11.50

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Zu Beginn möchte ich eine Zahl in den Raum stellen, und zwar 3,6 Millionen. Die Erklärung dazu gebe ich am Ende meiner Ausführungen.

Doch zuerst zur Regierungsvorlage: Sehr kritisch sehe ich die Absicht, Englisch in der 3. und 4. Klasse Volksschule von einer verbindlichen Übung in einen Pflichtgegenstand überzuführen, denn das bedeutet, dass da Noten vergeben werden und es vielleicht auch schriftliche Überprüfungen bis hin zu Schularbeiten geben wird. Was das für Kinder bedeutet, ist klar: Es gibt noch mehr Stress und Druck bei Kindern, und es ist ein weiteres Selektionsinstrument bei der Wahl zwischen Mittelschule und AHS. Falls der Hintergrund einer solchen Bestimmung sein soll, dass die Qualität des Unterrichts vereinheitlicht oder der Standard gehoben werden soll, dann ist das mit Sicherheit der falsche Weg, denn Kinder sollen gerne in die Schule gehen, ohne Stress und Druck, denn dann kommen auch die Motivation und gute Lernerfolge – das kann ich Ihnen aus der Schulpraxis mit Sicherheit berichten.

Ein weiterer Punkt in der Regierungsvorlage, den wir mit Sicherheit nicht mittragen werden, ist die Generalermächtigung für den Herrn Bundesminister für das nächste Schuljahr, um per Verordnung Maßnahmen wie Schullockdowns jederzeit anordnen zu können. Ich bin der Meinung, Schullockdowns müssen der letzte Weg sein und gehören verhindert und nicht vorbereitet. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

Wir kennen die Kollateralschäden der letzten eineinhalb Jahre – von Bildungsdefiziten, vermehrtem Nachholbedarf und Nachhilfebedarf bis hin zu immensen psychischen Be­lastungen –, und wir wollen kein weiteres solches Jahr mehr, denn das Ziel muss sein, Schule in Präsenzunterricht zu belassen, und zwar mit allen Mitteln, die dafür notwendig sind. Und bevor wir nicht einen Plan für einen sicheren Normalbetrieb vorgelegt bekom­men, werden wir keinen Blankoscheck für das nächste Schuljahr ausstellen. Die Zeit des Ausnahmeregierens muss langsam ein Ende finden. Wir brauchen Verlässlichkeit, Plan­barkeit und einen normalen Schulbetrieb. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe dazu in der letzten Sitzung einen Antrag mit einem umfassenden Paket einge­bracht, bestehend aus drei Teilen:

Zum Ersten ist das ein Coronasicherheitspaket, in dem es um Tests, Luftmessungen und Luftfilteranlagen geht.

Zweitens sind das Unterstützungen in Form von Zusatzpersonal für die ersten zwei Schulstufen, denn wir dürfen nicht vergessen, die Kindergartenkinder, die jetzt in die Schule wechseln, haben viele Wochen und Monate keine Betreuung gehabt. Kinder, die sehr motivierte und engagierte Eltern haben, werden vermutlich schon lesen, schreiben und rechnen können, aber andere werden vermutlich nicht einmal ihren Namen schrei­ben können. Ich habe Hochachtung vor jeder Pädagogin, die im nächsten Jahr eine 1. Klasse führt und diesen Spagat leisten muss, denn die Herausforderungen werden größer sein als jemals zuvor. Darum brauchen wir Zusatzpersonal.

Der dritte Teil ist ein Aufholpaket, denn trotz des enormen Engagements aller Pädago­gInnen, aller Eltern und auch aller Schülerinnen und Schüler wird es Lernrückstände geben. Wir können nicht so tun, als hätte es Corona niemals gegeben. Dazu gehören Förderungen an der Schule, ein Nachhilfescheck, denn auch das System Schule wird das nicht stemmen und nicht abdecken können, und ein Rechtsanspruch auf einen ganz­tägigen Kindergarten- beziehungsweise Schulplatz, denn auf lange Sicht gehört unser Schulsystem dringend verändert, um Defizite gar nicht erst entstehen zu lassen.

Wir brauchen Bildungseinrichtungen, die Stärken fördern, die ohne Hausübungen und Nachhilfen auskommen, in denen individuelle Unterstützung optimal und standortbezo­gen für alle im Rahmen des Unterrichts stattfinden kann. Es gibt viele Länder mit guten Erfahrungen und guten Beispielen, und wir sollten uns ein Beispiel daran nehmen – wann, wenn nicht jetzt?

Leider ist mein Antrag von Grün und Türkis mit der Begründung, dass eh viel passiert, nicht berücksichtigt worden – was genau, weiß nur niemand.

Natürlich kostet das alles, aber wir müssen bedenken, dass Milliarden an Coronaförde­rungen ausbezahlt wurden, auch an Unternehmen, die keine Steuern bei uns bezahlt haben, die sich vielleicht Dividenden in Millionenhöhe ausbezahlt haben – nur für die heranwachsende Generation, die keine Lobby in der Öffentlichkeit hat, für die ist nichts außer Einschränkungen und Defizite übriggeblieben.

Wir wissen nicht, wie sich die Infektionszahlen im Sommer entwickeln, das ist klar. Was wir jetzt aber vorbereiten können, ist der Schulanfang, und zwar in Bezug auf Testungen zum Schulstart. Herr Minister, sollen die Kinder getestet kommen? Werden sie in den Bildungseinrichtungen getestet? Welchen Filter werden Sie anwenden, um die Schule in den ersten Tagen sicher zu machen?

3,6 Millionen Menschen in Österreich – und jetzt komme ich zur Auflösung –, 1,1 Millio­nen Schülerinnen und Schüler und 230 000 Kindergartenkinder und all deren Eltern so­wie 130 000 PädagogInnen, das sind 3,6 Millionen Menschen in Österreich, die mit Fra­gezeichen in die Sommerferien gehen. Das können Sie leicht ändern, Herr Minister.

Zum Schluss bedanke ich mich bei allen PädagogInnen, bei den LeiterInnen von Bildungs­einrichtungen, bei den Eltern und bei den Kindern, die trotz großer Herausforderungen in diesem Schuljahr große Leistungen erbracht haben und enorme Herausforderungen stemmen mussten. Ich wünsche allen erholsame und gesunde Sommerferien. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Loacker und Künsberg Sarre.)

11.56

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rudolf Taschner. – Bitte.