10.22

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja passend, dass wir heute in der Aktuellen Stunde über den Klimaschutz reden, nicht nur, weil die Bekämpfung des Klimawandels eine wichtige Rolle bei der wirtschaftlichen Er­holung nach der Pandemie spielen wird, sondern auch, weil ganz aktuell letzte Woche wieder ein Rechnungshofbericht schonungslos das Versagen unserer Regierungen bei der Klimapolitik dargelegt hat. Von einem deutlichen Verfehlen ist die Rede, von einem deutlichen Verfehlen der Ziele und von drohenden Milliardenzahlungen.

Besonders peinlich und beschämend ist, dass das selbsterklärte Umweltmusterland eines der Schlusslichter in der Europäischen Union ist. Das ist natürlich primär eine Bankrotterklärung für die Klima- und Umweltpolitik der ÖVP, welche dieses Ressort, Frau Ministerin Gewessler, 35 Jahre lang durchgehend verantwortet hat, weshalb es ei­gentlich fast schon als frech zu bezeichnen ist, wenn sich Kolleginnen und Kollegen der ÖVP hierherstellen und Lobeshymnen auf die eigene Arbeit singen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Strasser: Das sagen aber die Fakten!)

Diese Ambitionslosigkeit der ÖVP scheint aber auch den grünen Koalitionspartner ange­steckt zu haben. Das zeigt sich bei den letzte Woche bekannt gewordenen Projekten, die Österreich beim EU-Recoveryfund eingereicht hat, sowie auch beim Comebackplan. In beiden Fällen werden bereits beschlossene Projekte und Investitionen bestenfalls ausgebaut und einfach nur europäische Mittel statt nationaler Mittel genommen. Das kann nicht die Antwort, die ganze Antwort auf die Klimakrise sein, vor allem dann nicht, wenn uns der Rechnungshof den Handlungsbedarf so drastisch darlegt.

Von der ÖVP erwarten wir nichts, die hat uns schon 35 Jahre lang enttäuscht, aber, liebe Frau Klimaschutzministerin, liebe Abgeordnete der Grünen, da muss einfach mehr ge­hen! Und kommen Sie mir bitte nicht damit, dass Sie mehr machen als die Vorgänger­regierungen! Ja, das ist richtig, aber mehr zu machen als die Regierung Kurz/Strache, das ist noch lange nicht nobelpreisverdächtig.

Liebe Grüne, da muss mehr gehen, weil das Ihr Deal war, den Sie der Bevölkerung angeboten haben: Wir verabschieden uns von allen Überzeugungen, wir geben der ÖVP für eine revolutionäre Klimaschutzpolitik alles in eigentlich allen Politikbereichen. – Da frage ich mich: Wo ist die Revolution? Wo ist der große Wurf? (Beifall bei den NEOS.)

Wir haben alle noch den Schenkelklopfersager von Klubobmann Wöginger im Ohr, als er sich darüber beschwert hat, dass die jungen Oberösterreicher alle nach „Wean“ gehen und dort zu Grünen werden. Ich habe mittlerweile das Gefühl, das Gegenteil ist der Fall, wenn ich mir Klubobfrau Maurer anhöre. Junge Grüne gehen mit ambitionierten Zielen in diese Bundesregierung und werden zu Türkisen mit einem ganz schlechten Stil. (Bei­fall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.) Strukturelle Korruption wird vertei­digt, und im pauschalen Wienbashing sind Sie auch schon Weltmeisterin, gratuliere!

Reden wir aber über die heißen Eisen, über die wir heute hier reden sollten! Reden wir über ein Steuersystem, welches Umweltschäden weitgehend ignoriert und die zweit­höchsten Lohnsteuern in der industrialisierten Welt hat. – Da hat sich überhaupt nichts getan. CO2-Steuer? – Gar nichts.

Reden wir über das Dieselprivileg, welches allein für 5 Millionen Tonnen CO2 verantwort­lich ist, reden wir über steuerliche Begünstigungen von Dienstautos, reden wir über die Pendlerpauschale, welche weder sozial gerecht noch ökologisch rechtfertigbar ist! – Wo ist da die grüne Handschrift?

Übrigens, Frau Bundesministerin, ich wiederhole mein Wettangebot, das ich schon im Ausschuss unterbreitet habe. Ich wette – und ich hoffe, diese Wette zu verlieren –, dass mit 1.1.2022 keine umfassende Ökologisierung des Steuersystems kommen wird und keine umfassende Abschaffung der umweltschädlichen Subventionen da sein wird, und zwar einfach deshalb, weil das mit dieser ÖVP nicht gehen wird. Ich lade Sie herzlich ein, diese Wette anzunehmen, ich bezweifle aber, dass Sie das tun werden.

Wissen Sie, was mich dann so rasend macht? – Sie bekommen nicht nur wenig, viel zu wenig auf die Reihe, Sie lehnen auch alle konstruktiven Vorschläge der Opposition ab, ganz im Stil der alten ÖVP: null Respekt vor dem Parlament!

Ich zähle auf, was wir alles an konstruktiven Ideen eingebracht haben und von den Grü­nen alles vertagt wurde: Schaffung eines Klimatransparenzgesetzes inklusive Klimabud­get – vertagt; Schaffung eines Masterplans für CO2-Speicherung – vertagt; Ökologisie­rung des Steuersystems – vertagt; umgehende Abschaffung oder ökologische Umge­staltung umweltschädlicher Subventionen – vertagt; Implementierung einer einheitlichen Definition der Sanierungsrate – vertagt; Ausrufung eines Biodiversitätsnotstands – ver­tagt; Schaffung eines Bundesnaturschutzgesetzes – vertagt; Maßnahmen zur Verbesse­rung der Umweltverträglichkeitsprüfung – vertagt.

Man könnte diese Liste endlos fortsetzen, nämlich wirklich endlos fortsetzen. Man muss den Menschen auch erklären, was Vertagen im Parlament bedeutet: Vertagen bedeutet Schubladisieren und dass man diese Anträge nie wieder angreift.

Frau Bundesministerin, ich habe hier schon öfter beschrieben – und ich glaube, das eint uns ja –, was die Folgen des Klimawandels sein werden, wenn wir jetzt nicht handeln. Ich glaube, es braucht eine gemeinsame Kraftanstrengung, und ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich möchte meine Wette verlieren, Frau Ministerin. Die Tatsache aber, dass Sie nicht einmal bereit sind, die Wette einzugehen, legt nahe, dass Sie die Hoffnungen, sich gegen die ÖVP durchzusetzen, schon aufgegeben haben. Belehren Sie uns bitte eines Besseren! (Beifall bei den NEOS.)

10.27

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.