12.20

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Abgeordneten! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich glücklicherweise etwas entspannt. Die ganz aktuellen Daten, die wir bekommen – die noch nicht verifiziert sind, auch was zum Beispiel den gestrigen Öffnungsschritt betrifft –, stimmen aus meiner Sicht optimistisch: Allein gestern haben laut vorläufigen Daten über 8 000 Personen aus der Arbeitslosigkeit heraus wieder eine Beschäftigung aufgenommen. Wir sehen jetzt also eine deutliche Entspannung des Ar­beitsmarkts.

Vielleicht im Vergleich zur Situation im Vorjahr: Die Zahl der Arbeitslosen ist mit 334 000 Personen – ohne Menschen in Schulungen – jetzt bereits niedriger als am Ende des Sommers letzten Jahres. Voriges Jahr war ja großteils ein relativ guter Sommer, was die Saison im Tourismus und in der Gastronomie betroffen hat.

Es gibt also eine klare Entspannung am Arbeitsmarkt, und die wird sich auch in den nächsten Wochen fortsetzen, wenn die Öffnungsschritte in allen Bereichen auch am Ar­beitsmarkt durchschlagen. Das betrifft ja nicht nur die Gastronomie, sondern auch den Tourismus, der langsam beginnt, den Bereich Kunst und Kultur, die Sportbranche, Ver­anstaltungen und so weiter. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir erwarten, dass aufgrund der Öffnungen ungefähr 20 000 Personen aus der Arbeits­losigkeit wieder in Beschäftigung kommen und ungefähr 130 000 Personen aus Kurz­arbeit wieder einer vollen Beschäftigung nachgehen.

Die Kurzarbeit ist weiterhin ein sehr wichtiges Instrument. Im Moment sind ungefähr 320 000 Personen in Kurzarbeit vorangemeldet – vorangemeldet deshalb, weil natürlich ein Teil dieser Voranmeldungen nicht abgerechnet wird, die Erwartung liegt bei ungefähr 50 bis 60 Prozent. Die Kurzarbeit war aber ein ganz entscheidendes Kriseninstrument und ist weiter ein Kriseninstrument.

Wir erwarten, dass die Inanspruchnahme zurückgeht: Letzten Sommer, Herbst hatten wir eine Zahl von 120 000 Menschen in Kurzarbeit, das ist auch die Erwartung für diesen Sommer. Die Kurzarbeit ist weiterhin ein ganz wichtiges Kriseninstrument, das uns wahr­scheinlich Hunderttausende, wenn nicht über eine Million Beschäftigungsverhältnisse gerettet hat. Der Höhepunkt der Arbeitslosigkeit letztes Jahr mit 588 000 Personen wäre sicherlich um 300 000, 400 000 Personen überschritten worden, wenn es diese großzü­gige Kurzarbeit nicht gegeben hätte. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es geht nämlich – das war der entscheidende Punkt – auch darum, dass die Kurzarbeit in den Bereichen Dienstleistungen, Tourismus und Gastronomie genutzt wurde. In frü­heren Zeiten war das nicht der Fall, weil dieses Instrument sehr spezifisch für die In­dustrie ausgelegt war. Die Dienstleistungsbranche, besonders der Bereich Tourismus und Gastronomie, ist auch der größte Nutzer der Kurzarbeit – im Moment noch, das heißt, wenn die Öffnungsschritte nachhaltig funktionieren, wird die Kurzarbeit auch von selbst zurückgehen.

Wichtig ist natürlich – einige Redner haben es angesprochen – die Zukunft der Kurzar­beit: Wie geht es weiter? – In einer Aufschwungsphase muss die Kurzarbeit aus meiner Sicht anders gestaltet sein als in einer schweren, akuten Krise. Es gibt natürlich weiterhin Bereiche, die eingeschränkt sind, und die richtige Balance zu finden ist gar nicht so ein­fach. Man hat es in den vorigen Reden gehört: Es gibt natürlich immer noch Wirtschafts­bereiche, die die Kurzarbeit legitimerweise weiter brauchen, weil es massive Einschrän­kungen gibt. Dazu gehören die Nachtgastronomie, die Stadthotellerie, die Eventbranche und der Bereich des Flugverkehrs. Gleichzeitig gibt es in einer wachsenden Wirtschaft Bedarf an Arbeitskräften, und selbst innerhalb der gleichen Branche gibt es natürlich unterschiedliche Interessen. Ein Besitzer, eine Besitzerin eines Stadthotels möchte ak­tuell die Stammbelegschaft behalten, ein Besitzer, eine Besitzerin eines Ferienhotels an einem See hingegen braucht im Moment wahrscheinlich Fachkräfte und würde am liebsten natürlich jene Fachkräfte anstellen, die vielleicht noch in Kurzarbeit sind. Diese Balance zu finden ist die große Aufgabe bei jenen Gesprächen, die wir jetzt mit den Sozialpartnern führen.

Es ist nicht ganz einfach, denn in der Phase fünf der Kurzarbeit, die mit 1. Juli beginnt, muss es Regeln geben, die diesen Aufschwung nicht behindern. Sie müssen verhindern, dass sich zum Beispiel Handwerker, die hohe Auftragsbestände haben, in Kurzarbeit befinden. Gleichzeitig müssen natürlich in jenen Bereichen, bei denen es noch ein biss­chen dauert, bis es zu einer Erholung kommt, die Stammbelegschaft gesichert und die Betriebe weiter unterstützt werden. Das sind Unternehmen, die jetzt ohne jedes Selbst­verschulden zum Handkuss kommen, weil die Pandemie eben zum Beispiel den inter­nationalen Reiseverkehr einschränkt.

Wir werden gemeinsam mit den Sozialpartnern sehr bald eine Lösung vorschlagen, und es wird eine Phase fünf der Kurzarbeit geben, die – ich glaube, das ist wichtig zu sagen – eine Maßnahme zur Absicherung für jene Bereiche beinhalten wird, in denen es vielleicht weiterhin behördliche Schließungen geben muss. Wir wissen nicht, wie lange das noch notwendig sein wird, aber zumindest sollen alle Betriebe wissen: Wenn es behördliche Schließungen gibt, wird es weiter die großzügige Form der Kurzarbeit geben, die es in der Coronazeit gegeben hat – für alle anderen Bereiche wird es eine Anpassung geben.

Es gibt verschiedene Modelle, wie das umgesetzt wird, und ich bitte um ein bisschen Geduld, da ich den Gesprächen mit den Sozialpartnern nicht vorgreifen möchte. Ich glaube, dass wir weiterhin Kurzarbeit brauchen werden: Es hat Kurzarbeit auch vor der Coronakrise gegeben, es wird eine Kurzarbeit nach der Coronakrise geben, und es wird jetzt aller Voraussicht nach eine Übergangsphase geben, bis wir zu dieser permanenten Kurzarbeit post Corona kommen.

Ein letzter Punkt noch zur Arbeitsmarktreform, die öfters angesprochen wurde: Es gibt viele Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, und wir werden uns all diese Vorschläge sehr genau anschauen. Im Laufe des zweiten Halbjahres, im Herbst und vielleicht noch etwas länger, werden wir darüber natürlich eine sehr breite Diskussion führen. Ich glaube, eine große Arbeitsmarktreform wäre ein wichtiger Schritt – steht auch im Regierungspro­gramm. Es gibt viele Interessen und es gibt viele Vorschläge, alle werden berücksichtigt und finden dann in einer breiten Diskussion ihren Niederschlag.

Ich hoffe, dass wir es dann schaffen, eine Reform zustande zu bringen, die den Arbeits­markt in Österreich besser gestaltet, effizienter macht und es schafft, Menschen schnel­ler in bessere Arbeitsplätze zu bringen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Grünen.)

12.26

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schell­horn. – Bitte.