16.17

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Meine lieben Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Bundesminister und Frau Bundesministerin, vielleicht gleich zu Ihnen! Das sind ja total schöne Worte, die Sie hier finden, aber die helfen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Steyr überhaupt nicht. Das sind Floskeln, das sind Ansagen, und ich weiß nicht, ob es Ihnen schon aufgefallen ist, aber das Problem, das wir jetzt haben – weil Sie sagen, es finden Gespräche statt –, ist, dass der Konzern zurzeit nicht mit den Arbeitnehmern redet. Das ist unser Problem und nicht, dass irgendwo Gespräche stattfinden.

Herr Bundeskanzler, es ist immer so angenehm, Ihnen zuzuhören, und wenn man Sie nicht kennen würde, müsste man sagen, Sie wirken ja fast unverdächtig. Was den Ar­beitsmarkt betrifft, haben Sie jetzt schon das zweite oder dritte Mal Ihren Vater ins Spiel gebracht, und ich sage, das ist eine ganz tragische Geschichte, wenn man in der Familie Arbeitslosigkeit miterlebt, aber ich sehe da die Parallelen zu den Mitarbeitern in Steyr.

Wir haben das natürlich ein bisschen recherchiert: Ihr Vater ist damals bei Philips unter Druck gekommen. Neun Monate vorher wurde angekündigt, Philips wird geschlossen, und es wurde ein sehr guter Sozialplan erarbeitet. Ihr Vater hat zwei Änderungskündi­gungen zu Recht abgelehnt, denn Änderungskündigung bedeutet, dass man auf viel Geld verzichten muss – genau wie es jetzt in Steyr passiert –, und hat dann einen sehr ausgewogenen Sozialplan in Anspruch nehmen können.

Ich sage das auch deshalb, Kolleginnen und Kollegen, weil wir 440 000 Menschen ohne Arbeit haben, die gekündigt worden sind, und die haben natürlich nicht alle einen Sozial­plan gekriegt. Das heißt, wir müssen auch an jene denken, die gekündigt werden und nicht in irgendein soziales Netz fallen. Das vielleicht vorweg, meine sehr geschätzten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

VW hat die Entscheidung getroffen, die Standorte von MAN in Deutschland bleiben im Wesentlichen erhalten, da gibt es zwar Strukturänderungen, aber die Identitäten der Standorte bleiben erhalten. Steyr wird mit seinen 2 300 Mitarbeitern über die Klinge springen, wie wir jetzt wissen, nach dem Sprichwort: Das Hemd ist immer näher als der Rock. Wenn man weiß, dass sich VW brüstet, zu sagen, noch nie wurde ein Standort geschlossen, na dann werden wir uns das jetzt in Steyr anschauen, wie das tatsächlich über die Bühne geht. Auf jeden Fall: Die Vorgangsweise, die dieser Großkonzern, VW, hier an den Tag legt, ist wirklich unwürdig und des Konzerns einfach nicht würdig. (Beifall bei der SPÖ.)

VW hat immer den Wahlspruch gehabt, den kennen wir vor allem als Arbeitnehmer­vertreter, auf den stoßen wir meistens: Die Menschen sind das größte Kapital des Unternehmens. – Kolleginnen und Kollegen, das ist der größte Schwindel, den es über­haupt gibt! Alles Lug und Trug! Dem Konzern VW sind die Arbeitnehmer gleichgültig und in Wirklichkeit wurscht; das müssen wir auch wissen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist schon angesprochen worden – Markus (in Richtung Abg. Koza) hat das ja auf den Punkt gebracht; ich habe dich schon ein paar Mal auch anders reden gehört, aber das war jetzt wirklich einmalig –: Die Kollegen in Steyr haben entschieden. Sie wollen den Weg mit dem Investor nicht mitgehen, aber gar nicht so sehr wegen dem Konzept – ich glaube auch, das Konzept kann etwas, das ist schlüssig, das kann funktionieren –, son­dern es geht um die Bedingungen. Es geht um die Bedingungen, die für die Kolleginnen und Kollegen unannehmbar waren, die so ungenügend waren, dass eben dieses Er­gebnis herausgekommen ist. Die Kollegen haben gesagt: Das ist inakzeptabel. – Das geht ja wirklich nicht, das sieht man, wenn man sich anschaut, worum es da gegangen ist.

Jetzt ehrlich: Wenn jemand unter uns ist, der sozusagen vor die Alternative gestellt wird: Komm her und unterschreib für mich, mach das für mich und sag, jawohl, das soll kom­men!, und gleichzeitig sehen wir, dass 1 000 Arbeitnehmer gekündigt werden sollen, dann weiß derjenige, der unterschreiben soll, ja nicht, ob er da selber dabei sein wird. Oder: eine Arbeitszeitverlängerung um 1,5 Stunden in der Woche, weil die Pausen ge­strichen werden. Oder: Lohnkürzungen, 10 Prozent bei Angestellten, 15 Prozent bei Ar­beitern. Alle Betriebsvereinbarungen sollen gekündigt werden, das heißt, Schutzmaß­nahmen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fallen weg. Gewerkschafts- und Betriebsratspolitik für die Kolleginnen und Kollegen von 20 Jahren sind auf einmal zer­stört. Blankounterschrift: Verzicht auf alle Ansprüche gegenüber MAN, wo es zum Bei­spiel um die Standortsicherung geht.

Und dann hat es noch das Ultimatum gegeben, und das war der Grund dafür, meine sehr geschätzten Damen und Herren, dass die Kollegen dann gesagt haben: Nein, so kann man mit uns nicht umgehen! (Beifall bei der SPÖ.) Es gab das Ultimatum von MAN: entweder der Investor Wolf oder zusperren. Das war nämlich der Aufsichtsratsbeschluss, den man eine Woche vor der Abstimmung gefasst hat.

Kolleginnen und Kollegen, so geht man mit Menschen nicht um! Ich sage das auch: Die haben sich aufgeführt wie Kolonialherren – und das tut man einfach nicht, liebe Kollegin­nen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Mittlerweile schießen ja alle Positionen, die mit VW irgendetwas zu tun haben, aus allen Rohren. Wir haben gehört: Vergangene Woche hat VW-Aufsichtsratsboss Pötsch, der ebenfalls Österreicher ist, nachgelegt. Er hat gesagt: Steyr wird geschlossen, weil es keine anderen Angebote gibt. Es ist schon angesprochen worden: Natürlich gibt es An­gebote, aber es gibt offensichtlich irgendjemanden, der vehementes Interesse hat, da ein Exklusivrecht zu besitzen, um jede Konkurrenz auszuschalten. Ich verstehe das schon: Freilich ist es fescher, wenn man allein verhandeln darf und wenn es keine Kon­kurrenz gibt.

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei MAN Steyr werden immer mehr in die Enge getrieben und es ist wirklich so, Kolleginnen und Kollegen: Der VW-Konzern hat die Jagd eröffnet. Heute gibt es wieder eine Presseaussendung: MAN macht Druck bei Werksschließung. – So geht es jetzt alle Tage dahin, alle Tage in den Medien, alle Tage im Fernsehprogramm, in den Nachrichten. Die geschätzten Damen und Herren des VW-Konzerns sind gerade dabei, den Bogen zu überspannen, wie ich glaube. Die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer haben nicht das große Geld, um große Kampagnen zu fahren, im Gegensatz zu VW – veröffentlichtes Ergebnis: 9 Milliarden Euro nach Steu­ern, wenn man sich das in Erinnerung ruft, erst vor wenigen Wochen bekannt gegeben –, aber sie haben Hände, Füße, einen Kopf, sie haben ihre Arbeitskraft.

Wenn man länger mit den Menschen so umgeht, dann werden, das garantiere ich von dieser Stelle, in den nächsten Tagen diese Menschen, die so in die Enge getrieben werden, diese Arbeitskraft auch einsetzen. Wir steuern gerade auf einen Arbeitskampf in Steyr zu, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Da ist die Bundesregierung auch aufgerufen, dazu nicht zu schweigen, sondern das konkret anzusprechen und auch mit den Damen und Herren Konzernchefs zu reden.

Man kommt ab und zu zusammen. Wir hatten ja schon einige Zeit keinen Opernball, aber der Opernball ist da zu wenig, wenn man mit den Herrschaften dort spricht. Da muss man schon das Telefon in die Hand nehmen und klare Worte sprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt zur Regierung, meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen: Die Regierung hat bis jetzt noch keinen Finger gerührt. Herr Bundeskanzler, Sie haben auch noch keinen Finger gerührt. Im Oktober des vorigen Jahres hat Frau Wirtschaftsministerin Schramböck gemeint, sie arbeite an einem Österreich-Konsortium. Jetzt wäre es an der Zeit, zu sagen, was das Ergebnis dieser Arbeit ist. Um welches Konsortium geht es, wenn es eines gibt? Vorvergangene Woche hat Frau Ministerin Schramböck gemeint: Interessenten, die es ernst meinen, sollen sich melden. Ich bin da sonst nicht so heikel, aber das ist nicht die Wirtschaftspolitik, die wir uns vorstellen, meine sehr geschätzten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen. Kein Wort, dass die Regierung hinter den Beschäftigten steht, kein Wort, dass VW endlich die Verträge einhalten soll – es ist einfach enttäuschend. Es geht hier um 8 000 Arbeitsplätze – und Sie rühren keinen Fin­ger, meine sehr geschätzten Damen und Herren.

Weil ein bisschen über Verstaatlichung geredet wurde und Sie das als so lächerlich empfunden haben: Ich sage Ihnen von dieser Stelle: VW hat übrigens eine staatliche Beteiligung. Das Land Niedersachsen ist dort verankert. Ich darf in Erinnerung rufen: PSA, der größte europäische Konzern – Peugeot, Citroën und Renault, mittlerweile auch Opel –, hat eine staatliche Beteiligung. Und GM: Im kapitalistischen Amerika wurde in der Krise ebenfalls eine befristete Verstaatlichung durchgeführt, die allerdings mittler­weile wieder beendet wurde.

Aber so zu tun, als ob das unmöglich wäre, das stimmt einfach nicht. Es gibt ein Öbag-Gesetz. Es gibt ein Öbag-Gesetz, durch das die Möglichkeit einer Beteiligung besteht – keine Verstaatlichung vorzunehmen, das wollen wir auch nicht, wir wollen nichts ver­staatlichen, sondern wir wollen ihnen in der Krise die Chance geben, so eine Art An­schubinvestition zu tätigen, ein Sicherheitsnetz über eine gewisse Zeit zu haben und dann wieder loszulassen. Ich möchte einfach darum ersuchen, dass man diesen Vor­schlag ernst nimmt und nicht immer nur belächelt, denn wenn die Öbag nur eine Be­teiligungsgesellschaft mit einem sehr teuren Frühstücksdirektor ist, wie wir seit Neues­tem wissen, dann brauchen wir die Öbag in dieser Form nicht, meine sehr geschätzten Damen und Herren.

Um es auf den Punkt zu bringen: Es gibt die Möglichkeit, dass Sie uns helfen, Herr Bun­deskanzler. MAN muss die Gespräche wieder aufnehmen, MAN kann sich dem Diskurs nicht entziehen, vor allen Dingen: VW als Eigentümer ist da ganz vehement in der Ver­antwortung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.27

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Singer. – Bitte.