16.14

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Herr Staatssekretär! Das lässt mich einigermaßen ratlos zurück. (Abg. Wurm: Wa­rum? – Abg. Belakowitsch: Das war doch sehr ausführlich!) Wir diskutieren hier den wichtigsten Beschaffungsvorgang, um in Ihrer Diktion zu sprechen, seit 100 Jahren, nämlich die Impfstoffbeschaffung, bezüglich der wir in den letzten Wochen immer wieder gehört haben, dass Sie nicht alles wussten. Der Herr Bundeskanzler hat erklärt, er wuss­te das nicht, und wir als NEOS, als Oppositionspartei, stellen 62 Fragen, wie es denn sein kann, dass wir weniger Impfstoffe haben, als wir hätten haben können.

Herr Bundesminister, am Anfang Ihres Einleitungsstatements haben Sie gesagt, Sie wün­schen sich andere Fragen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), Sie würden lieber darüber diskutieren, ob der Impfstoff wirkt. Also da stelle ich mir einmal die Frage, welche Fragen Sie sich stellen. Ich hoffe doch stark, dass der Impfstoff wirkt, und bin auch über­zeugt davon, dass er das tut (Beifall bei den NEOS – Zwischenruf der Abg. Belako­witsch), und zweitens ist das hier ja keine Belangsendung der Bundesregierung. Das ist das österreichische Parlament und hier haben Oppositionsparteien das Recht, Fra­gen im Zusammenhang mit schwerwiegenden Diskussionen zu stellen, die wir seit Wo­chen führen, nämlich: Wieso haben wir weniger Impfstoff, als wir hätten haben können? (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.)

Wenn Sie diese Belangsendung haben wollen, dann gebe ich Ihnen einen Tipp: Reden Sie mit Frau Klubobfrau Maurer! Auch Regierungsparteien haben die Möglichkeit, Dring­liche Anfragen an Minister zu stellen, dann kriegen Sie vielleicht Fragen wie: Funktioniert der Impfstoff? (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) In welchen Dosen wird er abge­füllt? – Wir kennen das ja aus Fragestunden: Da fragen Angehörige von Regierungspar­teien oft die Minister, wieso sie so großartige Arbeit leisten. Das kann man sich wün­schen; das, was wir hier machen, ist die Arbeit der Opposition. Wir versuchen hier, Licht ins Dunkel zu bringen. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Hauser.)

Sehr spannend war auch Klubobmann Wöginger, der dann dazwischenruft, wir entwer­ten die Dringliche Anfrage. – Also wenn man 62 Fragen stellt, lieber Gust Wöginger, wieso wir weniger Impfstoffe haben, als wir hätten haben können, und die ÖVP hat kein Interesse daran, hier Aufklärung zu leisten, dann verstehe ich das insofern, als es in diesem Sebastian-Kurz-Anbetungsverein ja Majestätsbeleidigung ist, wenn man auch nur Fragen stellt. Aber glaub mir, es ist die Aufgabe dieses Parlaments, Dinge aufzu­klären! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Wöginger: Du hast wenigstens eine Leidenschaft!)

Herr Bundesminister, vielen Dank für Ihre sehr umfassenden Ausführungen. Sie haben versucht, auf viele Fragen Antworten zu geben; manche haben Sie auch entsprechend beantwortet, wonach wir gefragt haben. Aus meiner Sicht ist das Problem, dass die we­sentlichen Fragen, und ich habe auch sehr genau mitgeschrieben, nicht abschließend beantwortet wurden.

Sie haben betreffend die Frage 23 erklärt, Sie wurden von Clemens Martin Auer regel­mäßig über das informiert, was im Steeringboard passiert ist – im Rahmen der Vertrau­lichkeit, wie es halt möglich ist. Also die Antwort auf die Frage, ob Sie wussten, dass man die Möglichkeit hat, mehr Impfstoff zu bestellen, haben wir nicht bekommen, das wissen wir bis heute nicht.

In der Frage 26 haben wir gefragt, ob Clemens Martin Auer den ausdrücklichen Auftrag hatte, immer ein Maximum – immer ein Maximum! – an Impfstoff zu bestellen und zu beschaffen, und Sie haben gesagt, das Ziel war immer, dass die Gesamtbevölkerung durchgeimpft wird. Sie haben gesagt, es ist kein Mengenproblem – das stimmt, wenn man die Mengen insgesamt anschaut –, es ist eine Zeitfrage, nämlich wann die größte Zahl der Bevölkerung durchgeimpft werden kann. Das ist ja die Frage, die wir hier diskutieren, weil wir wissen, wir hätten die Chance gehabt, mehr Impfstoff schneller zu bekommen. (Beifall bei den NEOS.)

Bei der Frage 36 haben Sie uns erklärt, die weichenstellenden Fragen wurden im Minis­terrat besprochen und auch die zentralen Beschlüsse sind im Ministerrat gefallen. Also jetzt frage ich Sie: Ganz ehrlich, was ist denn an der Frage: Habe ich die Möglichkeit, rascher an Impfstoff zu kommen?, nicht weichenstellend? – Also wenn das nicht wei­chenstellend ist, dann weiß ich nicht, was weichenstellend ist, und damit gehe ich davon aus, dass Sie das im Ministerrat besprochen haben. Also insofern stimmt es nicht, wenn der Bundeskanzler sich herstellt und sagt, er wusste davon nichts, er habe das zum ersten Mal irgendwo aus den Medien erfahren. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Der letzte Punkt: Sie haben über den Ministerratsvortrag am 20. Jänner gesprochen und haben gesagt, Sie haben den Ministerrat informiert, dass die Weitergabe von nicht ver­wendetem Impfstoff möglich ist. – Daraus schließe ich, dass sowohl Sie als auch Se­bastian Kurz wussten, dass, wenn gewisse Impfstoffmengen nicht abgeholt werden, man sie weitergeben kann, dass andere Länder sie bekommen können. Insofern stimmt of­fensichtlich das, was wir diesbezüglich die letzten Wochen von Ihnen gehört haben, schlichtweg nicht. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Ich sage Ihnen etwas – jetzt brauchen wir gar nicht darüber zu diskutieren, ob es wirklich stimmt oder nicht; aber ich nehme an, Sie haben es gewusst –: Wenn ein Gesundheits­minister über den wichtigsten Beschaffungsvorgang immer wieder erzählt, er wusste nicht Bescheid, dann macht er doch etwas grundlegend falsch, genauso wie ein Bundes­kanzler, der sich hinstellt und sagt: Impfen wird jetzt Chefsache!, und der nicht weiß, wie man die Impfstoffe abrufen kann, da etwas grundlegend falsch macht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Anstatt dass man dann sagt: Okay, da ist ein Fehler passiert!, kommt der Bundes­kanzler – das waren zugegebenermaßen nicht Sie – und erklärt uns: Na ja, schuld ist jemand anderer! Irgendjemand ist immer schuld bei Bundeskanzler Kurz, das sind Be­amte, das ist die Europäische Union, das sind die Bundesländer, manchmal ist auch die Opposition schuld, es ist immer irgendjemand anderer schuld, nur halt nicht die, die da­bei waren. (Ruf bei der ÖVP: Der Virus!)

Was wir in den letzten Wochen gehört haben – jetzt haben Sie es ein bisschen anders dargestellt, weil Sie im Ministerrat ja offensichtlich doch darüber diskutiert haben –, wirkt so, als ob sowohl Sie als auch der Bundeskanzler nichts wissen. Sie haben die Verträge nicht gelesen, Sie haben offensichtlich zwar Austausch mit den hochrangigen Beamten gehabt, aber nicht über die Frage: Kann ich schneller Impfstoff bekommen oder nicht?, Sie haben es angeblich doch auch im Ministerrat diskutiert – wir wissen nicht genau, was Sie diskutiert haben –, und man merkt halt: Impfen ist immer dann Chefsache, wenn der Herr Bundeskanzler sich hinstellen kann, ein schönes Foto machen kann, wenn er eine PR-Show abziehen kann. Wenn es aber darum geht: Wie kriege ich so rasch wie möglich mehr Impfstoffe, als ich hätte haben können?, ist es offensichtlich nicht Chefsache.

Die Ministerratsfragen haben wir schon durchbesprochen. Sie haben ja ungefähr das gesagt, was wir vermutet haben, nämlich dass Sie wussten, dass es die Möglichkeit der Überbuchung gibt, dass Sie wussten, dass es Optionen gibt, dass man mehr abrufen kann – oder eben nicht; das ist der Weg, den Österreich gewählt hat, andere Länder haben das anders gemacht. Sebastian Kurz hat uns übrigens im EU-Hauptausschuss erklärt: Na ja, wenn Sie das wirklich gewusst hätten, dann hätten Sie ja noch mehr abge­rufen. – Deutschland, Frankreich, Dänemark, andere Länder haben mehr abgerufen, das heißt, sie haben das offensichtlich gewusst, genauso wie Österreich das wusste. Der Unterschied ist nur, wir haben es nicht gemacht, weil sich offensichtlich niemand darum gekümmert hat, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt mehr Impfstoff zu bekom­men, als wir hätten haben können. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dann höre ich: Na ja, das ist der Basar, dieser Hinterzimmerbasar. Sebastian Kurz sagt dann, er habe die Begrifflichkeit ja nicht erfunden. Es ist aber auch vollkommen egal, wer die Begrifflichkeit erfunden hat, Fakt ist: Sie wussten, dass Sie die Möglichkeit ha­ben, und Sie haben es nicht gemacht.

Herr Bundesminister, ich glaube, manchmal ist es einfach gescheiter, dass man einen Fehler eingesteht und sagt: Okay, vielleicht haben wir das übersehen!, anstatt dass man dann wieder versucht, einen Schuldigen zu finden. Zugegebenermaßen waren es nicht Sie, es war der Bundeskanzler, der gesagt hat: Die Europäische Union ist schuld, mir hat man das wieder nicht gesagt, ich habe zwar alles lesen können, aber ich habe es nicht gemacht, mein Kabinett auch nicht, die in der EU sind schuld, deswegen haben wir das verpennt! – Da kann man sagen: Okay, wir haben einen Fehler gemacht.

Was aber nichts bringt, ist, wenn man zuerst merkt, man ist selbst schuld, und sich denkt, na ja, das will ich aber nicht zugeben, es ist irgendjemand anderer schuld, und man dann hingeht und dem, der angeblich schuld sein soll, der aber nichts gemacht hat, auch noch den schwarzen Peter in die Hand drückt und sagt: Du bist schuld!, und dann erwartet man sich von demjenigen, der nichts gemacht hat, dass er zu demjenigen, der schuld ist, hingeht und sagt: Ja, vielen lieben Dank, dass du mir den schwarzen Peter zu­schiebst, ich habe zwar nichts gemacht, aber ich habe auch überhaupt kein Problem, ich halte die andere Wange vielleicht auch noch hin!, und dann erwartet man von dem, dass er einem hilft und einem mehr Impfstoff geben kann. – Das ist so absurd, das ist so dreist, das ist so lächerlich, hat vor allem nichts mit Leadership zu tun und bringt uns keinen Millimeter weiter. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Bundesminister, ich würde mir einfach wünschen, dass wir gemeinsam, Sie, der Herr Bundeskanzler, das Impfen noch mehr zur Chefsache machen, dass Sie schauen, wie wir es schaffen, möglichst rasch noch mehr Impfstoff zu bekommen. Da hilft es wie gesagt nichts, wenn man denen, die mithelfen sollen, dass wir mehr Impfstoff bekom­men, ausrichtet, sie seien de facto schuld daran, dass wir das nicht auf die Reihe gekriegt haben.

Ich glaube, wenn man in der schwersten Pandemie seit 100 Jahren – das sind ja die Worte, die Sie auch immer wählen und die wohl richtig sind – über den wichtigsten Be­schaffungsvorgang, den wichtigsten Vorgang, der uns mehr Freiheiten geben kann, nicht Bescheid weiß, dann hat man entweder seine Prioritäten falsch gesetzt oder den fal­schen Job. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Deimek. – Abg. Matznetter: Beides ist ja auch möglich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

16.24

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Smolle. – Bitte.