10.40

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Karoline Edtstadler! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich darf vielleicht zunächst einmal erleichtert und positiv beginnen. (Abg. Kickl: ... der Freude über das Korruptionsvolks­begehren Ausdruck verleihen!) Wir haben Gott sei Dank eine sehr gute Entwicklung, was die Pandemie betrifft. Die Ansteckungszahlen sinken weiterhin, die Zahl der Geimpften steigt rasant an, die Situation ist eine immer bessere. Wir können getrost sagen, dass wir das Schlimmste hinter uns haben. Ich glaube, ich spreche da für die gesamte Bevölkerung – alle sind froh, dass wir Schritt für Schritt zur Normalität zurückkehren und unser Leben endlich auch wieder genießen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir liegen auch im europäischen Vergleich gut. Wir sind unter den Ländern mit den niedrigsten Infektionszahlen, wir sind unter den Ländern, die einen guten Impffortschritt haben (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), wir liegen bei allen Vergleichswerten immer im besten Drittel und können insofern zufrieden sein, dass wir uns als Republik Österreich gut machen.

Auf der anderen Seite aber – das möchte ich auch erwähnen – ist es für uns nicht irre­levant, wie die Situation in anderen Ländern ist, denn was sowohl die Gesundheits­situation im Kampf gegen die Pandemie als auch die wirtschaftliche Situation betrifft, sind wir eng verwoben, insbesondere mit den anderen europäischen Ländern. Daher bin ich froh, dass die Situation sich in allen europäischen Ländern positiv entwickelt, dass die Pandemie Schritt für Schritt zurückgedrängt werden kann und dass das natürlich auch dazu führt, dass die Wirtschaft wieder anspringt und wir endlich wieder eine sehr, sehr positive Entwicklung in diesem Bereich haben.

Die Wirtschaftsforscherinnen und Wirtschaftsforscher korrigieren ihre Prognosen stetig nach oben, wir rechnen in Österreich in diesem Jahr mit einem Wachstum von rund 3,5 Prozent. Das sind nicht nur Zahlen, Daten und Fakten, sondern das bedeutet, dass viele Menschen endlich wieder in ihre Jobs zurückkommen können, dass wir die Arbeitslosigkeit zurückdrängen können und dass Menschen endlich wieder das tun können, was in einer Gesellschaft das Wichtigste ist, nämlich ihr Geld selbst verdienen, um für ihre Familie und ihre Lieben zu sorgen. Das ist es, wofür wir kämpfen, und es ist schön, zu erleben, dass das jetzt auch endlich wieder stattfindet, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ihre Wortmeldung, sehr geehrte Frau Abgeordnete (in Richtung Abg. Steger), war natürlich in einer auch zu erwartenden Art und Weise von einem sehr kritischen Blick auf Europa geprägt. (Abg. Kickl: ... vor allem auch auf Sie! – Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Ich möchte daher eingangs schon noch betonen, dass wir in vielen Bereichen einfach eine sehr starke Verwobenheit mit unseren Nachbarländern sowie auch mit allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben. Wir als Republik Öster­reich verdienen 6 von 10 Euro im Export, unsere wichtigsten Handelspartner sind euro­päische Länder, wir sind ein Tourismusland, wir haben 15 Prozent unserer Wertschöp­fung in Tourismus, Sport und Freizeitwirtschaft.

Wir wissen, wie schmerzhaft es war, die Phase zu erleben, in der der Tourismus still­gestanden ist, und wir sind froh, dass in diesem Sommer wieder viele Gäste aus Deutschland und anderen Ländern zu uns kommen werden. Insofern sollten wir über die positive Entwicklung, die es derzeit Gott sei Dank in der Europäischen Union gibt, froh sein; wir sollten über den Impffortschritt, über das Zurückdrängen der Ansteckungs­zahlen froh sein; und wir sollten ein gesundes Interesse daran haben, dass sich die Wirtschaft nicht nur in Österreich, sondern auch darüber hinaus gut entwickelt, weil das unmittelbare Auswirkungen auf unseren Standort und die Arbeitsplätze in Österreich hat, sehr geehrte Frau Abgeordnete! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wo ich Ihnen recht geben muss: Ja, es stimmt, wir haben in der Krise sehr viel investiert. Wir haben sehr viel in die Hand genommen, wir haben 35 Milliarden Euro investiert, aus­gegeben, zugesagt – wie auch immer Sie es formulieren wollen. Es war für mich eine gewisse Überwindung, das gebe ich zu, denn Sie wissen, da Sie mich, glaube ich, auch in der Zusammenarbeit in der Koalition stets erlebt haben: Mir ist ein ausgeglichenes Budget wichtig. Ich bin irrsinnig stolz darauf, dass wir es, auch gemeinsam mit den Freiheitlichen in der Regierung, nach 60 Jahren Schuldenpolitik zustande gebracht haben, einen Budgetüberschuss zu erwirtschaften. Es war daher eine harte Entschei­dung, dem Prinzip „Koste es, was es wolle“ zu folgen, Geld in die Hand zu nehmen, um die Krise zu bekämpfen. (Abg. Leichtfried: Wer war Finanzminister in den letzten 30 Jahren hier?)

Ich bin aber fest davon überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war. Wir haben mit der Kurzarbeit, mit den Wirtschaftshilfen und vielen anderen Investitionen sichergestellt, dass Arbeitsplätze gerettet werden, dass Menschen ihre Jobs nicht verlieren, dass Betriebe diese Krise überleben und wir wirtschaftlich aus dieser Krise schnell wieder herauskommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich stehe dazu, dass wir diesen Weg gegangen sind, weil er richtig und notwendig war, genauso wie es notwendig ist, alles zu tun, um das Budget jetzt Schritt für Schritt wieder in eine richtige Richtung zu entwickeln und die Schuldenpolitik auch wieder zu beenden. (Abg. Kickl: Der falsche Spickzettel! Zwischenruf der Abg. Steger.)

Was die Europäische Union betrifft: Da gab es harte Verhandlungen, Sie haben das mitverfolgt. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Ich habe gemeinsam mit den frugalen vier dafür gekämpft, dass es nicht zu einer Schuldenunion in der Europäischen Union kommt. (Abg. Belakowitsch: Aber leider haben Sie es nicht durchgesetzt!) Wir haben dafür gekämpft, dass unser österreichischer Rabatt auf ein massives Ausmaß erhöht wird; wir haben dafür gekämpft, dass, wenn Geld ausgegeben wird, es richtig investiert wird – in Digitalisierung, in die grüne Transformation, in Bereiche, die uns nachhaltiger und resilienter machen (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Wurm) –, und ich bin sehr froh, dass wir uns so intensiv eingesetzt haben. Es war anstrengend, es war kräfteraubend, es war mit sehr viel Reibung verbunden, es war aber ein richtiger, notwendiger und guter Kampf, und ich bin mit dem Ergebnis sehr, sehr zufrieden. (Abg. Belakowitsch: Das meinen Sie jetzt aber nicht ernst, oder?) Wir haben uns in die Verhandlungen eingebracht, wir haben vieles in die richtige Richtung bewegt – und ja, ich stehe auch dazu, dass es in einer Jahrhundertkrise wie dieser wichtig ist, dass auch auf europäischer Ebene zur Krisenbewältigung (Abg. Steger: ... EZB ...!) und zum Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft Geld in die Hand genommen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zu guter Letzt, sehr geehrte Frau Abgeordnete: Was das Bargeld betrifft, brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, solange die Volkspartei regiert und solange ich Bun­deskanzler sein darf. (Abg. Kickl: Ja!) Wir haben eine klare Position zu technischen und digitalen Zahlungsmitteln: Das ist eine gute Ergänzung (Abg. Kickl: Das sind aber keine guten Perspektiven für das Bargeld!), das wird von mehr und mehr Menschen ange­nommen, und wir sind froh, dass wir diese Möglichkeiten haben. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Das Bargeld – und da bin ich absolut bei Ihnen – ist ein Stück Freiheit und im Zahlungsverkehr und im alltäglichen Geschäftsverkehr genauso wichtig wie andere Zahlungsmittel. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden uns daher selbstverständlich auch auf europäischer Ebene weiterhin dafür einsetzen (Abg. Steger: Schreiben wir es in die Verfassung!), werden allem, was dem widerspricht, keine Zustimmung erteilen (Abg. Kickl: Wir schreiben es gemeinsam in die Verfassung!), und ich lade Sie ein: Werfen Sie einen Blick in unser Regierungspro­gramm, auch da haben die Grünen und wir als Volkspartei das gemeinsam verankert! (Abg. Kickl: Schreiben wir es in die Verfassung!) – Sehr geehrte Damen und Herren, ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.48

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lopatka. – Bitte.