15.00

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Leider hat die karenzierte stellvertretende Chefin der WKStA gerade den Raum verlas­sen. Sie wird schon wissen, warum: weil es natürlich auch wieder ein Stück weit um die WKStA geht. So wie letzte Woche, Herr Bundeskanzler, geht es aber auch um folgende Themenkomplexe: zum einen um Ihren Umgang mit dem Interpellationsrecht und zum anderen muss man ja sagen: Jetzt ist schon wieder was passiert! Die Justiz möchte jetzt schon wieder gegen einen ÖVPler – oder in dem Fall eine ÖVPlerin – ermitteln, also auch das ist im Prinzip nur eine Fortentwicklung der letzten Wochen. Also wenn das so weitergeht, werden Ihnen bald die Führungskader ausgehen.

Ich widme mich hier jedoch der Anfragebeantwortung auf eine parlamentarische Anfrage unseres Klubobmannes Kickl, die uns schon in Staunen versetzt hat, als wir uns angeschaut haben, mit welcher, na, ich möchte fast sagen, strategischen Gelassenheit Sie diese beantwortet haben, Herr Bundeskanzler. Wenn man das vor allem mit den Geschehnissen im Untersuchungsausschuss übereinanderlegt, dann finde ich es schon bemerkenswert, was Sie uns da wieder so nonchalant hinübergeschmissen haben.

Ich möchte ganz kurz ein bisschen auf den 10. März dieses Jahres zurückgreifen, denn da war, Herr Bundeskanzler, wie Sie wissen, ein Staatsanwalt aus Eisenstadt bei uns im Untersuchungsausschuss zu Gast. Er ist auch ein ehemaliges Kabinettsmitglied aus der Zeit von Justizminister Moser und später auch des Übergangsministers Jabloner.

Er war natürlich ein Insider, hat sich die Befragung entsprechend angesehen und hat da auch mitgedacht – und das war schon einmal das erste Problem, mit dem Sie in der Volkspartei wahrscheinlich nicht gerechnet haben. Ihm ist nämlich aufgefallen, dass ein Teil des Mailverkehrs nicht geliefert worden ist, und zwar ist es konkret um den Mail­verkehr zwischen einerseits Sektionschef und Generalsekretär Pilnacek und auf der anderen Seite seiner rechten Hand in der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Herrn Ober­staatsanwalt Fuchs, gegangen.

Dieses Schriftstück hat den Weg in den Untersuchungsausschuss nicht gefunden, und das war umso bemerkenswerter, als wir dann gesehen haben, worum es eigentlich gegangen ist. Schlussendlich, und das hätte wahrscheinlich die stellvertretende Leiterin der WKStA interessiert, ging es darum, dass hier eine Weisung konstruiert worden ist. Jetzt wissen wir nicht, ob Herr Justizminister Moser die Weisung gegeben hat oder nicht, jedenfalls hat Pilnacek zu Fuchs gesagt, man möge danach trachten, dass die WKStA keine federführende Rolle bei den Ibizavideoermittlungen einnimmt – und ja, das ist interessant, wenn man das dann erfährt.

Wie Sie wissen, hat das ja dann schlussendlich auch zur Einleitung des Verfahrens gegen Pilnacek, den höchsten Beamten im Justizministerium, geführt. Ich denke einmal, das ist nur ein netter Einstieg dafür, zu sehen, wie Sie sich Dinge zurechtzimmern und wie man halt innerhalb der ÖVP immer schnell damit zugange ist, dass man Dinge, wie wir gelernt haben, daschlogt.

Das ist eben das, wie die ÖVP das am laufenden Band macht, und wenn die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft – leider ist deren stellvertretende Leiterin nicht da – das dann kritisiert und hinterfragt, dann wird sie überhaupt gleich abgeschafft. Und das Lustige ist, dass die jetzt nicht anwesende Bundesministerin Edtstadler dann auch noch irgendwie in der „Zeit im Bild“ auftritt und die Auflösung ihrer eigenen Organisations­struktur fordert, obwohl sie dort keinen Tag gearbeitet hat. Insgesamt ist das also sehr bemerkenswert, wie Sie das alles immer wieder schaffen.

Jedenfalls, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat die Mitteilung über die offen­sichtlich dem Untersuchungsausschuss vorenthaltenen Mails dann eben wie gesagt zu den Ermittlungen geführt und hat auch weitere neue Spuren ergeben, zum Beispiel über den Verrat einer Hausdurchsuchung. Auch das ist ja nicht unspannend, vor allem da der ehemalige Justizminister Brandstetter, noch immer VfGH-Richter – in Österreich geht das ja alles, vor allem, wenn man bei der Volkspartei ist –, mittendrin statt nur dabei ist. Es ist ja immer gut, wenn Leute, die selber Aktenbestandteil sind, über UsA-Akten entscheiden müssen, weil sie dann schon eingelesen sind und man dann nicht noch großartig viel Zeit zu investieren braucht. (Beifall bei der FPÖ.) Übrigens ist auch Herr Suppan Verfassungsrichter und ebenfalls Aktenbestandteil – das nur nebenbei.

Da sieht man, wie die schwarzen Netzwerke so arbeiten und wie sie unbehelligt operieren konnten, weil sie eben im Justizministerium immer einen verlässlichen Partner hatten, der natürlich – wenn man nach den Wünschen der ÖVP-Familie geht , dann immer die entsprechenden Verfahren daschlogn hat.

Jetzt zum konkreten Anlass der Debatte, Herr Bundeskanzler: Eines war bei dieser Aus­kunftsperson am 10. März interessant. Es ist nämlich darüber gesprochen worden – und das ist vielleicht auch der Grund, warum der Herr Innenminister jetzt da ist –, ob sich Mitglieder der Bundesregierung Akten haben kommen lassen und Mitglieder der Bun­desregierung in Justizermittlungsakten hineingeschaut haben, ob sie da irgendetwas wissen wollten. Und, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, da hat sich herausgestellt – und das war das Spannende –, dass Sie sich einen Akt haben kommen lassen, dass Sie konkret in einen Akt hineingeschaut haben – zumindest wenn man der Aussage dieses Staatsanwaltes der WKStA folgt –, und das war der Akt, in dem es um die Causa Stadterweiterungsfonds geht.

Herr Bundesminister und Herr Innenminister, Sie beide wissen, worum es in dieser Causa geht. Ganz verkürzt gesagt: Es gibt diesen Stadterweiterungsfonds, da ist am Ende des Tages offensichtlich – das Gericht hat es dann anders gesehen, aber ich kom­me gleich dazu, warum – um Gelder gegangen, die nach Gutdünken verwendet worden sind, natürlich im Bereich der ÖVP-Familie, und es hat dort auch eine Anzeige gegeben.

Warum habe ich gesagt, dass es das Gericht anders gesehen hat? – Weil Sie – und, Herr Bundeskanzler, das ist der Grund, warum wir das so kritisch sehen – und Ihr Justizapparat dafür gesorgt haben, dass dieses Verfahren, in dem es darum ging, dass öffentliche Gelder von der ÖVP frei verteilt worden sind, regelrecht zerstückelt worden ist. Das war der Grund, warum Sie in dieses Verfahren hineingeschaut haben, das war der Grund, warum Herr Generalsekretär Pilnacek so intensiv dahinter gewesen ist, herauszufinden, was da Sache ist, und das hat dazu geführt, dass man eben dieses Verfahren – schlussendlich dann ganz klein gehackt –, mittlerweile rechtswirksam, ein­stellen konnte beziehungsweise dass man die beschuldigten Persönlichkeiten dann auch freigesprochen hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, worum es uns hier geht, ist aber Folgendes: Es ist uns vorenthalten worden, dass der Bundeskanzler in die Ermittlungsakten hinein­geschaut hat, es ist uns vorenthalten worden, dass es da ein Interventionsnetzwerk der ÖVP gegeben hat. Ich denke, unter diesem Aspekt sollte man diesen Freispruch schon einmal ganz anders sehen und sich einmal fragen, ob da nicht wesentliche Fakten ausgetauscht, weggeschoben oder sonst irgendetwas worden sind (Abg. Melchior: Geh bitte!), um am Ende des Tages einen Erfolg zu erzielen, der Ihnen, Herr Bundeskanzler, und Ihrer Volkspartei entsprochen hat. (Abg. Melchior: ... behaupten!)

Schiebt man diesen Fall jetzt zur Seite, Herr Generalsekretär Melchior, dann muss man sich auch noch etwas Weiteres anschauen: Schiebt man diesen Fall zur Seite und sagt, okay, passt, es ist der ÖVP geglückt, hier hineinzuintervenieren und dieses Verfahren zu daschlogn, wie es Herr Pilnacek immer wieder gesagt hat, bleibt trotzdem eine Frage über, Herr Bundeskanzler, und das ist die Frage, warum Sie uns in dieser Anfrage einmal mehr die Unwahrheit gesagt haben.

Herr Bundeskanzler, Sie haben definitiv gesagt, dass Sie weder in vergangenen Perio­den noch in der aktuellen Periode jemals einen Ermittlungsakt aus dem Justizministe­rium eingesehen hätten. Wir haben natürlich auch die Justizministerin dazu befragt, und die sagt, das ist absolut unüblich. So ein Ersuchen wäre weder gängig noch wäre es üblich, dass ein Bundesminister, ein Bundeskanzler das macht.

Ich stelle mir jetzt also schon die Frage: Wer hat jetzt wiederum gelogen? Wo ist jetzt wieder die Unwahrheit gesprochen worden? Hat der Staatsanwalt im Untersuchungs­ausschuss die Unwahrheit gesagt, und das unter Wahrheitspflicht, Herr Bundeskanzler, oder hat Herr Justizminister Moser die Unwahrheit gesagt? – Das würde mich interes­sieren! Und, Herr Bundeskanzler, haben Sie die Unwahrheit gesagt, weil es in diesem Fall eine billigere Unwahrheit ist, weil Sie dieses Mal nicht mit einem Verfahren bedroht gewesen sind, weil man ja im Interpellationsrecht noch daherfantasieren kann, was man möchte, ohne dafür irgendwelche Konsequenzen erwarten zu müssen?

Herr Bundeskanzler, darum geht es uns, darum geht es in dieser Frage. Wie gehen Sie mit der Wahrheit um? Wie gehen Sie mit dem Interpellationsrecht des Parlaments um? Warum nutzen Sie diese Anfragen immer wieder für irgendwelche taktischen Manöver, um Ihre vorgeblich blütenweiße Weste selbst reinzuhalten, Herr Bundeskanzler? – Darauf erwarten wir uns eine Antwort. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie müssten ja wissen, welche Konsequenzen es hat, wenn man ständig die Unwahrheit sagt. Wenn man das dann auch noch im Untersuchungsausschuss macht und dann schlussendlich mit der Ausrede kommt, die Befragung durch die Abgeordneten wäre so stressentwickelnd gewesen, dass man dann schon nahezu sein Gedächtnis verloren hätte, dann gar nichts mehr gewusst hat und so nervös gewesen ist, Herr Bundes­kanzler, dann stelle ich Ihnen schon die Frage: Wie können Sie dann trotzdem in Zeiten einer Krise diese Republik führen? Wie können Sie verschiedene andere Sachen machen? Und warum, Herr Bundeskanzler, sagen Sie diesem Parlament am laufenden Band die Unwahrheit? (Abg. Wöginger: So ein Blödsinn!)

Wir haben letzte Woche darüber gesprochen, da konnten Sie sich nicht daran erinnern, was Sie in Italien gesagt haben. Wir sprechen diese Woche darüber, da konnten Sie sich nicht daran erinnern, dass Sie in einen Ermittlungsakt, der hochrangige ÖVP-Beamte betroffen hat, hineingeschaut haben. Da sagen Sie, das stimmt nicht – Ministerin Zadić sagt das Gegenteil, Ihr Ex-Justizminister Moser sagt das Gegenteil, und vor allem sagt ein Staatsanwalt – unter Anführungszeichen – „unter Eid“ – sprich unter Wahrheitspflicht im Untersuchungsausschuss – das genaue Gegenteil aus.

Herr Bundeskanzler, das ist der Grund, warum wir Sie damit konfrontieren werden – auch in dieser Sitzung –, dass wir die Wahrheitspflicht erweitern wollen; dass es für uns wichtig ist, dass nicht nur im Untersuchungsausschuss die Wahrheitspflicht gilt, die Prä­sident Sobotka abschaffen möchte, sondern dass diese natürlich auch im Interpella­tionsrecht, bei den Anfragen gilt, und dass Sie uns einfach (Abg. Hanger: Haben Sie nichts mehr zu sagen, wenn die Wahrheit nicht gilt?!) nicht mehr ständig anflunkern können, Herr Bundeskanzler. (Beifall bei der FPÖ.)

Immer dann, wenn es ein bisschen hektisch wird, schreit Abgeordneter Hanger hinein. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Er wird jetzt hoffentlich wieder im Bild sein, er hat schon wieder die Maske auf, deswegen ist es mit der Durchlüftung nicht ganz optimal.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, wir werden von Ihnen auch im Interpellationsrecht die Wahrheitspflicht einfordern, wie wir sie auch von der gesamten ÖVP einfordern, auch von Kollegin Steinacker, und wir werden mit dem nächster Redner dazu einen entsprechenden Antrag stellen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.10

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundeskanzler. – Bitte.