16.11

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu Tagesordnungspunkt 24, bei dem es um das Gentechnikgesetz und um die Regierungsvorlage dazu geht, darf ich zwei Punkte ansprechen.

Der erste Punkt betrifft die Änderungen. Da, Herr Bundesminister, haben Sie eine EU-Verordnung aus dem Jahre 2019 übernommen und angepasst, durch die die Transpa­renzregelungen erweitert worden sind. Das bedeutet natürlich Sicherheit, dadurch sind die zulassungspflichtigen Produkte und Erzeugnisse in weiterer Folge transparenter und für die Konsumentinnen und Konsumenten auch informativer, und das ist gut so.

Sie haben gleichsam aber auch eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2018 umgesetzt, womit Standarddatenformate übernommen werden, auch im Sinne einer Verbindlichkeit.

Beide EU-Richtlinien und auch Verordnungen haben Sinn, das war gut so, und das wird auch in diesem neuen, novellierten Gentechnikgesetz entsprechend berücksichtigt.

Etwas, bei dem ich anderer Meinung bin, ist das von Kollegen Stammler Angeführte zur Thematik neues Genrecht beziehungsweise neue Gentechnik.

Ich vermisse in den letzten Wochen und Monaten die Geschlossenheit der Bundesregie­rung, wenn es um das gemeinsame Thema geht, wie beim alten Gentechnikrecht wirk­lich den nationalen Schulterschluss zu machen. Der nationale Schulterschluss war: Wir brauchen Regeln, wir brauchen klare Regeln für Zulassungsverfahren, wir brauchen kla­re Regeln, um eine Rückverfolgbarkeit zu haben, und wir brauchen klare Regeln zur Kennzeichnung!

Bundesminister Anschober hat klar gesagt: Ja, dazu stehe ich! – Sie, Herr Bundesminis­ter, haben das letzte Mal im Ausschuss gesagt: Ja, dazu stehe ich! – Ich vermisse aber auf dieser Regierungsseite (in Richtung ÖVP deutend) – Frau Bundesminister Köstinger ist nicht da – das klare Bekenntnis und die klare Botschaft: Ja, ich stehe dazu, dass es auch bei der neuen Gentechnik diesen nationalen Schulterschluss gibt!

Wenn diese klare Position nicht kommt, laufen wir Gefahr, dass unsere Konsumentinnen und Konsumenten, aber auch die Produzenten und alle Österreicherinnen und Österrei­cher nicht genau wissen, wie es mit diesem bisherigen Schulterschluss weitergeht. Seit der Studie der Europäischen Kommission von 2021 liegen Vermutungen nahe, dass die Saatgutindustrie ein großes Interesse daran hat, diese neue Gentechnik nicht mit diesen Regeln auszustatten, sondern dass dereguliert wird, es freier wird, ohne die Kennzeich­nungspflicht, ohne die Risikobewertung.

Wenn die Saatgutindustrie, mit diesem monetären Hintergrund, mit der Gewinnabschöp­fung, gegen den nationalen Schulterschluss, auch gegen das, was Sie gesagt haben, Herr Bundesminister, wirklich gewinnen sollte, dann haben wir alle verloren. Ich erwarte mir daher auch von Frau Bundesminister Köstinger in den nächsten Tagen und Wochen ein klares Bekenntnis zum Regierungsprogramm, so wie Kollege Stammler es gesagt hat.

Wir werden deshalb heute unseren Antrag, den wir bereits im Gesundheitsausschuss, aber auch im Landwirtschaftsausschuss eingebracht haben und der immer wieder ver­tagt worden ist, noch einmal als Unselbständigen Antrag einbringen, und wir sind neu­gierig, ob dieses Regierungsprogramm, das von Ihnen und Herrn Bundesminister An­schober jedenfalls umgesetzt werden sollte, auch von der anderen Regierungsseite ernst genommen und ehrlich übernommen wird.

In diesem Sinne bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Neue Gentechnik muss als Gentechnik behandelt werden, sonst droht gentechnisch veränder­te Pflanzenwelt und unkontrolliert Gentechnik am Teller“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesonders der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, werden aufgefordert, auf europäischer Ebene klar die Position einzunehmen, dass alle Arten gentechnisch veränderter Organismen, egal ob sie durch alte oder neue Gentechnik hergestellt werden, entsprechend dem Urteil des EuGH vom 25. Juli 2018 unter die strengen Regeln für Zulassung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung fallen.“

*****

Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

16.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. iur. Christian Drobits,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend die Neue Gentechnik muss als Gentechnik behandelt werden, sonst droht gentechnisch veränderte Pflanzenwelt und unkontrolliert Gentechnik am Teller

eingebracht zu TOP 24 Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvor­lage (861 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird, (886 d.B.)

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 25. Juli 2018 eindeutig festgestellt, dass alle Arten gentechnisch veränderter Organismen unter die strengen EU-Regeln für Zulassung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung fallen, sofern gentechnische Verfah­ren eingesetzt wurden, die hauptsächlich seit dem Erlass der EU-Richtlinie 2001 entwi­ckelt wurden. Das betrifft auch neue gentechnische Verfahren wie die so genannte „Gen­schere“ (CRISPR). Mit dieser neuen Technologie können bestehende Gene modifiziert werden, ohne dass neue Gene hinzugefügt werden.

Die Europäische Kommission hat am 29. April 2021 eine Studie zu neuen Gentechnik­verfahren vorgestellt. Bereits vor Veröffentlichung haben NGOs davor gewarnt, dass die stark lobbyierende Saatgutindustrie vor allem monetäres Interesse daran hat, abge­schwächte Regelungen für Neue Gentechniken zu erreichen, um dadurch hohe Gewinne abzuschöpfen.

Aus Sicht der EU-Kommission hat Neue Gentechnik das Potenzial, zu einer nachhaltige­ren Lebensmittelproduktion beizutragen, den Einsatz von Pestiziden zu verringern und die Ziele des Green Deal und der „Vom Hof auf den Tisch“- Strategie zu erreichen. Die EU-Kommission kommt zu dem Schluss, dass die derzeitige Gentechnik-Gesetzgebung veraltet ist.

Geplant ist nun ein breit angelegter Konsultationsprozess, um die Gestaltung eines neu­en Rechtsrahmens für diese biotechnologischen Verfahren zu erörtern. In einem ersten Schritt ist geplant, den Rechtsrahmen für die Anwendung bei Pflanzen zu öffnen, in weiterer Folge auch Anwendung bei Tieren und Mikroorganismen.

Sollten jedoch mit neuen Techniken gentechnisch veränderte Pflanzen etc. zukünftig nicht mehr unter die strenge EU-Regulierung fallen, werden gentechnisch veränderte Pflanzen ungekennzeichnet und ohne Risikoprüfung in Lebensmitteln landen. Es wird zu einer nicht absehbaren Vermischung nichtgentechnisch veränderter und gentech­nisch veränderter Pflanzen kommen.

Da diese Neuen Gentechniken sogenannte „on-“, aber auch „off-Target“-Ergebnisse zur Folge haben können, also nicht beabsichtigte Veränderungen in den Organismen, muss jedenfalls eine strenge Risikoabschätzung erfolgen. Dazu kommt, dass im Hinblick auf diese Risikoabschätzung derzeit noch viel zu wenig geforscht wird. Hier liegt auch der wesentliche Unterschied zu den konventionellen Züchtungen, die also keineswegs als „gleichwertig“ anzusehen sind. So zeigt die Studie der EU-Kommission vom 29. April 2021 auf, dass die Mitgliedsstaaten nur 1,6% der Forschungsgelder für Risikoabschät­zung, Monitoring und Nachweisverfahren aufgewendet haben.

Eine Aufweichung der jetzigen Gesetzgebung beeinträchtigt das Recht auf Informa­tionen und Wahlfreiheit der KonsumentInnen und könnte ungeahnte Folgen für die Zu­kunft unserer Lebensmittel, Landwirtschaft und die Umwelt haben, insbesondere auch für die Bioproduktion und gentechnikfreie Lebensmittelherstellung. Auch das Ziel des Green Deals, den Anteil der Bioproduktion bis 2030 auf 25 Prozent zu steigern ist ernst­haft gefährdet.

Die Menschen haben ein Recht darauf, selbst zu entscheiden, ob sie mit Gentechnik hergestellte Lebensmittel kaufen wollen oder nicht. Daher ist eine entsprechende Kenn­zeichnung erforderlich. Biologische und gentechnikfreie Lebensmittelherstellung könn­ten die Erwartungen der KonsumentInnen nach einer gentechnikfreien Lebensmittelpro­duktion möglicherweise nicht mehr erfüllen, was das Vertrauen in diese Produkte gefähr­det.

Die klare Kennzeichnungspflicht bietet Wahlfreiheit und Transparenz für Konsumentin­nen und Konsumenten, VerarbeiterInnen und ProduzentInnen.

Es ist immer die Frage zu stellen, welche gesundheitlichen Risiken genmanipulierte Pflanzen tragen, egal ob es sich um alte oder neue Gentechnik handelt, mit der die Ver­änderungen durch den Menschen vorgenommen wurden.

Strenge Zulassungsverfahren, als auch eine Risikoüberprüfung sowie die Kennzeich­nung sind die Grundlagen für Transparenz, Rückverfolgbarkeit und Wahlfreiheit.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesonders der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, werden aufgefordert, auf europäischer Ebene klar die Position einzunehmen, dass alle Arten gentechnisch veränderter Organismen, egal ob sie durch alte oder neue Gentechnik hergestellt werden, entsprechend dem Urteil des EuGH vom 25. Juli 2018 unter die strengen Regeln für Zulassung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung fallen.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht demgemäß mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Walter Rauch. Bei ihm steht das Wort. – Bitte.