20.24

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bereits viel zur Situation der Uiguren gesagt worden, und der grausame und repressive Umgang Chinas mit der uigurischen Minder­heit zeugt davon, dass grobe Menschenrechtsverletzungen weltweit leider noch immer auf der Tagesordnung stehen und oft widerspruchslos zur Kenntnis genommen werden. Genau da liegt unsere Verantwortung, nämlich: nicht wegzuschauen.

Schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen gibt es auch in Katar, dem Austragungs­ort der Fifa-Fußballweltmeisterschaft 2022. Da blutet mir als langjährigem Amateurkicker und leidenschaftlichem Fußballanhänger das Herz, wenn ich höre, was da passiert. Ka­tar hatte zum Zeitpunkt der Vergabe kein WM-taugliches Stadion. Die Entscheidungsträger dort werden sich aber gedacht haben: Gut, wenn wir keine haben, dann stampfen wir halt ein paar Rolls-Royce-Stadien aus dem Boden, Geld spielt bei uns ohnehin keine Rolle! – Einmal dürfen Sie jetzt raten, wer den Preis für die Realisierung dieses Groß­sportevents bezahlen muss. Schon im September 2013 hat der britische „Guardian“ über die miserablen Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen Katars berichtet. Das „Süd­wind Magazin“ hat getitelt: „Sterben für die große Show“. Und vor wenigen Wochen hat auch meine ebenfalls fußballfanatische Kollegin Nurten Yılmaz dazu einen sehr treffen­den Gastkommentar in der „Presse“ geschrieben.

Lassen Sie mich die konkrete Situation kurz anhand von ein paar Zahlen und Fakten darlegen: Katar, immerhin eines der reichsten Länder der Welt, hat ein Pro-Kopf-Einkom­men pro Monat von 9 000 Euro; zum Vergleich: der Lohn für Arbeiter auf den WM-Bau­stellen liegt bei 240 Euro, was einem Stundenlohn von circa 2,55 Euro entspricht. Von den circa zwei Millionen Gastarbeitern aus Indien, Bangladesch, Sri Lanka, Pakistan, Nepal haben viele teilweise monatelang keinen Lohn bekommen. Wasser und Brot sind die Hauptnahrungsmittel, und teilweise hausen acht Arbeiter auf 15 Quadratmetern Wohnfläche, also auf winzigem Raum, unter katastrophalen Bedingungen.

Aber das ist bedauerlicherweise noch nicht alles. Seit der Vergabe der Fußball-WM an Katar sind bereits 6 500 Menschen auf den Baustellen für Stadien, Hotels und Verkehrs­infrastruktur gestorben – 6 500 Menschen, weil der Profit und das Prestige reicher Inves­toren wieder einmal mehr zählt als Menschenleben, als menschenwürdige Bedingungen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Litschauer.)

Der internationale Fußballverband Fifa spielt bei diesen Menschenverbrechen leider mit. Verzeihen Sie mir den Ausdruck, aber dieses System ist an Absurdität kaum zu überbie­ten und widert mich persönlich an. Da sind die aktuellen Pläne einer Super League der reichen top Klubs nur mehr ein i-Punkterl, denn wenn ein Fußballstar am Klo mehr Geld verdient als jemand, der einen Monat lang arbeiten geht, dann stimmt etwas an diesem System gewaltig nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Das kommt nicht einmal mehr bei denen gut an, die von diesem System profitieren. Matthias Ginter, Spieler der deutschen Nationalmannschaft, hat selbst gemeint: „Wenn ich sehe, wie Bauarbeiter oder Krankenpfleger schuften müssen und dafür ein Gehalt bekommen, mit dem sie kaum über die Runden kommen, dann muss ich sagen: Natür­lich verdienen wir Fußballer zu viel“. „Wir leisten ja nichts Essentielles“.

Egal, wo man hinsieht, es dreht sich alles nur um den Profit, zulasten der einfachen Arbeitnehmer, zulasten von Minderheiten und zulasten der Menschenrechte, und aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Maximilian Köllner, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Men­schenrechtsverletzungen in Katar“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, werden aufgefordert, wie bereits vor der Eishockey-WM in Belarus, zu den in Katar auftretenden Menschenrechtsverletzungen klar Stellung zu beziehen und sich künftig auf internationaler Ebene dafür einzusetzen, dass möglichst strenge Verga­berichtlinien in den internationalen Sportorganisationen erlassen werden, damit eine Vergabe von Sportgroßveranstaltungen an Länder, die unter begründetem Verdacht weitgehender Nichteinhaltung von Menschenrechtsstandards stehen, nicht mehr mög­lich ist.“

*****

Ich bitte um Unterstützung. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.28

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

§ 55 GOG-NR

der Abgeordneten Maximilian Köllner, MA, Nurten Yilmaz,

Genossinnen und Genossen

betreffend Menschenrechtsverletzungen in Katar

eingebracht am 21. April 2021 in der 97. Sitzungen des Nationalrats im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Menschenrechte betreffend die Situation der Uiguren (TOP 14)

Der Umgang Chinas mit der uigurischen Minderheit, welcher von repressivem Vorgehen der Behörden, Massenüberwachung, Unterdrückung und Internierung geprägt ist, zeugt von groben Menschenrechtsverletzungen, die weltweit leider noch immer auf der Tages­ordnung stehen und oft widerspruchlos von vielen zur Kenntnis genommen werden.

Schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen gibt es auch in Katar, Austragungsort der FIFA Fußballweltmeisterschaft 2022, ein seit Jahren bekanntes Problem. Schon im September 2013 berichtete der britische Guardian über die miserablen Arbeitsbedingun­gen auf den WM-Baustellen Katars, das Südwind Magazin veröffentlichte einen Bericht mit dem Titel „Sterben für die große Show" im Dezember desselben Jahres.

Denn Katar hatte zum Zeitpunkt der Vergabe gar kein WM-taugliches Stadion. Es wur­den demnach dafür acht vollklimatisierte Stadien aus dem Wüstenboden gestampft - ohne Rücksicht auf die Umwelt und für eine Nutzung von wenigen Wochen. Die Nachnut­zung ist völlig ungeklärt. Schließlich hat Katar nur 2, 7 Millionen Einwohner*innen, wovon 90 Prozent Arbeitsemigrant*innen mit ausländischer Staatsbürgerschaft sind. Nur 300.000 Bewohner*innen haben einen katarischen Pass. Diese Arbeitsemigrant*innen - es sind fast ausschließlich Männer - arbeiteten und arbeiten vorwiegend an den riesigen WM-Baustellen. Bei der Ankunft wird ihnen der Pass abgenommen, sie werden in win­zige Unterkünfte gepfercht, und vielen von ihnen wird monatelang kein Lohn ausbezahlt. Zahlreiche TV-Dokumentationen beweisen diese Zustände. Einige der aus Ländern wie Nepal, Pakistan und Indien kommenden Männer waren derart verzweifelt, dass sie sich auf den Baustellen vom Gerüst geworfen haben, damit ihre Familien wenigstens eine Versicherungszahlung bekommen.

Im Februar 2021 veröffentlichte der Guardian erneut einen Bericht, demzufolge seit der Vergabe der WM an Katar über 6.500 Gastarbeiter*innen allein aus Indien, Pakistan, Ne­pal, Bangladesch und Sri Lanka gestorben sind. Durchschnittlich zwölf Gastarbeiter*in­nen pro Woche sollen seit Dezember 2010 umgekommen sein.

Schwere körperliche Arbeit bei hohen Temperaturen auf den katarischen Baustellen für Stadien, Hotels und Verkehrsinfrastruktur kann selbst für junge und besonders fitte Men­schen tödlich enden. Zur häufigsten Todesursache Herz-Kreislauf-Versagen aufgrund der Anstrengungen in der Wüstenhitze kommen zudem Stürze aus großer Höhe und anderweitige Unfälle aufgrund mangelnd gesicherter Baustellen.

Trotz einiger Verbesserungen im Arbeitsrecht haben die Arbeiter*innen auf den Bau­stellen der Fußball-WM in Katar immer noch keine Möglichkeit, sich in Gewerkschaften zu organisieren oder Rechtsmittel gegen Arbeitsrechtsverstöße einzulegen. Auch ein fairer Mindestlohn für die tausenden Arbeitskräfte auf den Baustellen wurde bislang nicht umgesetzt, eine unabhängige Überprüfung der Arbeitsbedingungen und eine strikte Durchsetzung der Schutzvorkehrungen fehlen völlig.

Die Kritik an der Fußball-WM in Katar wird zurecht immer lauter und der Widerstand gegen das Turnier in dieser Form immer größer. Neben zahlreichen Menschenrechtsor­ganisationen wie Amnesty International und Protesten von Fußballnationalmannschaf­ten nimmt in Österreich beispielsweise die Junge Generation die breite Kritik auf.

Festzuhalten ist: Die Vergabe an Katar war nicht alternativlos. Es gab mehrere Bewer­berländer, darunter die USA und Australien. In Katar sind Frauenrechte de facto nicht vorhanden und Homosexualität wird mit Haftstrafen geahndet. Bereits in den letzten Jahren hat die FIFA bei der Vergabe offenbar so einiges ausgeblendet: ob Zwangsum­siedelungen in Brasilien 2014 oder die Ausbeutung von Bauarbeiter*innen in Russ­land 2018 - Profit steht hier offenbar vor den Menschenrechten und dem Wohle der Be­völkerung vor Ort.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, werden aufgefordert, wie bereits vor der Eishockey-WM in Belarus, zu den in Katar auftretenden Menschenrechtsverletzungen klar Stellung zu beziehen und sich künftig auf internationaler Ebene dafür einzusetzen, dass möglichst strenge Verga­berichtlinien in den internationalen Sportorganisationen erlassen werden, damit eine Vergabe von Sportgroßveranstaltungen an Länder, die unter begründetem Verdacht weitgehender Nichteinhaltung von Menschenrechtsstandards stehen, nicht mehr mög­lich ist.

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf anführen, dass der Antrag ausreichend unter­stützt und ordnungsgemäß eingebracht ist und somit auch in Verhandlung steht.

Zu Wort gemeldet ist nun Ing. Johann Weber. – Bitte, Herr Abgeordneter.