21.52

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Es ist immer schön, nach dem Kollegen Hörl zum Rednerpult kommen zu können. Ich wollte aber jemand anderem aus der Kolle­genschaft antworten, nämlich Kollegen Obernosterer. Er hat vorhin Jeffrey Franks vom IWF zitiert, als er gesagt hat, es braucht vermutlich keine Sparpakete, weil die Budget- und Finanzlage in Österreich in einem so guten Zustand ist, und dass man da in der Vergangenheit gut gearbeitet hat.

Lieber Kollege, du hast nur zwei Punkte vergessen, die er auch gesagt hat. Er hat fest­gestellt: Eine Sache, die für Österreich ganz dringend ist, ist die Einführung eines CO2-Preises – am Anfang 25 Euro, später bis zu 100 Euro – und quasi eine Finanzierung der grünen Technologien sowie eine Entlastung bei den Arbeitseinkommen, damit es in Summe keine Mehrbelastung für die Bevölkerung gibt. Das hat er genauso gesagt, wie dass es kein Sparpaket braucht. Und er hat noch etwas angemerkt. (Abg. Hörl: Moment, Moment!) Das Zweite, das er angesprochen hat, war die Digitalisierung. Ich habe mir das angeschaut. Es gibt zwar einzelne Teilbereiche, in denen Österreich in der Digita­lisie­rung gut aufgestellt ist, mehrheitlich hinkt es aber im europäischen Vergleich deutlich nach, und ich befürchte, damit hat er nicht nur das Kaufhaus Österreich gemeint. Das muss man schon einmal festhalten.

Das heißt, der IWF sagt, die Hausaufgaben wurden in der Vergangenheit gut gemacht, für die Zukunft aber sind wir nicht gut aufgestellt. Diesen Teil hätte ich mir auch von dir gewünscht.

Als Beispiele für die Gesamtarbeit der Regierung möchte ich noch zwei andere Punkte nennen, nämlich einerseits den NRP, also den nationalen Reformplan, den wir auch im Ausschuss gehabt haben. Es ist schon sehr spannend – und auch der Budgetdienst hat es kritisiert –, dass es zwar jährliche Reformvorhaben gibt, über die berichtet wird, dass sie aber in einem viel zu geringen Ausmaß sowohl mit der Budgetsituation wie auch mit der Finanzsituation abgeglichen werden. Das heißt, Österreich berichtet brav mögliche Reformvorhaben, beziffert aber nicht in einem ausreichenden Grad, was das überhaupt bringt. Man kann nachher – wenig überraschend – natürlich schwer nachprüfen, ob das Potenzial gehoben worden ist. Wenn man sagt, man braucht eine Reform, und dann, man hat eine Reform gemacht, am Schluss aber nicht nachweisen kann, dass man etwas eingespart hat, dann ist man – wenig überraschend – total am ÖVP-Erfolgskurs.

Das ist genau das, was wir nicht brauchen. Wir bräuchten etwas, das vorher und nachher gemessen wird und genau beschrieben wird. Darüber haben wir im Budgetausschuss gesprochen. Herr Finanzminister Blümel, diesbezüglich gäbe es sehr großen Nachhol­bedarf.

Ein anderer Punkt, den wir angesprochen haben – und ich möchte jetzt nicht zu sehr ins Polemische abgleiten, ich bemühe mich redlich –: Es ist so, dass es diese Spending Reviews gibt. In diesen Spending Reviews prüft das Finanzministerium gemeinsam mit einem anderen Ressort unter Einberufung einer Arbeitsgruppe, welche Möglichkeiten man hat, bei gleicher Leistung Steuergeld zu sparen.

Jetzt wollen wir uns nicht so genau vorstellen, was passiert, wenn sich das türkise Finanzministerium gemeinsam mit einem anderen türkisen Ressort darüber Gedanken macht, wie sie Steuergeld sparen können. Wir wollen auch nicht die Chats sehen, die dann am Abend geschrieben werden, um sich das genau auszumachen. Was wir aber gerne gehabt hätten, wäre ein Prozess, der tatsächlich und transparent durch Exper­tinnen und Experten begleitet wird: Wie kann in einem Ressort steuergeldschonend bei gleichzeitig gleichbleibender Leistung für die Bürgerinnen und Bürger gearbeitet wer­den? Auf meine Fragen im Ausschuss haben Sie mir diesbezüglich nicht wahnsinnig viel antworten können, Herr Finanzminister. Wir wünschen uns dabei wirklich eine andere Vorgehensweise.

Abschließend  und da wir jetzt so viel von Wirtschaftshilfen gehört haben, wird Sie das Folgende nicht überraschen : Ich habe in meiner vorherigen Rede darüber gesprochen, dass wir die Steuern auf Einkommen und Lohn deutlich reduzieren müssen, um wirklich einen Unterschied für die Menschen, die arbeiten, machen zu können. Es gibt aber einen zweiten Punkt, der genauso wichtig ist, um die Wirtschaft wiederum wirklich in Kraft zu setzen, und das ist eine ordentliche Liberalisierung. Ich weiß, es kommt nachher noch ein grüner Redner, der vielleicht das Gegenteil behaupten wird. Es gibt aber einfache Maßnahmen, die man umsetzen kann, und die Erweiterung der Ladenöffnungszeit ist eine solche.

Kollege Hörl war draußen, er kennt das aus den Tourismuszonen. Im Westen ist es sehr oft sehr üblich, dass es Geschäfte gibt, die länger offen haben, die an Feiertagen und an Sonntagen geöffnet sind. Wir als NEOS wollen, dass Unternehmerinnen und Unterneh­mer grundsätzlich selbst bestimmen können, wann sie offen haben und zu welchen Konditionen – dies natürlich, und das ist ganz wichtig, mit einem ordentlichen Arbeitneh­merinnen- und Arbeitnehmerschutz, sodass die Mitarbeiter nicht überfahren werden. Da wird es aber ja wohl Möglichkeiten geben, etwas zu finden, mit dem man durch längere Öffnungszeiten liberalisiert, wodurch man mehr Arbeit und auch mehr Umsätze hat. Wir haben dann eine Stärkung des lokalen Handels gegenüber dem Onlinehandel. Das sind alles Elemente, die auch die Innenstädte und damit den Tourismus und die Gastronomie beleben würden. Das sind Elemente, die in Westösterreich funktionieren und im Osten nicht funktionieren sollen – das ist vollkommen unlogisch; deswegen darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Flexi­bilisierung Ladenöffnungszeiten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort, wird aufgefordert, rasch Maßnahmen für eine Flexibilisierung der La­denöffnungszeiten vorzulegen.“

*****

Es ist also relativ einfach: Wir wünschen uns eine Reduktion der Steuerlast für alle. Wir wünschen uns mehr Freiheit für die Wirtschaft. Wir wünschen uns ein transparentes Arbeiten der Politik. Das ist ja wohl nicht zu viel verlangt, in einem Staat im 21. Jahr­hundert. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

21.58

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Flexibilisierung Ladenöffnungszeiten

eingebracht im Zuge der Debatte in der 111. Sitzung des Nationalrats über KMU FörderungsG (934 d.B.) – TOP 27

Starre Ladenöffnungszeiten begünstigen Onlinehandel und ignorieren Realität

Angesichts der pandemiebedingten Wirtschaftseinbrüche kann es sich Österreich nicht mehr leisten, das Land mit den restriktivsten Öffnungszeiten in Europa zu sein. Ein flexi­blerer Rahmen soll gleichzeitig neue gesellschaftliche Wirklichkeiten berücksichtigen: vom Homeoffice mit Gleitzeit zum immer stärkeren Druck durch den Onlinehandel - eng begrenzte Öffnungszeiten sind nicht mehr zeitgemäß! Dazu kommt, dass der nieder­gelassene Handel unter starkem Wettbewerbsdruck durch den Onlinehandel steht, der immer geöffnet ist - ohne Sperrstunden. Solch restriktive Öffnungszeiten begünstigen diese Verschiebung von Umsätzen aus dem stationären in den Onlinehandel, die sich durch die Pandemie noch weiter verstärkt hat. Zudem profitieren von Onlinehandel aus­ländische Unternehmen überproportional. Die jüngste eCommerce Studie 2020 (Quelle: Handelsverband) zeigt, dass 2020 ein Rekordjahr war, mit einem Zuwachs von 6% im Vergleich zur Vorjahresperiode 2019 - ein Plus von 300.000 Käufer_innen. Die geän­derten Konsumgewohnheiten der Österreicher_innen zeigt vor allem ein Langzeit­ver­gleich: 2011 kauften 57% der Konsument_innen im Distanzhandel - 2020 waren es 71%, also ein Plus von 1,3 Millionen Distanzhandelskäufer_innen. Letztlich muss auch die Wirklichkeit anerkannt werden, dass bereits ein erheblicher Anteil von Erwerbstätigen an Sonntagen arbeitet - rund 15% der Erwerbstätigen zweimal im Monat, 29% immer wieder mal. Eine Flexibilisierung wäre somit nur von untergeordneter quantitativer Bedeutung.

Zahlreiche Vorteile durch Flexibilisierung

• Arbeitnehmer_innen: Sonntagsarbeit insb. für zeitflexible Arbeitnehmer_innen eine attraktive Alternative - v.a. angesichts der Zuschläge für Abend- und Wochenendarbeit

• Unternehmen: Effizienzsteigerungen bei Unternehmen (z.B. effizientere Kapazitäts­auslastung) sind zu erwarten, die wiederum preisdämpfende Effekte nach sich ziehen. Dazu würde dies auch die administrativen Kosten senken, die mit der Verwaltung und Überwachung von Restriktionen und Ausnahmeregelungen verbunden sind. Gerade KMU sind von der großen Marktmacht digitaler Plattformen betroffen und würden damit eine zusätzliche Gelegenheit bekommen, Umsätze abseits des digitalen Handels zu generieren.

• Arbeitsmarkt: Längerfristig ist ein positiver Beschäftigungseffekt zu erwarten (sog. Threshold labour effect), da zumindest ein_e Mitarbeiter_in jede zusätzliche Stunde anwesend sein muss.

•Tourismus: Touristen sind häufig zeitlich begrenzt an einem Ort - eine Ausweitung würde neue Gelegenheiten schaffen und somit zu Umsatzsteigerungen führen. Insbe­son­dere Wien als wichtige Tourismusdestination kann davon profitieren.

Österreich Europameister bei restriktiven Öffnungszeiten

Österreich ist vergleichsweise sehr restriktiv bei der Regelung von Ladenöffnungszeiten. Nur wenige Staaten in Europa regeln überhaupt Öffnungszeiten von Montag bis Samstag: Und Österreich ist selbst darunter sehr restriktiv. Im Gegensatz dazu gibt es in 23 Staaten in Europa keine Regeln für Öffnungszeiten von Montag bis Samstag - 17 Staaten in Europa haben nicht einmal Regeln für Öffnungszeiten am Sonntag. Österreich ist dazu der einzige Staat Europas, der eine Maximalzahl an Öffnungsstunden innerhalb des Rahmens vorgibt. Angesichts des gestiegenen internationalen Wettbewerbsdrucks sollten derart unübliche und starren Regeln dringend überdacht werden. Durch eine Modernisierung, die einerseits die neuen Bedürfnisse in der Gesellschaft und anderer­seits arbeitsrechtliche Standards berücksichtigt, könnten wichtige Impulse für den stationären Handel und den Tourismus gesetzt werden. Gerade angesichts der aktuell schwierigen Wirtschaftslage sollte die Bundesregierung hier rasch handeln und durch eine ambitionierte Flexibilisierung den lokalen Handel tatkräftig unterstützen. Nach der schwersten Wirtschaftskrise nach dem 2. Weltkrieg sollte die Bundesregierung zumin­dest eine temporäre Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten in Erwägung ziehen und diese mit Auslaufen der Regelung ergebnisoffen evaluieren. Während durch das KMU FörderungsG Garantien zur Verfügung gestellt werden, sollen KMU durch diesen Antrag ergänzend die Möglichkeit gegeben werden, durch mehr Flexibilität mehr Umsätze im stationären Handel zu erwirtschaften.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort, wird aufgefordert, rasch Maßnahmen für eine Flexibilisierung der La­denöffnungszeiten vorzulegen.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stark. – Bitte.