15.02

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich stehe jetzt das vierte Mal am Rednerpult, um zu versuchen, Tierqualen, die in Österreich ge­schehen, zu verhindern – das vierte Mal, weil es notwendig ist, eine Fristsetzung zu ma­chen, weil Tierschutzanträge wieder nicht auf die Tagesordnung einer Sitzung des Ge­sundheitsausschusses kommen beziehungsweise weil die nächste Sitzung des Gesund­heitsausschusses ja erst im Herbst stattfinden wird, wie wir erfahren haben.

Einer der Anträge, für den wir eine Frist setzen wollen, betrifft das Verbot der Haltung von Schweinen auf Vollspaltenböden. Meine Damen und Herren, etwa 60 Prozent der Schweine in Österreich werden auf sogenannten Vollspaltenböden gehalten. Das ist nach Punkt 2.2.2 der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung erlaubt.

Der Boden ist durchgängig perforiert, das bedeutet, er hat durchgehend Spalten und ist zumeist aus Beton. Bei den Mastschweinen handelt es sich um Balken mit einer Breite von 1,8 Zentimetern, und der Abstand zwischen den Balken, das heißt der Spalt, beträgt 8 Zentimeter. Das heißt im Klartext, die Schweine bewegen sich permanent auf diesen Spalten. Wenn man die Füße der Schweine kennt, weiß man, dass das für diese und auch für die Gelenke äußerst gesundheitsschädlich ist.

Ein bis zu 85 Kilo schweres Mastschwein muss nur mindestens 0,55 Quadratmeter Flä­che haben. Meine Damen und Herren, was bedeutet das auf diesen Vollspaltenböden? – 0,55 Quadratmeter bedeuten 55 Zentimeter mal 1 Meter. Bei einem Schwein mit 85 Kilo können Sie sich vorstellen – und diese Mindestfläche wird meistens nicht überschritten –, welchen Bedarf diese Schweine in diesen Ställen eigentlich haben und wie es dort zu­geht, wenn die Schweine dort gleichzeitig ihre Auskotung machen müssen. Diese Aus­kotung soll ja zur Erleichterung für die Landwirte durch diese Vollspaltenböden fallen. Schweine sind hoch soziale Wesen, die wir wirklich mit den Menschen gleichsetzen kön­nen. Ich glaube, keiner von uns will in seinem Kot oder Urin oder darüber wohnen, da der ganze Gestank emporsteigt und Ammoniakgestank vorherrscht, der bei den Schwei­nen eine Augenentzündung verursacht.

Ich habe hier ein Foto. (Der Redner stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der auf einem Vollspaltenboden gehaltene Hausschweine zu sehen sind.) So, meine Damen und Herren, schaut es grundsätzlich überall aus. Das ist kein Einzelfall von Mastschwei­nehaltung, sondern so ist das einfach in Österreich. Was aber wird uns von den Medien immer gezeigt? – Da gibt es das Ja!-Natürlich-Schwein, das liebe Ferkel, das mit seinem Bauern herumrennt und auf der Wiese und der Weide lustig und sauber ist. Das gibt es in Österreich nicht! Dann gibt es die AMA-Werbung, die zeigt, wie Schweine gerade auf einem blitzsauberen Vollspaltenboden einlaufen. Ich glaube, auf dem war vorher noch nie ein Schwein. Das sind ganz, ganz saubere Ferkel, die da eingelassen werden. (Auf die Tafel verweisend:) Ausschauen tut es in den Ställen so, meine Damen und Herren!

Was passiert denn mit den Schweinen, wenn sie keinen Platz haben, wenn sie nichts Passendes zum Liegen haben, weil ihnen einfach die Fläche fehlt? – Sie beißen sich, sie kratzen sich, sie verletzen sich. Was wird dann gemacht, damit das zum Großteil nicht passieren kann? – Bei den Ferkeln werden die Schwänze kupiert, ihnen werden die Zähne kupiert und herausgeschnitten, nur damit man diese Turboschweine hat und mehr Ertrag macht, anstatt auf das Tierwohl dieser Schweine zu schauen, meine Damen und Herren! Ich denke, es ist höchst notwendig, dass wir da in Österreich etwas ändern. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Martin Graf und Bösch.)

Es gibt da auch die EU-Richtlinie 2008/120/EG. Die wurde im Original auf Englisch ver­fasst und forderte als Mindestvoraussetzung einen Liegebereich, der „physically com­fortable“ ist. Diese Formulierung wurde aber mit „größenmäßig angemessen“ komplett falsch ins Deutsche übersetzt. Die EU hat das nach Jahren am 16. Februar 2016 berich­tigt, weil sie erkannt hat, dass das falsch übersetzt wurde. Jetzt heißt es in der offiziellen deutschen Version dieser Richtlinie, dass Schweinen eine „physisch angenehme“ Liege­fläche zur Verfügung gestellt werden muss. So steht es in der EU-Verordnung.

Was aber wurde in Österreich umgesetzt? – In der 1. Tierhaltungsverordnung wurde in der Anlage 5.2 der Fehler nur teilweise berichtigt. Die ursprüngliche Formulierung „grö­ßenmäßig angemessen“ wurde durch „größenmäßig angenehm“ statt durch „physisch angenehm“ ersetzt. Was würde es bedeuten, würden wir diese Formulierung tatsächlich durch „physisch angenehm“ ersetzen? – 92 Prozent aller Schweine haben auf den Voll­spaltenböden schmerzhafte Gelenke und erfahren Verletzungen. Das ist nicht „physisch angenehm“, daher müssten die Vollspaltenböden schon allein aufgrund dieser EU-Ver­ordnung – wenn sie richtig umgesetzt wird – geändert werden.

Wissen Sie, was sehr interessant ist? – Als wir heute vor einer Woche hier das Tier­schutzvolksbegehren behandelt haben, habe ich den Experten der ÖVP, Herrn Profes­sor Kirner, gefragt: Wie viele Mastställe mit Vollspaltenböden gibt es denn in Österreich überhaupt und wie viel würde es kosten, diese umzurüsten, sodass es keine Vollspalten­böden mehr gibt? Da hat er gesagt: Hoch geschätzt wären es 250 Millionen Euro! – Mei­ne Damen und Herren, es wären 250 Millionen Euro, damit die Vollspaltenböden in Ös­terreich tatsächlich so umgebaut werden können, dass wir diese Verhältnisse, wie wir sie jetzt bei den Schweinen haben, nicht mehr haben.

Kollege Eßl wird später herauskommen und sagen, wir hätten Professor Kirner falsch verstanden. Der hat gemeint, das sei jährlich. – Nein, hat er nicht – ich habe mir das Protokoll der Diskussion über das Volksbegehren durchgelesen –, sondern er hat klar und deutlich gesagt, nach seiner Schätzung würde die Umrüstung 250 Millionen Euro kosten. Wenn ich mir das Landwirtschaftsbudget anschaue, dann sehe ich: Es stehen dort jährlich 2,1 Milliarden Euro zur Verfügung. Wenn die Frau Landwirtschaftsminister davon jährlich 50 Millionen Euro heranzieht, um die Vollspaltenböden umzubauen, damit sie nicht mehr vorhanden sind, dann gibt es in fünf Jahren diese Thematik nicht mehr, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.) Dann gibt es in fünf Jahren keine Voll­spaltenböden mehr. (Abg. Martin Graf: ... zu langsam!) Dann gibt es in den Ställen keine Tierquälerei mehr.

Wir sind ja bereit, die Landwirtschaft, die Bauern, diese Mastschweinebauern mit diesen Geldern zu unterstützen. Wir sagen ja nicht, dass die Bauern das Geld in die Hand nehmen müssen, sondern das soll aus dem Budget der Landwirtschaftsministerin ge­nommen werden, um da etwas zu tun.

Noch etwas, meine Damen und Herren: Der VGT, der Verein gegen Tierfabriken, hat ja eine Petition gegen diese Vollspaltenböden laufen. Diese haben bis heute schon knapp 84 000 Menschen unterschrieben. 84 000 Menschen haben eine Petition, die gar nicht so bekannt ist, unterschrieben. In absehbarer Zeit wird die Hunderttausendergrenze überschritten sein. Das heißt, es ist ein Anliegen der Österreicherinnen und Österreicher, da etwas zu tun. Ich fordere wirklich jeden – auch jeden Abgeordneten – auf, diese Peti­tion zu unterstützen, damit wir dieses Tierleid in Österreich beseitigen, damit wir endlich sagen können: Ja, wir in Österreich sind wieder Vorreiter im Tierschutz, ja, wir schauen auf unsere Tiere, und ja, wir wollen, dass es wirklich Tierwohl in der Landwirtschaft gibt, anstatt dass es so ist, wie Herr Landwirtschaftskammerpräsident Moosbrugger gesagt hat, dass Bauernwohl anscheinend vor Tierwohl stehen muss! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen, dass sich beide wohlfühlen: dass sich die Tiere wohlfühlen und dass sich die Bauern wohlfühlen. Da hat Ministerin Köstinger Geld in die Hand zu nehmen und zu schauen, dass dieses Tierwohl in den Bauernhöfen in Österreich wirklich stattfinden kann, meine Damen und Herren!

Es geht aber nicht nur um diese Vollspaltenböden. Es wird später noch über einige Frist­setzungen für Anträge abgestimmt, über die aber nicht debattiert wird. Da geht es um die betäubungslose Ferkelkastration, die wir auch behandelt haben. Diese gibt es in Ös­terreich nach wie vor. Ständig wird diskutiert, ständig werden Ausreden gefunden, wieso man die Ferkel nicht betäuben kann, wieso man sie nicht schmerzfrei kastrieren kann.

Ich glaube, es ist machbar, das geht. Es gibt Isofluran, ein Narkosemittel, das in Deutsch­land sogar der Bauer nach einem Sachkundenachweis, den er erbringen muss, anwen­den darf. Das heißt, eine Ferkelkastration mit Betäubung wäre auch in Österreich mit 1. Jänner 2022 möglich, wenn wir das erlauben würden. Das würde schnell gehen.

Wir haben auch noch immer das Kückenschreddern und das Kückentöten. Auch das müsste nicht mehr sein, auch da gibt es schon Maßnahmen, meine Damen und Herren, um das Ganze zu verhindern.

Wir wollen Mindeststrafen betreffend Tiertransporte, denn da passiert auch noch zu viel. Da geht es nicht um den Tiertransport, wenn der Bauer seinen Stier zur Kuh fährt oder sonst irgendetwas, den meinen wir nicht. Wir meinen den Massentiertransport, der auf der Straße stattfindet. Da muss es endlich Mindeststrafen geben, damit man ihnen zeigt: Es geht nicht mehr, so mit den Tieren bei uns in Österreich umzugehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich denke wirklich, es ist hoch an der Zeit, etwas zu tun. Darum haben wir diesen Fristset­zungsantrag gestellt. Wir wollen, dass sich der Gesundheitsausschuss noch bis zum 1. Juli mit dieser Thematik der Tiere und des Tierwohls in Österreich befasst. Wir wollen, dass dieser Gesundheitsausschuss endlich Maßnahmen zum Wohl der Tiere setzt, dass hier etwas weitergeht.

Es gibt viele Dinge, die wir machen könnten. Ich nehme als Beispiel – weil das heute wieder in den Medien war – den illegalen Welpenhandel. Was könnten wir denn machen, ohne dass das irgendjemanden trifft? – Da braucht es kein Geld vom Staat, das trifft keinen von uns, wir würden nur sagen müssen: Welpen oder Hunde, die nach Österreich eingeführt werden, müssen zumindest die Tollwutimpfung haben. Eine Tollwutimpfung darf es vor der 15. Lebenswoche des Hundes nicht geben, weil man sie da nicht geben kann. Das heißt, die Hunde wären 15 Wochen alt, keine Welpen mehr und daher uninter­essant für diese Hundemafia. So kämen wir von diesem illegalen Welpenhandel weg, meine Damen und Herren.

Wir könnten viele Dinge machen, wenn die ÖVP bereit ist, zum Wohl der Tiere in Ös­terreich etwas zu tun. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

15.11

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Eßl. – Bitte.