14.19

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Frau Minister, ich gebe Ihnen recht: Wenn man Europa weiterentwickeln will, dann muss man auch die kritischen Punkte beleuchten. Man muss das tun, damit Entwicklung entsteht, denn wenn wir ehrlich sind, dann funktioniert Europa in sehr vielen Bereichen, so wie es heute ist, für die ganz normalen Menschen nicht mehr. Wir erleben Steuerdumping untereinander, die Steuerflucht großer Konzerne und ein Lohndumping, das vor allem auch Österreich trifft.

Bei großen Themen vom Klimawandel bis hin zu Corona sehen wir ein Ächzen und Mühen und erleben letztlich, dass das Band, das uns in Europa zusammenhält, doch sehr dünn geworden ist. Frau Ministerin, da muss man dann, glaube ich, schon auch darüber nachdenken, welche Verantwortung diesbezüglich auch die österreichische Bundesregierung hat, denn wenn wir Sie dabei beobachten, wie Sie auf europäischer Ebene auftreten und wirken, dann stellen wir fest, dass Sie meistens nicht um den Kompromiss bemüht sind, sondern diejenigen, die noch zusätzlich Öl ins Feuer gießen, und das wird der europäischen Integration nicht dienlich sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir heute davon reden, dass wir die Bürgerinnen und Bürger in diesem Dialog beteiligen wollen – und, ja, auch müssen –, dann möchte ich an dieser Stelle schon auch die Frage stellen: Wo war dieser Beteiligungsprozess bei den Geldern für den Recovery­fund? – Sie (in Richtung Bundesministerin Edtstadler) waren dafür zuständig, das in Österreich zu koordinieren. Die Gemeinden, die Städte, die Initiativen, die Bürgerinnen und Bürger hatten nicht die Möglichkeit, sich ausreichend zu beteiligen. Sie hatten nicht die Möglichkeit, bei den 3,5 Milliarden Euro für unser Land mitzuwirken, und dort hätten wir, glaube ich, im Sinne einer weiteren Integration und eines besseren Images für das europäische Projekt Beteiligung als wichtige vertrauensbildende Maßnahme ermög­lichen müssen. Das hat nicht stattgefunden. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist doch die Wahrheit! Sie fragen hier heute: Warum ist das Image so schlecht? – Andreas Schieder hat es, glaube ich, gut auf den Punkt gebracht (Abg. Haubner: Der hat noch nie etwas auf den Punkt gebracht! – Ruf bei der ÖVP: Geh bitte!): weil Sie die Europäische Union zum Mistkübel der Innenpolitik degradiert haben! Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen – das stellt man nämlich fest, wenn man Ihre Aus­sendungen und auch Ihre populistischen Ansagen auf Kosten des europäischen Projek­tes verfolgt. (Beifall bei der SPÖ.)

Da sage ich Ihnen eines: Frau Schmiedtbauer hatte wahrscheinlich, so habe ich es gehört, einen Freud’schen Versprecher, denn sie hat vom EU-Geschäftsmodell ge­sprochen, und so kommt es mir bei Ihnen auch ab und zu vor. (Zwischenruf des Abg. Haubner.) Für Sie ist Europa ein Geschäftsmodell; wir verstehen Europa als Sozial­union, die uns im sozialen Fortschritt helfen soll, Ungerechtigkeit zu überwinden, und da ist der Mindestlohn, wie vorhin schon erwähnt, einer der wichtigsten Punkte, auch für unser Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie dieser Initiative auf europäischer Ebene entgegenwirken, dann arbeiten Sie gegen die Interessen der österreichischen Bevölkerung, dann arbeiten Sie gegen die Interessen der österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, weil Sie durch die Maßnahmen, die Sie auf europäischer Ebene betreiben, den Druck auf die ganz normalen Leute in diesem Land erhöhen. Das Prinzip der Gewinnmaximierung für ein paar wenige, das für Sie das Wichtigste ist, sollten wir dringend durch ein Prinzip ersetzen, das da heißt: Mensch vor Profit, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ.)

So soll Europa funktionieren: nicht im Kleingeiste mit Ungarn, sondern im Hinblick darauf, dass wir in einem globalen Markt gegenüber den USA und China bestehen müssen, dass wir Initiativen zu betreiben haben, die die europäische Industrie schützen, begleiten und bei denen sich die Politik und auch die Staaten aktiv einbringen. Wir brauchen jetzt den Mut zur Einigung, aber nicht für die Interessen der Großen, sondern für die Interessen der Bevölkerung, der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Dieses Europa wünsche ich mir: eines, das wieder darüber diskutiert, wie wir sozial gerechter werden können. Da hatte Abgeordnete Herr vollkommen recht: Sie haben tolle Erklärungen gemacht, aber letztlich haben Sie kein Wort darüber verloren, wie wir die Sozialunion begründen – und dort brauchen wir die ersten und wichtigen Schritte, damit die Bürgerinnen und Bürger in dieses so wichtige Projekt wieder mehr Vertrauen haben. Darum bitte ich Sie. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.24

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Dr. Susanne Fürst. – Bitte, Frau Abgeordnete.