15.32

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Sehr geehrte Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben recht, Herr Bundeskanzler, mit Pressekonferenzen kann man MAN nicht retten. Mit Pres­sekonferenzen kann man auch keine Coronakrise managen. Mit Pressekonferenzen kann man auch keine Arbeitsplätze sichern. Genau deswegen sind wir heute hier: um Sie daran zu erinnern, denn es ist noch nichts Handfestes und Konkretes seitens der Bundesregierung passiert, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen und um MAN zu retten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Melchior.)

Ich habe Ihnen sehr gut zugehört. Sie haben an uns appelliert: die Politik soll, wir sollen, man hat, man wird irgendwie aber verstehen Sie, glaube ich, nicht, dass Sie in der Bundesregierung sind, dass Sie der Regierungschef sind und dass Sie die Hebel des Handelns in der Hand haben, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ.)

In diesen 5 Minuten Ihrer Rede habe ich auch jegliche konkreten Pläne Ihrerseits ver­misst, die dazu beitragen sollen, MAN und den über 2 000 Mitarbeitern und Beschäftig­ten dort Sicherheit zu geben, irgendwelche Pläne, die dazu beitragen, das für die Zukunft auch abzusichern. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Wenn Sie sagen, Sie werden das in den nächsten Wochen und Monaten tun, dann darf ich Sie daran erinnern, dass die MAN-Problematik genau seit dem 12. März 2020 öffent­lich bekannt ist, das ist mehr als ein Jahr. Was ist seitens einer aktiven Industriepolitik, einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, einer aktiven Klimapolitik passiert (weiterer Zwischen­ruf des Abg. Wöginger), um diesen wichtigen Standort mit mehr als 2 300 Beschäftigten zu halten, um eine Schließung und eine Abwanderung ins billige Polen zu verhindern, um zu verhindern, dass in dieser Region mehr als 8 000 Arbeitsplätze verloren gehen, um zu verhindern, dass eine Wertschöpfung dieser Region in der Höhe von über einer Milliarde Euro verloren geht, eine Zukunftschance in Richtung Ökologisierung und E-Mo­bilität verloren geht, Know-how verloren geht? Was wurde in diesen zwölf Monaten ge­tan?

Für die Region Steyr, für den Standort, für alle Beschäftigten in dieser Region ist die Schließung zweifelsohne eine Katastrophe. Muss das so sein? – Nein, das darf auch nicht so sein, und genau deswegen wollen wir auch heute mit dieser Dringlichen Anfrage (Abg. Steinacker: Dringlicher Antrag!) an Sie, Herr Bundeskanzler, unseren Beitrag da­zu leisten, um gemeinsam eine Lösung für diesen Standort zu finden. (Zwischenruf des Abg. Haubner.)

Ich war, im Gegensatz zu Ihnen, persönlich in Steyr. Ich war beim Warnstreik mit 4 000 Menschen am Hauptplatz, und ich habe mit vielen Betroffenen dort gesprochen. Ich rate Ihnen, das auch zu tun, dann wissen Sie, wie die Lage vor Ort wirklich ausschaut. Das sind Menschen, die Jahrzehnte mit Herzblut in diesem Betrieb gearbeitet haben und noch immer arbeiten wollen, hoch qualifizierte Facharbeiterinnen und Facharbeiter, jun­ge Burschen, junge Frauen, die stolz sind, dort gerade seit ein paar Monaten an ihrem Lehrplatz aufgenommen zu sein, die stolz sind, in diesem wichtigen Leitbetrieb zu ar­beiten, wo schon ihre Großväter gearbeitet haben. Es ist für all diese Beschäftigten mehr als nur ein Arbeitgeber.

Eine Journalistin des „Kurier“ hat das mit den Worten eines MAN-Mitarbeiters sehr emo­tional zusammengefasst: Der MAN-Mitarbeiter hat gesagt, MAN ist ein alter Freund, „der schon immer da war, dem man etwas versprochen hat“ und der umgekehrt auch immer sein Versprechen gehalten hat, „auf den man sich verlassen konnte und [...] auf den man stolz war“.

Es ist dieser Stolz, der so emotional beschrieben wird; das ist nicht Nostalgie eines Mit­arbeiters dieses Betriebs, sondern all das hat eine handfeste Basis. MAN hat in den letzten Jahren Gewinne gemacht. Es waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die­se Gewinne erarbeitet haben, und diese Gewinne wurden nach München abgeführt. 2019 wurde den Aktionärinnen und Aktionären eine halbe Milliarde Euro Dividenden ausbezahlt  kein Zeichen, dass es dem Betrieb wirklich schlecht geht, würde ich sagen.

Es war die Republik Österreich, es waren die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die richtigerweise zuletzt auch Coronahilfsgelder in MAN investiert haben, die Millionen von Fördergeldern in die neue ökologische E-Technologie für Lkws gesteckt und investiert haben. Das war richtig und gut so; aber es ist sehr einseitig, jetzt zu sagen, dass Stand­ortgarantien, die MAN gegenüber den Mitarbeitern abgeschlossen hat, plötzlich nicht mehr gelten, nachdem Hilfsgelder und Fördermittel in Millionenhöhe in diese Betriebe gegangen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Trotz all dem, trotz Millionen an Fördergeldern, trotz eines Standortsicherungsvertrags bis 2030, hat MAN angekündigt, den Standort zu schließen und die Produktion in das billige Polen zu verlegen. MAN hat sein Versprechen gebrochen.

Was ist das für ein System?, fragen sich ganz viele in Steyr und darüber hinaus. Was ist das für ein System, in dem das alles nicht mehr zählt, in dem Betriebe, wichtige Stand­orte, geschlossen werden, obwohl sie Gewinne machen, in dem ein Betrieb öffentliche Förderungen aus Steuermitteln in Millionenhöhe bekommt, seine Verträge, Standortga­rantien aber nicht einhält, in dem Arbeitnehmer, die Menschen, die dort arbeiten, auf der Strecke bleiben und nicht zählen? (Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Letzte Woche hat MAN von München aus angekündigt, im ersten Schritt fast 300 Leihar­beiter in Steyr zu entlassen – mehr als 300. Die MAN-Belegschaft ist kämpferisch, wir haben es von Alois Stöger gehört. Die MAN-Belegschaft ist stark, aber sie braucht Unter­stützung – Unterstützung der Bundesregierung, die sich mit Selbstverständlichkeit an die Seite dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen sollte.

Am wichtigsten ist es jetzt, an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten. Sie haben in diese Richtung auch schon an uns appelliert. Ich appelliere an Sie: Es ist Ihre Aufgabe, mit Sozialpartnern, Betriebsräten, natürlich dem Arbeitgeber VW und der Landesregie­rung diese gemeinsame, nachhaltige, zukunftsorientiere Lösung und die Rettung der Ar­beitsplätze zu schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben es in der Hand, Herr Bundeskanzler. Die Bundesregierung hat viele Hebel in der Hand. Ein Hebel – auch das haben wir heute schon gehört – wäre natürlich, zu überlegen, da im Sinne einer öffentlichen, modernen Beteiligungsmanagementperspek­tive zu investieren, in eine zukunftsorientierte Industriestandortregion zu investieren, im Sinne einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, im Sinne einer aktiven Klimapolitik.

MAN ist „eine Chance“ – Alois Stöger hat das gesagt –, es ist eine Chance, und als solche müssen Sie es verstehen. Das ist kein Problem, das es zu lösen gilt, sondern es ist eine Chance, die es zu ergreifen gilt, Herr Bundeskanzler! (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Unsere gemeinsame und unsere gesamte Wirtschaft steckt in einem riesi­gen Transformationsprozess in Richtung Ökologisierung, in einer richtigen wirtschaftli­chen Krise, die so groß ist wie seit 1946 nicht mehr, in einer Phase des Umbruchs. Wann, wenn nicht jetzt, ist es die Bundesregierung, die in dieser schwierigen Phase begleitet, unterstützt, die mitgestaltet und nicht nur verwaltet, Herr Bundeskanzler?

Ja, was Deutschland längst hat, fehlt in Österreich, nämlich ein aktiver Beteiligungs­fonds. Der wurde in Deutschland vor wenigen Monaten geschaffen, und ich glaube nicht, dass Deutschland zu den Retroverstaatlichern gehört, so wie Sie es jetzt ideologisch besetzt hatten. Dieses Thema ist zu wichtig, um ideologische Rhetorik und Polemik an dieser Stelle zu verwenden. (Beifall bei der SPÖ.)

Werden Sie aktiv! Österreich und MAN brauchen eine Kraft, die eine aktive Industrie­politik der Zukunft vorantreibt. Nachhaltige Klimapolitik nützt und schützt. Das ist das, was Sie mit dieser MAN-Strategie verfolgen sollten. Ich appelliere an Sie, das auch zu tun. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.41

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Peter Haub­ner. – Bitte.