15.32

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Il collega Ragger ha cominciato a parlare italiano – io comincio in inglese. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Im Mutterland der Demokratie spricht man von Her Majesty’s Most Loyal Opposition. Was will uns das sagen? – Das will uns sagen, dass zu einem funktionierenden Gemeinwesen, zu einem Staat natürlich eine Regierung gehört, aber auch eine Opposition, und das ist selbstverständlich. Jede kluge Regierung weiß: Man soll die Rechte der Opposition nicht zu stark einschränken, denn manchmal kann es ganz schnell gehen, und man sitzt auf der anderen Seite. Deswegen würde ich jeder Regierung raten: Respektieren Sie die Opposition!

Dazu gehört natürlich das Interpellationsrecht, das Fragerecht, und das soll man schon sehr anständig wahren, dafür möchte ich appellieren. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Wir haben heute schon Beispiele gehört, wo das nicht gewahrt wurde. Ich kann ein anderes Beispiel nennen: Wir haben im Anschluss an die Befragung von Herrn Kurz und auch von Frau Wieser, seiner Mitarbeiterin, im Ausschuss etwas gefragt. Sie sagte sinngemäß, dass es eine rechtliche Expertise gegeben habe, wonach die dienstlichen Kalender nicht dem Staatsarchiv zu übergeben wären, und wir wollten wissen: Wo ist die Expertise?

Die Antwort war: Ich ersuche um Verständnis, eine Interpretation sinngemäßer Aus­sagen kann ich nicht machen. Da ging es doch um die Frage: Wer sagt, dass der Kalender nicht zu übergeben ist? Ich weiß von früheren Mitarbeitern des Staatsarchivs: Alle Bundeskanzler bisher haben das selbstverständlich gewahrt und die Kalender abgegeben.

Ein anderes Beispiel: Die Kollegen von der SPÖ haben am Montag gefragt – Frage 47 –: „Mit wem haben Sie Ihre Aussagen im Untersuchungsausschuss vorab abgesprochen?“ – Das war eine sehr kluge Frage. Warum?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter, darf ich Sie ersuchen, zum Gegenstand der Anfragebeantwortung zu reden? (Widerspruch bei NEOS und FPÖ.) Erläutern Sie, wie Sie dazu kommen!

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (fortsetzend): Gerade spreche ich von den Rechten der Opposition, und der Herr Präsident schafft mir an, was ich sagen soll. Das ist schon allerhand! (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nein, der Herr Präsident schafft Ihnen nicht an, was Sie zu sagen haben. Herr Abgeordneter, Sie sollten die Geschäftsordnung des Nationalrates kennen!

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (fortsetzend): Ich habe die zwei Bücher nicht mit, aber ich zitiere sie - - (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Die Intellektuellen- und Bücher­feindlichkeit dieser rechten Seite erstaunt mich auch immer wieder. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

Also gut; ich habe die zwei Bücher nicht mit, aber ich zitiere Timothy Snyder: „Der Weg in die Unfreiheit“. Ich zitiere Ziblatt: „Wie Demokratien sterben“. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wie sterben sie? – Sehr einfach: Wer die Grundlagen und die Institutionen der Demokratie zerstört, der zerstört die Demokratie. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.) Das Interpellationsrecht des Parlaments ist ein ganz wesentlicher Punkt, und ich lasse mich nicht davon abhalten, darüber zu reden, dass die SPÖ gefragt hat: „Mit wem haben Sie Ihre Aussagen im Untersuchungsausschuss vorab abgesprochen?“ Die Antwort war: ja eigentlich gar nichts, er hat es nicht beantwortet!

Aber warum ist die Frage so gut gewesen? – Weil auf den 58 Seiten genau erklärt wird, dass Herr Schmid und Herr Kurz zu den gleichen Fragen wortgleiche Antworten gegeben haben. Daraus lernen wir, dass beide perfekt vorbereitet waren und dass sie genau gewusst haben, was sie dem Ausschuss sagen (Abg. Taschner: Unterstellungen! – Zwischenruf des Abg. Hanger): also nicht auf eine klare Frage eine klare Antwort zu geben, sondern das zu antworten, was man vorher auswendig gelernt hat, was man sich aufgeschrieben hat. Auch das ist eine Herabwürdigung des Parlaments und des Unter­suchungsausschusses. Warum? – Weil man eben nicht ehrlich auf eine Frage antwortet, sondern weil man etwas vorliest.

Es heißt aber andererseits auch, sehr gut vorbereitet ist der Vorsatz: Ich sage das, was ich mir vorgenommen habe!; und aus diesem Vorsatz kommen Sie nicht heraus. (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Steinacker und Melchior.)

Jetzt möchte ich, weil mir der Herr Präsident gleich wieder das Wort wegnimmt, die Richterpräsidentin Matejka zitieren: Sie hat gesagt, diese ÖVP-Regierung hat das Vertrauen in die Justiz beschädigt. – Das ist ja nicht irgendjemand, das ist die Prä­sidentin der Richtervereinigung! (Abg. Gerstl: Hat sie nie gesagt! Unterstellung!) Sie von der ÖVP beschädigen das Vertrauen in die Justiz! Sie hat außerdem gesagt: Der Rechts­staat ist „nicht unzerstörbar“, er kann zerstört werden.

Ich habe so auf die Grünen gehofft, ich war so überzeugt davon. Kollege David Stögmüller und Kollegin Nina Tomaselli sind starke Kräfte, gescheite Leute, stellen gute Fragen, haben ordentlich gearbeitet, und wir sind uns einig, dass die Arbeit nicht abgeschlossen ist. – Kollege Stögmüller nickt, weil er ein ehrlicher Mann ist; du bist ein ehrlicher Mann! (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ. – Heiterkeit des Abg. Stögmüller.)

Wenn ihr aber ehrlich agiert, dann sagt ihr: Ja, die Arbeit in diesem Untersuchungs­ausschuss ist nicht abgeschlossen! Herr Kurz, das ist nicht lustig! (Rufe und Gegenrufe zwischen ÖVP und FPÖ.) Es ist das Recht der Opposition, zu untersuchen, was Sie gemacht haben. Und darüber lachen Sie? So groß kann die Maske vorm Gesicht nicht sein, dass sie Sie davor beschützt, Ihre - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Kommen Sie bitte zum Schluss! Sie haben die 5 Minuten überschritten!

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (fortsetzend): Ich bin wirklich sehr traurig und entsetzt darüber, die Häme des Kanzlers vorm Parlament beobachten zu müssen. Dass mir das noch passiert, tut mir sehr leid. – Danke schön. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

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