10.24

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tagesordnungspunkt 1 gibt uns heute die Möglichkeit, über ein wichtiges Fundament, über unsere Städte und Gemeinden, zu sprechen, und ich glaube, das ist sehr, sehr wichtig, denn die haben sich viel, viel mehr Wertschätzung von uns und viel mehr Raum in diesem Haus verdient, weil ja bei den Städten und Gemeinden letztlich eines passiert ist – ich kann es Ihnen nicht ersparen, obwohl wir das schon mehrmals thematisiert haben –: Ihre Hilfspakete greifen dort nicht!

Politik heißt ganz oft, viel Zeit und Geld in die Hand zu nehmen, um einfache Dinge kompliziert zu machen. (Abg. Kühberger: ... Steiermark!) Die Regierungsparteien tun das mit ihren Gemeindepaketen unglaublich eindrucksvoll. Ich sage es Ihnen ganz offen: Wir machen es heute ganz, ganz einfach: Ich bringe hier, an dieser Stelle, einen Antrag ein, der es den Gemeinden ermöglichen soll, dass sie Geld bekommen (Beifall bei der SPÖ), das heißt, dass das Darlehen, das sie sich ab 2023 selbst bezahlen müssen, ein Zuschuss wird. Das haben sich die Städte und Kommunen redlich verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben in Wahrheit für Sie die Krisenpolitik vor Ort gemacht, sie haben die Impfungen organisiert, wenn die Regierung nicht geliefert hat, sie sind eingesprungen und haben Sie vor den Bürgerinnen und Bürgern verteidigt, und ich glaube, sie haben es sich bei all den Milliarden, die wir hier ausschütten, jetzt auch verdient, dass wir das Darlehen, das Sie ihnen gewähren, in einen Zuschuss verwandeln, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Da muss man schon ein bisschen darauf eingehen, weil wir da eine Systematik erken­nen: Die Österreichische Volkspartei findet immer komplizierte Gründe, dass etwas nicht geht, außer bei den eigenen Spenderinnen und Spendern: Dort geht alles relativ einfach. (Ruf bei der ÖVP: Geh bitte!) Ich sage es Ihnen ganz offen: Auch Verteilungs­gerechtig­keit erkennt man an dieser Debatte, denn wir haben ganz, ganz viel Geld für Konzerne, die hier keine Steuern zahlen, aber wir haben keine wirklichen Zuschüsse für unsere Städte und Gemeinden, und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das ist nicht gerecht. Das ist nicht gerecht, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man das weiterspinnt, dann sieht man das ja auch! In Österreich haben die Manager letztes Jahr 4 Prozent mehr verdient, die normalen Beschäftigten aber 2 Pro­zent verloren. Die Besitzer großer Unternehmen zahlen sich die Boni, haben wir heute schon gehört, aber die Gemeinden bekommen kein Geld von Ihnen. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Der Bundeskanzler sagt ja immer: „Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein“; mit dieser Politik sind aber die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land die Dummen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Und es ist kein Witz, sondern leider die bittere Realität, dass Sie nicht bereit sind, einen Wandel im Alltag dieser Leistungsträgerinnen und Leistungsträger einzuleiten. (Zwischen­ruf des Abg. Eßl.) Der Druck da draußen bei den Familien, bei den Gemeinden, bei den Kommunen, die alles für uns hier richten, die alles verteidigen und umsetzen müssen, wird Tag für Tag größer. Die Leute spüren das, sie haben Sorgen, sie haben Angst, und wir sind verpflichtet, jenen, die diesen Staat, diesen Sozialstaat erhalten und groß gemacht haben, jetzt das Geld zu geben, das ihnen zusteht! (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, vor allem bei den Gemeinden sieht man, dass es Ihnen das einfach nicht wert ist. (Abg. Baumgartner: ... auch keine Ahnung davon!) Wir haben unzählige Debat­ten geführt, ganz, ganz viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sitzen unter Ihnen, und ich sage Ihnen ganz offen: Ihre Kolleginnen und Kollegen da draußen haben es sich verdient, dass wir ihnen heute Geld geben, das sie nicht zurückzahlen müssen (Beifall bei der SPÖ), denn das KDZ – weil Sie sich immer gerne auf Statistiken ausreden – hat eindringlich davor gewarnt, dass das, wenn Sie das, was Sie heute vorgelegt haben, durchziehen – nämlich ein Darlehen zu geben, das die Gemeinden ab 2023 zurückzahlen –, unsere Städte und Kommunen ab 2023 in massive Finanznöte bringt.

Das dürfen wir nicht zulassen für die Entwicklung dieses Landes, das dürfen wir nicht zulassen für die Überwindung dieser Krise, und, meine sehr verehrten Damen und Herren, das dürfen wir auch nicht zulassen für die gesamte Kommunalpolitik, für die ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertreter, die das Rückgrat der Demokratie in diesem Land sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen bringe ich an dieser Stelle folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „finanzielle Unterstützung für Gemeinden in der Krise“

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, mit welcher das an die Gemeinden gewährte und ab 2023 rückzuzahlende Darlehen von 1 Mrd. € (BGBl. I Nr. 29/2021) in einen nicht rückzuzahlenden Zweckzuschuss umgewandelt wird, der den Gemeinden jedenfalls verbleibt, um die kommunalen Leistungen für die Bevölkerung ab dem Jahr 2023 erhalten zu können.“

*****

Sehr verehrte Damen und Herren, wenn Ihnen die Gemeinden etwas wert sind, nehmen Sie den Antrag an! (Beifall bei der SPÖ.) Bezeichnen wir die normalen Leute nicht als Tiere, sondern arbeiten wir wie die Tiere für sie, dann geht etwas weiter! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eßl: ... wieder ein paar Tausender!)

10.30

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Maximilian Lercher,

Genossinnen und Genossen

betreffend finanzielle Unterstützung für Gemeinden in der Krise

eingebracht im Zuge der Debatte zu Bericht des Finanzausschusses über die Regie­rungsvorlage (948 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung, das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Katastro­phenfondsgesetz 1996, das Kommunal­investitionsgesetz 2020 und das Transparenz­datenbankgesetz 2012 geändert werden (953 d.B.) (Top 2)

Die aktuell größte Gesundheitskrise unserer Zeit hat gravierende Auswirkungen auf das Leben der Österreicherinnen und Österreicher, weder sind derzeit die gesundheitlichen noch die wirtschaftlichen Folgen abschätzbar. Bereits im Frühjahr des vorigen Jahres hat die SPÖ auf die prekäre Situation der Gemeindefinanzen hingewiesen und mehrfach Anträge eingebracht, die eine Problemlösung aufzeigen. Das von der schwarzgrünen Regierung beschlossene Kommunalinvestitionspaket hilft nur jenen Gemeinden, die über eine entsprechende Finanzkraft verfügen um den 50%igen-Eigenanteil der Inves­titionen finanzieren zu können. Die Einnahmenausfälle bei den Ertragsanteilen durch das einbrechende Steueraufkommen, der Kommunalsteuer und den lokalen Touris­musabgaben haben vielerorts ein Niveau erreicht, dass die Finanzierung selbst der laufenden Gemeindeausgaben nicht mehr zur Gänze sicherstellt – an regionale Kon­junkturmaßnahmen zur Bekämpfung der Krise ist gar nicht zu denken. Nicht nur der gut ausgebaute Sozialstaat, sondern auch die Leistungen der Gemeinden und deren Ange­bote für die Bürgerinnen und Bürger haben in der Krise eine wesentliche stabilisierende Funktion. Gemeinden und Städte brauchen eine 100%ige Abgeltung des finanziellen Ausfalls der Coronakrise. Kommunen sind für Kinderbetreuung, Rettungs- und Feuer­wehrwesen, Schulerhaltung, Spitalsfinanzierung, Abwasser- und Wasserversorgung und vieles mehr zuständig.

Da das kommunale Investitionsprogramm der Bundesregierung (KIG 2020) insbe­son­dere von den finanzschwachen Gemeinden nicht angenommen werden konnte, weil sie den 50%-igen Kofinanzierungsanteil nicht aufbringen konnten, wurde von der ÖVP/Grüne-Bundesregierung Anfang des Jahres 2021 die gesetzliche Grundlage beschlossen, den Gemeinden „Sonder-Vorschüsse“ iHv 1 Mrd. € auf die Ertragsanteile als Darlehen zu gewähren, die ab 2023 wieder an den Bund zurück zu zahlen sind. Das heißt den Gemeinden werden nach der Krise die ihnen zustehenden Ertragsanteile gekürzt. An­gesichts steigender Ausgaben stellt das die Gemeinden vor ein kaum lösbares Finan­zierungsdilemma, denn sie mussten in der Krise investieren um die gemeinde­funk­tionalen Leistungen aufrecht erhalten zu können, und zahlen den Preis dafür ab 2023, da ihnen die Einnahmen dafür fehlen werden.

Das KDZ hat im Juni 2021 auf die kritische Situation der Gemeinden durch diese Vorgangsweise der Bundesregierung hingewiesen, und vorgeschlagen, dass die Rückzahlung des Darlehens zumindest ausgesetzt werden muss um den Gemeinden wieder etwas finanziellen Spielraum zu geben.

In der Grafik des KDZ wird dargestellt, dass die Gemeinden vor der Krise finanzielle Spielräume hatten, die sie für Investitionen nutzen konnten, welche sich durch das Darlehensmodell der Bundesregierung auf 6,4% mehr als halbieren würden. Würde die Darlehensrückzahlung ausgesetzt, könnten die Spielräume auf zumindest 9,6% ange­hoben werden – was aber immer noch unter dem Wert des Jahres 2019 liegt.

Grafik: KDZ, „Kritische mittelfristige Perspektive der Gemeindefinanzen“, https://www.kdz.eu/de/aktuelles/blog/mittelfristige-prognose-der-gemeindefinanzen-bis-2024

Es geht um 1 Milliarde Euro, sehr viel Geld, das vor allem den finanzschwachen Ge­meinden helfen würde ihre mittelfristige Finanzsituation bewältigen zu können. Die ÖVP/Grüne-Bundesregierung hat den wohldurchdachten Vorschlag der SPÖ aus dem Jahr 2020 (574/A), der den Gemeinden schon im Jahr 2020 2,2 Mrd. € Finanz­unterstützung gewährt hätte, nach einem Jahr de facto Nichtbehandlung im Ausschuss (Vertagung) schlussendlich am 19.5.2021 abgelehnt. Mit diesem Geld würden sich die Gemeinden heute nicht in dieser kritischen mittelfristigen finanziellen Situation befinden. Bleibt das Darlehensmodell der Bundesregierung aufrecht, werden den Gemeinden in den kommenden Jahren Ausgabeneinsparungen aufgezwungen, die das Leistungs­an­gebot für die Bevölkerung nachhaltig verschlechtern werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, mit welcher das an die Gemeinden gewährte und ab 2023 rückzuzahlende Darlehen von 1 Mrd. € (BGBl. I Nr. 29/2021) in einen nicht rückzuzahlenden Zweckzuschuss umgewandelt wird, der den Gemeinden jedenfalls verbleibt, um die kommunalen Leistungen für die Bevölkerung ab dem Jahr 2023 erhalten zu können.”

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kopf. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.