10.29

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Minister! Hohes Haus! Ja, in den letzten Monaten haben wir dank dieser Bundesregierung einen Lockdown nach dem anderen erlebt. Viele Angestellte wurden monatelang zum Nichtstun gezwungen, und das, obwohl wir genau wissen, wie wenig Lockdowns bringen und wie schädlich sie in Wahrheit sind – schädlich für die Wirtschaft, für die Gesundheit und vor allem für die Arbeitsleister. Wie Sie alle wissen, waren wir deswegen schon immer entschiedene Gegner von Lockdowns. Allerdings muss ich auf der anderen Seite ehrlich gesagt zugeben, dass ich mir in letzter Zeit öfter, wenn ich mir die Initiativen und Vorschläge der EU-Kommission angesehen habe, einen Lockdown schon fast gewünscht hätte, nur um uns diese ständigen Eingriffe in unsere nationalstaatliche Souveränität und diese ständigen absurden Vorschläge der EU zu ersparen. Das, sehr geehrte Damen und Herren, wäre ein sinnvoller Lockdown gewesen, das hätte Österreich so einiges erspart. (Beifall bei der FPÖ.)

Leider ist offenbar das Gegenteil der Fall. Die Betriebsmotoren laufen seit Monaten auf Hochtouren, nur leider fährt die EU wieder einmal in die vollkommen falsche Richtung. Auf EU-Ebene erleben wir einen Tabubruch nach dem anderen, angefangen von der Schuldenunion, europäischen Anleihen, EU-Steuern bis hin zum neuesten bedenklichen Vorschlag der Bargeldbegrenzung und natürlich der damit einhergehenden Totalüber­wachung.

Endlich kann die EU all die Dinge umsetzen, die sie schon seit so vielen Jahren möchte. Endlich ist all das möglich, was nie ging. Unter dem Deckmantel von Corona, unter dem Deckmantel der Solidarität und – nicht zu vergessen – natürlich aufgrund der angeblichen Alternativlosigkeit, die immer behauptet wird, missbraucht die Europäische Union diese Krise, um ihre Macht gewaltig zu erweitern und ihre Kompetenzen noch mehr auszubauen. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist auf das Schärfste zu verur­teilen! (Beifall bei der FPÖ.)

Erst in der vergangenen Nationalratssitzung hat die Bundesregierung gemeinsam mit den anderen Oppositionsparteien und gegen die Stimmen der FPÖ einen der weit­reichendsten Beschlüsse im Zusammenhang mit der Europäischen Union seit der Ein­führung des Euro gefasst. Fernab der medialen Öffentlichkeit wurde der EU-Wieder­aufbaufonds beschlossen und damit der Weg in eine fatale Schuldenunion geebnet. 750 Milliarden Euro darf die EU nun an Schulden aufnehmen und dafür Anleihen ausgeben. Endlich hat sie das geschafft, was sie bereits seit der Finanzkrise 2008 wollte – Corona sei Dank! Wir zahlen und haften jetzt endlich für die Schulden von Pleitestaaten wie Italien, Spanien oder Griechenland, und das, obwohl zigtausend Men­schen in Österreich noch immer dringend auf Hilfe warten und vor dem Nichts stehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Solidarität ist schön und gut, aber was ist mit der Solidarität gegenüber der eigenen Bevölkerung? (Beifall bei der FPÖ.) Was ist mit der Solidarität gegenüber den nächsten Generationen, die Sie damit ausbluten? Die sind Ihnen anscheinend vollkommen egal.

2008 – und das ist besonders erstaunlich – war die ÖVP sogar noch dagegen. Sie ist aber wieder einmal umgefallen. Werte Kollegen von der ÖVP, ich muss jetzt diejenigen ansprechen, die damals vielleicht noch dabei waren: Herr Kollege Lopatka – Herr Kollege Haubner ist gerade nicht hier –, was sagen Sie eigentlich zu dieser Entwicklung? 2008 waren Sie dagegen. Hätten Sie es für möglich gehalten, dass Sie unter einem türkisen Anstrich und Bundeskanzler Kurz so die Meinung ändern müssen? Es ist zurzeit nicht leicht, ein Türkiser zu sein, sehr geehrte Kollegen von der ÖVP, ich weiß! (Zwi­schenruf des Abg. Ottenschläger.)

Das Erstaunliche ist ja – ich weiß nicht, ob Sie das noch wissen –, dass das ursprünglich ein sozialistisches Projekt war, das Sie damals abgelehnt haben. Es waren nämlich die europäischen Sozialdemokraten, die das immer wollten – logisch, denn es ist in Wahrheit ja auch nichts anderes als eine gewaltige Umverteilung von reicheren hin zu ärmeren Ländern. Das heißt, Sie stimmen offiziell dieser Umverteilung zu. Bei den Ärmeren reden wir nicht von Ländern, die unverschuldet ärmer sind, sondern wir reden von Ländern, die vor allem deswegen so schlecht dastehen, weil sie vorher schon schlecht gewirtschaftet und sich eben nicht an die Fiskalregeln gehalten haben.

Sie stimmen einer Umverteilung zu und führen damit auch das von Ihnen ständig betonte Leistungsprinzip ad absurdum. Schlechtes Wirtschaften lohnt sich – das ist ein Konzept, das wir normalerweise von den Sozialdemokraten kennen. Schulden, Schulden und noch mehr Schulden und weg von Österreich umverteilen – das kennen wir von denen, aber nicht von Ihnen. Sie sollten diese Vorgehensweise einmal überdenken, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Österreich wird aus dem Fonds 3,7 Milliarden Euro bekommen. Dafür werden wir um die 12 Milliarden Euro, wenn nicht sogar noch viel mehr, zahlen müssen, da wir dank Ihnen ja jederzeit für die Tilgung der Schulden anderer Staaten herangezogen werden können, ohne dass wir erneut dazu gefragt werden müssen. Ich sage nur: Gute Nacht, öster­reichische Budgethoheit!

Dazu kommt auch noch, dass dieser Beschluss eindeutig EU-rechts- und verfassungs­widrig ist. Das spielt für Sie aber offenbar eh keine Rolle, wie wir an den unzähligen Rechts- und Verfassungsbrüchen in den letzten Monaten erkennen können. Verfas­sungsgemäß: Das ist keine Kategorie mehr, in der Sie denken; das Legalitätsprinzip: egal; die Interessen der österreichischen Steuerzahler: vollkommen egal. Ich frage mich in solchen Situationen ja immer, wo der Bundespräsident eigentlich bleibt, wenn man ihn einmal braucht. Er redet immer von der Schönheit der Verfassung, und wenn sie dann wirklich in Gefahr ist, versteckt er sich in der Hofburg und es ist überhaupt nichts mehr von ihm zu hören. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben extra ein eigenes Gutachten vom renommierten Verfassungsexperten und Universitätsprofessor Geistlinger erstellen lassen, der diese Verfassungswidrigkeit klar aufgezeigt hat, und nein, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, das sind keine juristischen Spitzfindigkeiten, wie Sie das immer gerne zum Ausdruck bringen. Das wird Sie früher oder später auch noch einholen, und dafür werden Sie sich verantworten müssen.

Herr Professor Geistlinger hat sowohl Ihnen, Herr Bundeskanzler, als auch dem Bun­despräsidenten seine Expertise und Beratung diesbezüglich angeboten, doch Sie beide hatten natürlich kein Interesse daran. Warum auch, wenn die EU – und da ist natürlich auch Österreich mit an Bord – gerade an der größten Weichenstellung der EU-Ge­schichte, nämlich an der Entwicklung der Europäischen Union hin zu einem budgetierten Staat, arbeitet? Das wollen weder wir, sehr geehrte Damen und Herren, noch will das die österreichische Bevölkerung. Das werden Sie spätestens bei der nächsten Wahl zu spüren bekommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir werden uns natürlich auch weiterhin dagegen zur Wehr setzen und nicht locker lassen, denn diese Schulden- und Transferunion wird natürlich auf Dauer bleiben, das haben sowohl der deutsche Bundesfinanzminister Scholz, der deutsche Bundesrech­nungshof, der EU-Parlamentspräsident als auch EZB-Präsidentin Lagarde bestätigt. Und es ist bisher alles, was in Krisenzeiten in der EU eingeführt wurde, auf Dauer geblieben – so geschehen auch beim ESM. Wir werden uns vor allem auch deswegen weiterhin zur Wehr setzen – ich habe es schon oft gesagt –, weil das Einstehen für Schulden dazu führt, dass immer mehr Schulden gemacht werden. Sehr geehrte Damen und Herren, das No-Bail-out-Prinzip steht aus einem bestimmten Grund in der europäischen Wirt­schaftsverfassung, und es soll natürlich erhalten bleiben.

Ich kann aber jetzt schon sagen: All das Geld, das jetzt in diese Länder fließt, wird am Ende verpuffen, und dann bleibt nur ein noch größerer Schuldenberg. Man darf auch nicht vergessen, dass die EU schon vor der Coronakrise einen unverantwortlichen Schuldenberg angehäuft hat. Die EZB hat bereits unglaubliche 4 Billionen Euro an Staatsanleihen gekauft, durch die sie seit Jahren vertragswidrig eine monetäre Staats­finanzierung genau dieser maroden Länder betreibt und den Markt mit einer Unmenge an Geld flutet. Genau deswegen erleben wir seit Jahren eine Nullzinspolitik, durch die die Sparer enteignet werden. Genau deswegen haben wir jetzt in der Krise auch keinen geldpolitischen Spielraum. Die EU hat mit ihrer Geld- und Finanzpolitik dafür gesorgt, dass die Schulden ins Unermessliche steigen und der Euro auf mehr als wackeligen Beinen steht, und die Inflationswelle, die noch kommt, wird uns besonders hart treffen.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, es reicht Ihnen und der EU aber offenbar nicht, den Bürgern das Geld aus der Tasche zu ziehen und ihnen einen Schuldenrucksack umzu­hängen, der sie über Generationen hinweg belasten wird. Die EU will auch wissen, was die Bürger mit dem Geld, das ihnen nach all diesen Maßnahmen noch bleibt, so anstellen. Da wären wir schon beim nächsten Schritt der EU auf ihrem fatalen Irrweg, nämlich bei der geplanten Begrenzung des Bargelds auf maximal 10 000 Euro, die natürlich den ersten Schritt in Richtung einer schleichenden Bargeldabschaffung, vor der wir schon seit vielen Jahren warnen, darstellt.

Laut Vorschlag der EU-Kommission soll eine Bargeldgrenze bei 10 000 Euro eingeführt werden. Als Grund dafür nennt die EU-Kommission die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung, was insbesondere deswegen absurd ist, da ja gerade Krypto­währungen wie Bitcoin dafür bekannt sind, dass sie für solche Machenschaften gerne missbraucht werden. Die zuständige Kommissarin begründet das noch niedlicher, muss ich fast sagen, nämlich damit, dass das Geld einfach viel zu schwer zu tragen ist. Ich finde es ja toll, dass sich die Kommission jetzt um die Rückenleiden der Bevölkerung kümmert. Auch die Bundesregierung bewirbt das bargeldlose Zahlen, aber vor allem wegen Corona und der Hygiene. In Wahrheit, sehr geehrte Damen und Herren, sind all diese Dinge zweitrangig. In Wahrheit geht es um etwas ganz anderes, nämlich um den gläsernen Bürger und um Daten – um nichts anderes geht es da.

10 000 Euro klingt vielleicht nach viel. Ich kann jetzt schon versprechen, dass aus den 10 000 Euro bald 500 Euro werden, irgendwann landen wir bei 0 Euro, und damit einhergehend landen wir bei einer totalen Überwachung, Kontrolle und Steuerbarkeit der Bürger. Das Gute aus Sicht der EU ist, dass sie damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann. Einerseits kann der Bürger überwacht werden, andererseits ist es, neben der geplanten Einführung europäischer Steuern, wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, wieder aus dem Schuldenberg herauszukommen. Man erinnere sich an die Finanz­krise 2007, als die jetzige EZB-Präsidentin Lagarde gesagt hat, man müsse ja nur jeden Sparer um 10 Prozent enteignen, damit wären die Schulden getilgt. Diese Dame ist jetzt EZB-Präsidentin, das muss man sich einmal vorstellen!

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordnete Petra Steger (fortsetzend): Gibt es kein Bargeld mehr, genügt natürlich ein einfacher Knopfdruck, um die Schulden zu begleichen. Aus diesem Grund kommt die Bargeldobergrenze, aus diesem Grund gibt es auch den Vorschlag zur Einführung einer digitalen Währung, eines digitalen Euros und vieles weiter. Aus diesem Grund werden wir uns auch entschieden und mit allen politischen Mitteln dagegen zur Wehr setzen, das kann ich Ihnen jetzt schon versprechen, sehr geehrte Damen und Herren.

Zum Abschluss: „Geld ist geprägte Freiheit“, das hat schon der russische Schriftsteller Dostojewski im 19. Jahrhundert geschrieben. Wir als Freiheitliche sind jedenfalls der Meinung, dass es weder den Staat noch eine Bank etwas angeht, was wir wann und wo kaufen. Für die FPÖ ist die Freiheit der Österreicher, die Freiheit der Bürger das oberste Prinzip, und aus diesem Grund werden wir uns auch weiterhin gegen diesen EU-Über­wachungswahnsinn zur Wehr setzen. Aus diesem Grund fordern wir zum wiederholten Male - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Darf ich Sie bitten, zum Schluss zu kommen! Sie haben Ihre Zeit schon sehr überschritten.

Abgeordnete Petra Steger (fortsetzend): Schlusssatz: Schützen wir unser Bargeld in unserer Verfassung, und schützen wir damit endlich die Freiheit unserer Bürger! (Beifall bei der FPÖ.)

10.40

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundeskanzler. Das Wort steht bei ihm. – Bitte sehr.