15.35

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Mittlerweile gehört es ja leider fast zum Alltag dieses Hauses, dass die absoluten Basics des Miteinanders hier missachtet werden. Eines dieser absoluten Basics ist eine eherne Grundfeste und ein wesentliches Werkzeug des Parlaments, nämlich das Interpellations­recht, darüber wurde vorhin schon gesprochen.

Abgeordnete, also Vertreterinnen und Vertreter des Volkes, befragen Regierungsmitglie­der – die im Übrigen nicht Vertreterinnen und Vertreter des Volkes sind (Bundeskanzler Kurz: Na, was denn?) – nach deren Wirken und kontrollieren sie. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Üblicherweise haben sich diese Regierungsmitglieder früher zumindest die Mühe gegeben, den Anschein zu erwecken, dass man hier versucht, ernsthaft zu antworten, aber selbst damit hat es bei vielen Mitgliedern dieser Bundesregierung schon lange ein Ende. Man muss sich nur die Anfragebeantwortungen der Bundesministerin Raab an meinen Kollegen Yannick Shetty anschauen – die sind alle öffentlich: Da kann man nicht von Antworten sprechen! – oder die Anfragebeantwortung des Herrn Bundeskanzlers an meinen Kollegen Helmut Brandstätter, die er in der letzten Sondersitzung hier zitiert hat.

Wir erleben also eine ständige – im Übrigen jetzt auch gerade – und eigentlich nie da gewesene Geringschätzung des Parlaments, der Volksvertretung durch den Kanzler (Rufe bei der ÖVP: Unglaublich!) und auch durch manche Abgeordnete im Parlament selbst. (Beifall bei Abgeordneten der NEOS. – Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das Beklemmende, meine sehr geehrten Damen und Herren, das Beklemmende ist, dass eben auch die Parlamentsfraktionen vor allem der ÖVP, aber teilweise auch der Grünen im Koalitionszwang hier mitmachen, nicht bei den Anfragebeantwortungen wohl­gemerkt – das ist Sache der Regierung –, aber bei der eigentlich unmöglichen Art und Weise, wie auch heute wieder Gesetze beschlossen werden. Immer kürzere Begutach­tungsverfahren sind das eine Problem und das andere ist, dass die ja kaum mehr jemandem etwas bringen, wenn am Schluss ein ganz anderes Gesetz beschlossen wird als das, das begutachtet wurde.

Diese Geringschätzung erreicht ja fast wöchentlich neue Höhepunkte. Immer, wenn man glaubt: Das muss es jetzt einmal gewesen sein!, kommt der nächste Höhepunkt. Da rede ich jetzt nicht von dieser Anfragebeantwortung, um die es heute hier geht, sondern von der Wortmeldung des Bundeskanzlers vorhin zu dieser Sache, in der er ein Drittel der Redezeit dafür verwendet, seine Inszenierungsshow zum grünen Pass hier abzufeiern, wo es doch eigentlich um die Frage geht, ob er die Unwahrheit gesagt hat oder nicht.

Das ist einfach eine Geringschätzung, die wir so nicht akzeptieren können. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Worum geht es in dieser Causa heute? – Ich fasse das auch noch einmal kurz zusam­men. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ein Verfahren der Wirtschafts- und Korruptionsstaats­anwaltschaft gegen führende Beamte im Bundesinnenministerium und einen – die FPÖ sagt – ÖVP-Vertrauten wegen zweckwidriger Ausgabe von Geldern eines mittlerweile aufgelösten Wiener Stadterweiterungsfonds kam auf zumindest sonderbare Weise zum Erliegen.

Zuerst wurden anscheinend Ermittlungsakte sukzessive durchs BMI filetiert, klein ge­schnitten, sodass die Anklage dann am Schluss zahnlos war. Dann endete der Prozess in einem Freispruch – das ist gut und richtig –, wogegen die WKStA dann zwar Nichtig­keitsbeschwerde einlegte, diese aber im letzten Moment zurückzog. Irgendwann in diesem Zeitablauf soll sich der Bundeskanzler beim damaligen Bundesjustizminister erkundigt haben, wie das Verfahren steht, und das ist ja genau der Punkt: Hat er sich erkundigt oder nicht?

Wir wollen einfach nur die Wahrheit wissen. Die FPÖ wollte einfach nur die Wahrheit wissen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Der Bundeskanzler sagt, er hat das nie gemacht. Gleichzeitig gibt es die Aussage eines Staatsanwaltes im Untersuchungsausschuss unter Wahrheitspflicht, dass er sich laut Minister Moser schon erkundigt hat. Also da steht jetzt das Wort eines Kronzeugen unter Wahrheitspflicht gegen das Wort des Bundeskanzlers. Es ist doch wohl das Mindeste, dass man hier im Parlament thematisiert, was denn jetzt eigentlich die Wahrheit ist. (Abg. Eßl: Jetzt wisst ihr es!) Natürlich werden wir das in unsere Arbeit im Untersuchungsausschuss einfließen lassen und versuchen, das aufzuklären, denn diese Unklarheiten können wir natürlich so nicht stehen lassen.

Ich möchte aber mit etwas schließen, was mir hier allgemein wichtig ist: Herr Bundes­kanzler, auch werte Kollegen der ÖVP, die hier sehr eifrig darin sind, dazwischenzurufen (Abg. Wöginger: So ein Blödsinn!), diese Bundesregierung hat einen Weg eingeschla­gen, der unter Umständen auch bitter oder gefährlich für unser Miteinander, für unseren Staat enden kann. Ich appelliere an Sie, Herr Bundeskanzler Kurz, werte Bundesregie­rung, ich appelliere an Sie, diesen Weg nicht weiter einzuschlagen, sondern umzukeh­ren – zurück zu Anstand, zurück zu Ehrlichkeit und zurück zu einem ehrbaren Mit­einander! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das hat Österreich lange Zeit ausgemacht und das brauchen wir auch gerade jetzt zu Beginn des dritten Jahrtausends, wenn es darum geht, dass wir unser Land gestalten und in die Zukunft führen. Es gab noch nie so viel zu tun wie jetzt und wir alle würden uns, glaube ich, lieber mit dem Gestalten der Zukunft beschäftigen (Abg. Wöginger: Dann hört auf mit der Anpatzerei!), als damit, diese sonderbaren oder überhaupt scheinbar korrupten Vorgänge in der Bundesregierung zu behandeln. – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

15.40

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich danke dem Herrn Bundeskanzler und den Mitgliedern der Bundesregierung für ihr Kommen. (Abg. Matznetter: Gut, wenn Sie gehen ...! – Ruf bei der ÖVP: Das war wieder sehr qualitätsvoll, Herr Matznetter!)