10.07

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Damen und Herren! Es ist gut, dass es im Tourismus wieder bergauf geht, auch wenn es jetzt noch mit Einschränkungen und manchen Schutzmaß­nahmen verbunden ist. Es ist gut, dass die Beschäftigten in der Branche nach langer Zeit wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können, und es ist natürlich auch erfreu­lich, dass sich die Situation am Arbeitsmarkt dementsprechend entspannt.

Das alles geschieht deswegen, weil die Branche wieder aufsperren und ihre Arbeit machen kann. Dass das jetzt hier als Verdienst der Bundesregierung verkauft wird, ist nur schwer nachzuvollziehen. Wenn wir schon die Möglichkeit haben, hier über den Tourismus und über die Branche zu diskutieren, dann, glaube ich, Kolleginnen und Kollegen, ist es auch wichtig, dass wir über die Beschäftigten in dieser Branche reden.

Wie ist es den unzähligen Kolleginnen und Kollegen in den letzten Monaten im Touris­mus, in der Gastronomie, in der Hotellerie und in der Veranstaltungsbranche überhaupt ergangen? – Viele von ihnen haben ihren Job verloren, müssen dadurch auch mit weni­ger als der Hälfte oder mit rund der Hälfte des Einkommens ihren Lebensunterhalt be­streiten.

Viele der Kolleginnen und Kollegen im Tourismus hatten auch die Möglichkeit, die Kurzarbeit in Anspruch zu nehmen, aber trotzdem zeigen uns die Arbeitslosenzahlen, dass genau in diesem Bereich trotzdem Arbeitsverhältnisse aufgelöst werden, wie es leider in der Branche oft üblich ist. Jetzt zeigt sich, dass Kurzarbeit nicht nur für die Beschäftigten einen Vorteil gebracht hat, sondern auch für die Unternehmer und Unter­nehmerinnen in der Branche: Sie haben ihre Fachkräfte halten können.

Wir haben in den letzten Tagen immer wieder Meldungen gehört, dass Fachkräfte ge­sucht werden, dass im Tourismus Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht werden. Viele haben aber während ihrer Arbeitslosigkeit die Branche verlassen. Das hat natürlich viele Gründe: Ein Grund ist die Jobsicherheit. Wenn jemand in einer Branche schon mehrmals arbeitslos geworden ist, dann dürfen wir es ihm nicht verdenken, dass er sich nach einem Job umschaut, der mehr Sicherheit bringt. Viele haben es sich auch nicht mehr leisten können, in der Arbeitslosigkeit in ihrer Branche zu verharren und zu warten, bis man wieder aufsperren und an den Arbeitsplatz zurückkehren kann. Wir haben zahlreiche Anträge gestellt, das Arbeitslosengeld zu erhöhen, um den Menschen auch die Möglichkeit zu geben, diese Arbeitslosigkeit zu überbrücken.

Ein weiterer Grund ist, dass die Menschen genau das getan haben, was man von ihnen erwartet: Arbeitslose Menschen haben sich Arbeit gesucht, die allermeisten Menschen sind nämlich nicht gern arbeitslos. Wenn man hier im Haus die Forderung hört, dass das AMS arbeitslose Menschen aus dem Tourismus nicht mehr in andere Branchen vermitteln oder Umschulungen nicht mehr zahlen soll, dann ist das nicht zu verstehen. Die Menschen haben sich das so nicht verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn dann noch die abgedroschene Forderung nach Lockerung der Zumutbar­keits­grenze kommt: Kolleginnen und Kollegen, das wird mit den Menschen nicht machbar sein, das ist weltfremd. Die meisten Menschen haben Familie, sind in ein Umfeld einge­bettet, das es ihnen gar nicht ermöglicht, den Lebensmittelpunkt um Hunderte Kilometer zu verlegen. Da gibt es Kinderbetreuungspflichten – auch wenn es die Enkelkinder sind, auf die man aufpassen muss –, da gibt es Betreuungspflichten gegenüber den eigenen Eltern, wenn man sie pflegt oder für sie da sein muss oder will, weil sie nicht mehr so gut können.

Da braucht es andere Maßnahmen. Da braucht es Maßnahmen, damit Menschen wieder gerne im Tourismus arbeiten und dort Beschäftigung suchen. Die Maßnahmen sind Jobsicherheit, Ganzjahresbeschäftigung, geregelte Arbeitszeiten, soweit es möglich ist, angemessene Entlohnung, aber auch Weiterbildungsmöglichkeiten in der Branche. Da reden wir über Rahmenbedingungen, da reden wir über Arbeitsbedingungen, die wir so gestalten müssen, dass die Menschen motiviert in der Branche Beschäftigung suchen.

Weil wir gerade bei Rahmenbedingungen sind und dabei, wie wir mit Menschen um­gehen: Frau Bundesministerin, Sie sind ja für den Zivildienst zuständig. Das ist zwar erst morgen auf der Tagesordnung, aber ein paar Worte dazu: Morgen wird ein Schritt zur Angleichung der Behandlung von Wehrdienern und Zivildienern beschlossen, aber nur deshalb, weil der Verfassungsgerichtshof Bedenken hinsichtlich dieser Ungleichbe­hand­lung geäußert hat.

Mir scheint fast, dass Ungleichbehandlung in den letzten Monaten eine Regierungs­maßnahme geworden ist (Beifall bei der SPÖ) – anders kann man nämlich den aktuellen Entwurf zum Coronabonus nicht verstehen. Während Pflegerinnen und Pfleger, Ärztin­nen und Ärzte den Bonus erhalten sollen, sollen Zivildiener bei dieser Geschichte leer ausgehen, genauso wie Reinigungskräfte, die in Krankenhäusern beschäftigt sind, oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Patiententransport. Auch die Sanitäterinnen und Sanitäter im Rettungswesen haben keinen Anspruch auf den Coronabonus, egal wo sie beschäftigt sind – beim Samariterbund, beim Roten Kreuz und so weiter.

Bemühen wir uns um gute Rahmenbedingungen, bemühen wir uns um gute Mitar­beite­rinnen und Mitarbeiter, dann wird der Öffnung und einer guten Saison nichts im Wege stehen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.12

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Angerer. – Bitte sehr.