17.05

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Lieber Herr Stöger, liebe SPÖ, ich stimme Ihrem Antrag nicht zu, aber ich denke, dass es tat­sächlich um eine sehr dringliche Angelegenheit geht. Es geht um eine sehr belastende Situation für über 2 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Werks in Steyr und um viele weitere, um Tausende weitere Jobs im Umfeld, im unmittelbaren Ökosystem des Werks, und insofern, glaube ich, ist die Auseinandersetzung damit heute gut und richtig.

In einigen Punkten möchte ich Ihnen auch zustimmen. Zum einen ist die Vorgehens­weise des VW-Konzerns klar zu verurteilen. Der Standortsicherungsvertrag wurde igno­riert, auch die guten Zahlen in Bezug auf die Bilanz und die Auslastung wurden ignoriert, und ich glaube, die Verlagerung der Produktion rein aus diesen sozusagen extremen Kostenüberlegungen heraus ist eigentlich inakzeptabel.

Das Zweite ist, dass der Vorschlag des Konsortiums rund um Siegi Wolf aus mehreren Gründen und aus mehreren Blickwinkeln problematisch war, und zwar weil es natürlich keinen schlanken Fuß macht, wenn der einzige Vorschlag, der vom Vorstand vom VW-Konzern berücksichtigt wird, einer ist, der von einem Aufsichtsratsmitglied von Porsche kommt. Auch diese Connections zu Russland und so weiter – sie sind eh schon mehr­fach thematisiert worden – hätten verschiedene Probleme mit sich gebracht. Und auch dieser starke Fokus auf die Kostenreduktion ist nicht das, was jetzt in Steyr gebraucht wird. Insofern hat die Belegschaft, glaube ich, diesen Plan zu Recht abgelehnt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber – und das ist das erste Aber –: Natürlich wäre eine staatliche Beteiligung der aller­letzte Weg, möglicherweise der letzte Ausweg, wenn überhaupt niemand gefunden wird, der das Werk übernehmen kann, ich sehe das jetzt aber nicht angezeigt. Im Gegenteil, ich glaube, selbst Sie schließen ja eine hundertprozentige staatliche Beteiligung aus. Bei einer staatlichen Minderheitsbeteiligung muss man immer noch einen/eine privaten/pri­vate Mehrheitseigner/-eignerin finden, und ich glaube nicht, dass eine staatliche Min­derheitsbeteiligung da unbedingt eine große Hilfe ist, sondern dem sogar im Wege stehen kann. Deshalb ist, glaube ich, eine staatliche Beteiligung zu diesem Zeitpunkt nicht angezeigt.

Darüber hinaus gibt es noch ein Problem: VW will ja die Produktion nicht einstellen, son­dern nur nach Polen verlagern. Das heißt, die Frage steht dann natürlich schon im Raum: Was passiert mit den Lkws, die dann noch in Steyr produziert werden? Da müsste es dann einen Abnehmer geben und so weiter. Das heißt, eine staatliche Beteiligung würde da natürlich weitere Probleme, eine ganze Reihe von Problemen mit sich bringen.

Deshalb glaube ich, dass jetzt zentral ist, die Konzepte, die weiteren Vorschläge, die es gibt, zu prüfen, dass sozusagen diese interessenpolitische Komponente bei VW hintan­gehalten wird und nicht alle Konzepte, die vorliegen, als lauwarme Luft abgelehnt wer­den. Damit gäbe es die Möglichkeit – ich glaube, es gibt ja mehrere Varianten, die im Raum stehen –, das noch zu retten. Das wäre wirklich der nächste Schritt, der notwendig wäre.

Ein zweites Aber: Herr Stöger, Sie schreiben in Ihrem Antrag: „Jetzt verspricht die Re­gierung also hunderttausende Jobs zu schaffen – es wäre aber besser, nicht über abstrakte Zahlen zu sprechen, sondern sich beispielsweise ganz konkret um die Rettung von 8.000 Arbeitsplätzen in Steyr zu kümmern.“ – Dem möchte ich aus zwei Gründen widersprechen.

Zum einen kümmert sich die Regierung – das zeigen die Wortspenden von Frau Mi­nisterin Schramböck und Arbeitsminister Kocher und auch die des Bundeskanzlers – um diese konkreten Arbeitsplätze in Steyr, nur halt nicht vor laufender Kamera, sondern in direkten Gesprächen mit den betroffenen Beteiligten, und ich glaube, das ist auch die Art und Weise, wie man diese Auseinandersetzung und diese Gespräche zur Lösungs­findung führen muss.

Das Zweite ist, dass diese Unterscheidung zwischen abstrakten und konkreten Jobs aus meiner Sicht schon zeigt, dass Sie die Bedeutung der mittelfristigen und langfristigen Faktoren für die Zukunftsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft ein bissel unterschät­zen und nicht ausreichend wertschätzen.

Es reicht nicht, nur Feuerwehr zu spielen, wenn es brennt, sondern es ist auch wichtig, dass wir sozusagen in den Brandschutz investieren, also in die Zukunftsfähigkeit der Industrie, und dazu gehören halt insbesondere die Dekarbonisierung und die Investi­tionen, die damit im Zusammenhang stehen.

Es stimmt, dass die österreichische Automobilindustrie aufgrund der Dekarbonisierung unter starkem Druck steht. Das ist aber im Gegensatz zu dem, was Sie behauptet haben, Herr Deimek, oder auch Ihr Kollege Wurm, nicht den österreichischen Grünen geschul­det, die den Leuten sagen, sie sollen nicht mehr mit dem Auto fahren. Vielmehr ist es so, dass die Automobilkonzerne in Deutschland und auch sonst in der Welt erkannt ha­ben, dass fossile Antriebe keine Zukunft haben, und deshalb drehen sie diese Antriebe ab. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diese Transformation bringt natürlich große Veränderungen für den österreichischen Automobil-, für den Automotivesektor mit sich, ist aber auch eine große Chance. Wir können da, wenn wir vorne dabei sind, noch Absatzmärkte finden, auch in einem relativ hochpreisigen oder Hochkostenland. Ich glaube, für diese Transformation hin zu diesen klimafreundlicheren Antrieben wird es auch staatliche Unterstützung brauchen. Es wird Qualifizierungsprogramme brauchen, um die Belegschaft umzuschulen. Es wird auch Dinge wie die Investitionsprämie und Ähnliches brauchen, viele der Maßnahmen – meine Kollegin Götze hat es schon ausgeführt –, die im ERF stecken, gehen in diese Richtung. Aber was es in dieser Phase, glaube ich, nicht braucht, ist eine Verstaatli­chung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.11

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Karin Doppelbauer. – Bitte.