09.08.58

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Finanzminister! Vor über 15 Monaten, am 15. März letzten Jahres, sind wir in den ersten Lockdown gegangen. Sie haben damals als Finanzminister gesagt, Sie werden sehr, sehr viel Geld in die Hand nehmen, um der Wirtschaft und dem Arbeitsmarkt, den Mit­arbeitern praktisch über diese Krise zu helfen. Es sind auch in diesem Haus hier viele Hilfspakete geschnürt worden. Noch im Spätherbst, als wir das Budget beschlossen haben, waren wir gerade nicht so optimistisch, wie das weitergeht. Man hat das noch nicht genau abschätzen können – nicht nur wir, sondern auch die Experten. In letzter Zeit hören wir ja sehr viele positive Signale vom Arbeitsmarkt, von der Wirtschaft.

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„Warum haben sich die Wirtschaftsprognosen für Österreich zuletzt so deutlich verbessert?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Die Feststellung, dass sich da viel geändert hat, ist in der Tat richtig. Wir haben das ganze letzte Jahr hindurch eine hohe Volatilität im Bereich der Prognosen für die volkswirtschaftliche Entwicklung Öster­reichs erlebt – das ist auch hier im Parlament immer wieder diskutiert worden –, das hat auch dazu geführt, dass Budgetvorschläge, die bereits eingebracht waren, dann de facto durch die neuen Prognosen über den Haufen geworfen worden sind.

Wir haben in diesem Jahr de facto eine sehr ähnliche Situation. Man sieht, wie hoch auch da die Volatilität ist, denn wir haben vor rund zwei, drei Monaten hier im Hohen Haus eine Abänderung zum Budget 2021 beschlossen, und zwar auf Basis einer Wifo-Prognose von einem Wachstum von 1,5 Prozent für das Jahr 2021. Jetzt, wenige Wochen später, hat dasselbe Wirtschaftsforschungsinstitut aufgrund der sehr guten wirtschaft­lichen Entwicklung eine neue Prognose für dieses Jahr von rund 4 Prozent Wachstum und für das nächste Jahr von etwa 5 Prozent Wachstum verlautbart. Das wären Zahlen, die noch höher sind als jene von Deutschland oder der Schweiz in manchen Prognosen, und das ist natürlich sehr, sehr erfreulich.

Dafür gibt es natürlich verschiedenste Gründe. Ein Grund ist, dass der Impffortschritt auch in Österreich einer ist, der dazu führt, dass die Pandemie Schritt für Schritt be­kämpft wird und dass wir durch unsere Teststrategie auch früher Öffnungen als andere Länder vollzogen haben. Dadurch ist natürlich das Wirtschaftsleben schneller zurückge­kommen, und was man, glaube ich, auch sagen kann, ist, dass die Rettungsmaßnahmen für die Unternehmen und für die Arbeitsplätze auch ihren Teil dazu beigetragen haben, denn jetzt gibt es die Unternehmen und die Arbeitsplätze in den Unternehmen inklusive der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch. Das führt dazu, dass diese Unterneh­men jetzt schnell den Aufschwung mitnehmen können und dadurch also vielleicht ein wenig schneller zurückkommen als jene in anderen Ländern. Das ist sehr erfreulich.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Obernosterer? – Bitte.

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Natürlich haben diese Hilfspakete auch dementsprechend Geld gekostet. Die Schuldenquote von Österreich hat sich, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, erhöht. Es gibt natürlich jetzt auch eine gewisse Diskussion von Experten und Nichtexperten: Wie werden wir diese Schulden einmal zurückzahlen?

Wie sehen Sie das, Herr Finanzminister?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Es ist völlig richtig: Das war ein sehr, sehr großes Volumen, das in Anspruch genommen worden ist, um in der Not zu helfen.

Wir haben ja als ÖVP immer einen sehr klaren Budgetkurs verfolgt und haben es in der vorletzten Bundesregierung auch gemeinsam geschafft – zum ersten Mal seit Jahr­zehnten –, einen Überschuss im Bundeshaushalt zu erwirtschaften. Das ist genau die Art von Politik, die uns jetzt in die Lage versetzt hat, ausreichend helfen zu können: in guten wirtschaftlichen Zeiten den Haushalt in Ordnung zu bringen und die Schulden­quote sukzessive zu reduzieren, damit man dann in schwierigen Zeiten, wie wir sie jetzt gehabt haben, ausreichend helfen kann. Genau das muss auch unser Rezept für die Zukunft sein, genau so werden wir weiterhin haushalten. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka|: Weitere Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Angerer. – Bitte.

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Guten Morgen, Herr Finanzminister! Herr Finanz­minister, die durchaus erfreuliche Erholung der Wirtschaft in Österreich ist wohl auf die Krisenresilienz zurückzuführen, die unsere Unternehmen haben, und nicht auf das Management dieser Regierung, das wir immer kritisiert haben und das aus meiner Sicht auch ein schlechtes Management war.

Es stimmt: Sie haben sehr viel Geld in die Hand genommen. Trotzdem haben Sie im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern damit in Österreich den größten Wirt­schaftseinbruch produziert, und viele Unternehmen haben aus den undurchsichtigen und vielfältigen Paketen, die Sie geschnürt haben, bis heute kein Geld oder keine adäquate Unterstützung bekommen.

Die Betroffenheit bei den Unternehmen ist sehr unterschiedlich. Es gibt welche, die gut durch die Krise gekommen sind – dazu zählen die Großen, dazu zählen die Konzerne, dazu zählt die Industrie –, die KMUs und EPUs aber sind großteils auf der Strecke ge­blieben. Aktuell haben wir wieder das Problem, dass viele Festveranstaltungen abgesagt worden sind, in Kärnten zum Beispiel der Villacher Kirchtag, der Bleiburger Wiesen­markt, der Wiesenmarkt in Sankt Veit. Alle Schausteller und Fieranten sitzen jetzt wieder zu Hause, können sich nicht aufstellen und auch keinen Umsatz generieren.

Was werden Sie konkret tun, um dieser Branche zu helfen, Herr Minister?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sie haben natürlich völlig recht. Die Pandemie ist noch nicht gänzlich vorüber. Wir erleben ja viele Debatten auf­grund neuer Mutationen, die in anderen Ländern dazu führen, dass neue Einschrän­kungen umgesetzt werden.

Ich hoffe, das wird in Österreich nicht der Fall sein, klar ist aber natürlich, dass es manche Wirtschaftsbereiche gibt, die weiterhin von der Pandemie betroffen sein werden. Da geht es vor allem um den Veranstaltungsbereich, um den Kongresstourismus, um den Städte­tourismus, und genau aus diesem Grund haben wir uns in der Bundesregierung dafür entschieden, die verschiedenen relevanten Hilfsinstrumente auch zu verlängern.

Wir haben beispielsweise den Ausfallsbonus, der in sehr wenigen Tagen nach Bean­tragung bereits am Konto ist, bis in den September hinein verlängert. Wir haben gerade den Härtefallfonds für die Kleinsten verlängert. Wir haben genauso auch die Möglichkeit verlängert, staatlich garantierte Kredite in Anspruch zu nehmen, denn was jetzt nicht passieren darf, ist, dass am Ende der großen Krise, wo einige noch hart betroffen sind, diese wenigen ein Liquiditätsproblem bekommen, wie das am Anfang der Krise gedroht hat. Mit den Maßnahmen, die wir jetzt in der Bundesregierung gemeinsam verlängert haben, werden wir hier zielgerichtet und treffgenau entgegenwirken können.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka|: Weitere Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Stöger. – Bitte.

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ)|: Herr Bundesminister, guten Morgen! Die ÖVP hat gestern mit der Abschaffung der Mindeststrafen für Lohn- und Sozialdumping bewiesen, dass sie für ein ungerechtes Steuersystem eintritt. Die ÖVP will die Steuern für Konzerne senken, während die Dividenden, die Boni explodieren und alle inter­nationalen Experten über unser Steuersystem sagen: Die Steuern auf Arbeit sind zu hoch, die Steuern auf Kapital und Vermögen sind zu niedrig und der Beitrag von Konzer­nen und Millionären in Österreich im Steuersystem ist zu niedrig. Das Steuersystem ist ungerecht.

Daher meine Frage: Wieso wollen Sie den Steuerbeitrag der Konzerne durch eine Sen­kung der Körperschaftsteuer weiter absenken, obwohl die Konzerne heute schon viel zu wenig beitragen? (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Abge­ord­neter, wenn Sie der Meinung sind, dass ich die Steuern in diesem Land senken möchte, dann muss ich sagen: Sie haben recht. Genau das ist unser Ziel: die Steuern in diesem Land zu senken.

Warum? – Weil wir wissen, dass die Abgabenquote in Österreich relativ hoch ist und weil wir den Menschen mehr zum Leben lassen wollen. Wir haben das bereits im letzten Jahr gemacht, indem wir die erste Stufe der Lohn- und Einkommensteuer gesenkt haben. Das sind 1,6 Milliarden Euro, die den Kleinstverdienern – und allen anderen auch – mehr im Geldbörsel bleiben. Das ist der richtige Weg, und den wollen wir auch weitergehen.

Darüber hinaus: Ja, wir leben in Österreich von vielen guten Arbeitsplätzen, und diese Arbeitsplätze werden durch Unternehmen geschaffen. Das heißt, wir müssen auch eine Politik machen und wollen eine Politik machen, die es den Unternehmen erleichtert, hier zu gründen, zu wachsen, Profite zu generieren, Arbeitsplätze zu schaffen, von denen wir alle profitieren und leben können, und einer der wesentlichen Standortfaktoren ist natürlich die Frage, wie viel Steuern diese Unternehmen zahlen. Im internationalen Vergleich – das sagt ja auch die OECD – ist die Körperschaftsteuer einer der wesent­lichen standortrelevanten Faktoren.

Deswegen: Ja, wir haben auch im Regierungsprogramm eine Evaluierung der Senkung der Körperschaftsteuer verankert, und das werden wir auch tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die zweite Frage kann nicht zum Aufruf gelangen, da Abgeordneter Krainer entschuldigt ist.

Die nächste Frage stellt Abgeordneter Fuchs. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.