12.06

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Den zweifelhaften Umgang dieser Re­gierung mit rechtsstaatlichen Prinzipien, mit der Demokratie, mit dem Parlamen­tarismus sind wir ja leider schon einige Zeit gewöhnt. Ich glaube, es hat mit der Bemer­kung des Bundeskanzlers begonnen, dass verfassungswidrige Verordnungen lediglich „juristische Spitzfindigkeiten“ sind, hat sich dann weiterentwickelt und endet in Attacken auf Staats­anwälte, die ermitteln, in Attacken auf den Rechtsstaat, in Attacken auf die Verfassung. Das ist das, was derzeit in Österreich geschieht.

Und was noch geschieht, ist, dass die Regierungsparteien und die Regierung versuchen, dieses Parlament, dieses Hohe Haus möglichst kleinzuhalten, möglichst unauffällig zu halten, möglichst dafür zu sorgen, dass hier nichts Substanzielles passiert. Das ist nicht unser Zugang zum Parlamentarismus, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Das zeigt sich an einigen Beispielen. Meine Damen und Herren von der ÖVP, ich kann mich gut erinnern, bei der letzten Nationalratssitzung ist Kollege Obernosterer hier gestanden und hat gesagt: Bitte, diskutieren wir endlich über Inhalte! Lassen wir uns über Inhalte streiten, setzen wir uns damit auseinander! Die Menschen sollen sehen, was wir für einen unterschiedlichen Zugang zu den Themen haben. Und was ist vor Kurzem passiert? – Die Regierungsparteien haben 57 Oppositionsanträge vertagt. Wenn das über Inhalte diskutieren ist, geschätzte Damen und Herren, dann brauche ich diese Diskussionen so sicher nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn die ÖVP Diskussionen nicht verhindern kann, schaut man, dass das, was schmerzt, was die Menschen interessiert, was die Menschen sehen wollen, um beurteilen zu können, wie sich eine Partei verhält, was sie tut, möglichst spät drankommt, damit das möglichst nicht gesehen wird, damit das möglichst wenige Menschen sehen. Das ist nicht Parlamentarismus, das ist nicht im Parlament arbeiten, das ist nicht diskutieren, geschätzte Damen und Herren, das ist Parlamentarismus à la ÖVP, den wir nicht brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man mit einer Debatte nicht mehr zurechtkommt, werden sogar Europaerklä­run­gen aus dem Hut gezaubert, um die Diskussion über die Ministeranklage gegen Herrn Blümel auf möglichst spät zu verschieben (Abg. Wöginger: Seid ihr jetzt gegen Europa auch schon?), um zu verhindern, dass die Menschen wieder daran erinnert werden, wie Herr Blümel die Verfassung gebrochen hat, dass er sich geweigert hat, Akten zu liefern, dass es den Bundespräsidenten gebraucht hat, der beinahe Exekution geführt hat, damit der Untersuchungsausschuss dieses Hauses zu seinem Recht kommt, zu dem Recht, das wir eigentlich alle einfordern müssen und hinter dem wir gemeinsam stehen müssen, damit aufgeklärt wird und damit die Dinge ans Licht kommen, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Spärlicher Applaus!)

Darüber, Kolleginnen und Kollegen von der türkisen ÖVP, wollen Sie nicht reden, dafür schämen Sie sich, zumindest einige von Ihnen, davor haben Sie Angst. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Weil Sie es nicht verhindern können, versuchen Sie, es auf einen möglichst späten Zeitpunkt zu verschieben. Das ist inakzeptabel für ein Parlament, geschätzte Damen und Herren (Beifall bei der SPÖ Abg. Wöginger: Halb zwei, halb zwei!), deshalb bringen wir gemäß § 50 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Nationalrates eine Einwendung gegen die Tagesordnung der 111. Sitzung samt Verlangen auf eine Debatte ein.

Gegenstand der Einwendung ist Tagesordnungspunkt 2: Bericht des Verfassungsaus­schus­ses über den Antrag 1581/A der Abgeordneten Leichtfried, Kickl, Scherak, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Ministeranklage gemäß Art. 142 Abs. 2 lit. b B-VG wider den Bundesminister für Finanzen. Hinsichtlich dieses Tagesordnungspunkts wird eine Vorreihung als Tagesordnungspunkt 1 an die Spitze der Tagesordnung beantragt.

Geschätzte Damen und Herren, mein Appell: Herr Bundesminister Blümel hat die Ver­fassung gebrochen. Geben wir dem Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit, darüber zu befinden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenruf bei der ÖVP.)

12.11

Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch zu Wort gemeldet. – Bitte.