Wochen im Jahr geschlossen haben. Allein das bedeutet, dass eine Familie nie gemein­sam Urlaub machen kann, weil man nämlich als Angestellte fünf Wochen Urlaub hat. Zu erreichen, dass man bei der Schließung auf unter fünf Wochen kommt, muss für alle Parteien das Ziel sein.

Ein anderes Beispiel ist, dass 47,2 Prozent der Kindergärten bereits vor 16 Uhr schließen, viele davon, nämlich 30 Prozent, schließen schon um 15 Uhr. Da lässt sich keine Selbstermächtigung und Selbstverwirklichung für Familien erreichen.

Das sind Punkte, anhand derer Sie ganz konkrete Maßnahmen setzen können, anhand derer Sie auch an allen anderen Tagen als am Weltfrauentag wirklich Frauen- und Familienpolitik machen können, und dafür haben Sie auch unsere Unterstützung als NEOS. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Rosa Ecker.)

14.23

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Feichtinger. – Bitte.