12.25

Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wurde viel darüber gesprochen, was sein wird, wenig darüber, was war, und alles zusammen betrachtet können wir hier heute gemeinsam feststellen: Es ist die größte Verfassungsschutzreform in der Zweiten Re­publik, und sie ist der unglaublichen Zusammenarbeit unter den Fraktionen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesministeriums für Inneres geschuldet – ihnen allen gemeinsam von meiner Seite ein großes Danke dafür. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Die Geschichte des Verfassungsschutzes war lange Zeit von einem sehr starken Fokus auf den staatspolizeilichen Charakter geprägt. Es gab dann mehrere Änderungsversuche, unter anderem das alte BVT; das alte BVT ist auch die alte Schutzmauer der Republik, und ja – Sie haben es auch in Befunden festgestellt –, sie hat Risse bekommen, sie hat poröse und brüchige Steine. Die Aufgabe war es und ist, dass wir der Republik eine neue Mauer bauen. Der Verfassungsschutz schützt die Grundfundamente der Republik: Freiheit, Sicherheit und Demokratie. – Das ist das Selbstverständnis eines modernen und neuen Verfassungsschutzes.

Die Aufgabe war komplex. Es war schon bei den Koalitionsverhandlungen Ziel von uns – sprich der Volkspartei und der Grünen –, da große Zustimmung zu bekommen. Das hat sich im Regierungsprogramm manifestiert, bis hin zum Aufsetzen des Projekts von mir als Innenminister gemeinsam mit dem Projektverantwortlichen und dem Projektleiter, bei denen ich mich namentlich bedanken möchte, nämlich dem Generalsekretär Helmut Tomac und vor allem dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Dr. Franz Ruf, der als Projektleiter die Hauptlast der Organisation des neuen Projekts zu erarbeiten hatte.

Es war ganz klar: Wir brauchen eine große Zustimmung im Hohen Haus, im Parlament, unter den Fraktionen, weil das größte Problem des alten BVT der Vertrauensverlust war. Der Vertrauensverlust war national, aber genauso auch international gegeben. Das heißt, die Herausforderung war: Wie können wir bestmöglich dieses Vertrauen zurück­gewinnen, bei Ihnen als Parlament, als Kontrolleure der operativen Verwaltung, der Sicherheitsbehörden auf der einen Seite und auf der anderen Seite auch bei unseren Partnerdiensten? Ein funktionierender Verfassungsschutz kann nur so gut sein wie seine Kontakte, Beziehungen und operative Zusammenarbeit mit internationalen Partner­diensten. Daher war es wichtig, Sie alle auf den Weg mitzunehmen.

Ich kann mir vorstellen, aus der Sicht der Opposition war es am Anfang zu wenig. Ich kann Ihnen sagen, es war für das Innenministerium völlig neu. Die Transparenz, die wir von vornherein im Ständigen Unterausschuss haben walten lassen, war einzigartig in der Zweiten Republik, aber nicht deshalb, weil wir uns so super fühlen, sondern weil wir es als unerlässlich empfunden haben, weil ein neuer Verfassungsschutz nur funktio­nieren kann, wenn die Transparenz gegeben ist, von der Sie heute auch schon oft gesprochen haben.

Der sehr geschätzte Kollege Georg Bürstmayr, Bereichssprecher für Sicherheit, hat ge­rade etwas gesagt, was für die Polizei schon lange kein Gegensatz mehr ist: Men­schen­rechte und Sicherheit bedingen einander in einer Demokratie. Polizei macht Menschen­rechte: Das ist schon jahrzehntelang ein Projekt innerhalb des Bundesministeriums für Inneres, weil wir nur dann das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger haben können, zu deren Schutz wir ja berufen und verpflichtet sind, wenn der Grundrechtsschutz, wenn die Menschenrechte die obersten Parameter unseres Tuns und Handelns sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Scherak.)

Es wurde aber auch angesprochen, dass diese Freiheit, das Zusammenwirken der demokratischen Kräfte auch Sicherheit braucht, und diese Sicherheit stellt diese Reform auch mit sicher. Durch die Trennung von Nachrichtendienst und Staatspolizei, durch die Fokussierung beider Teile auf das, wozu sie da sind – der Nachrichtendienst zur Gefahrenaufklärung, die Staatspolizei zur Gefahrenabwehr –, und das Zusammenführen in eine Organisationseinheit, um eben nicht Parallelentwicklungen unkontrollierter Art und Weise zu haben, wie wir sie im internationalen Vergleich begutachten und sehen durften, stellt diese Einheit sicher, dass die Informationen zusammenlaufen und dass wir – und das muss das gemeinsame Ziel sein – das Risiko, wenn denn dann die neue Schutzmauer errichtet ist, eines neuerlichen Terroranschlags von extremistischen Kräften reduzieren können.

Das, was ich heute als Minister erleben darf und das Hohe Haus heute beschließt, ist das Fundament für diese neue Schutzmauer. Gestatten Sie mir da auch einen Widerspruch zu den NEOS, die in den Verhandlungen sehr konstruktiv waren: Die neue weisungsfreie Kontrollkommission im Parlament hat umfassende Rechte. Die Zerbes-Kommission, die Sie auch erwähnt haben, Herr Kollege Scherak, hat es erst recht bewiesen, denn die Zerbes-Kommission hat einen Zeitabschnitt unter die Lupe genommen, aber nicht laufende Ermittlungen; das hätte zum einen die Kommission völlig überlastet und den Fokus auf das Falsche gelegt, denn uns war wichtig, durch die Zerbes-Kommission die Fehler aufzuspüren, aufzuzeigen und daraus die Lehren für den neuen Verfassungs­schutz zu ziehen, und zum anderen hätte es die operative, die unmittelbare Arbeit der Ermittler behindert.

Auch die neue Kontrollkommission des Parlaments kann natürlich solche Zeitabschnitte kontrollieren. Einer neuerlichen Zerbes-Kommission, sollte sie denn notwendig sein, steht überhaupt nichts im Wege, denn Transparenz ist auch für die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, abgekürzt DSN, ein Eckpfeiler einer besseren Arbeit als zuvor; nur dann, wenn kein Misstrauen gegen jemandes Arbeit herrscht, ist er erfolgreich und kann nachhaltig auch in dunkle Bereiche vordringen, wie es vorher nicht möglich gewesen wäre. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das heißt also, heute wird das Fundament gelegt, die neue Mauer errichtet. Das Gesetz tritt mit 1.12.2021 in Kraft. Es gilt jetzt, die notwendigen Ressourcen sicherzustellen, das tun wir: einerseits durch mehr Budget, andererseits durch mehr Personal; vor allem können wir jetzt auch endlich die Struktur bilden und dann auch personell besetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben Ihren MitarbeiterInnen in den Klubs sehr viel gedankt, und das zu Recht. Gestatten Sie mir als Innenminister, meinen Mit­arbeiterinnen und Mitarbeitern im BMI besonders zu danken. Die Legisten haben eine herausfordernde Arbeit, sie ist umfassend, sie erfordert unendlich viel Flexibilität, Genauigkeit und Präzision. Allen, die im Innenministerium mitgewirkt haben, vom Gene­raldirektor für die öffentliche Sicherheit über den Generalsekretär bis zum Kabi­nettschef, der in der Koordinierung mit unserem Koalitionspartner gemeinsam mit seinem Gegen­über viel geleistet hat, sei ein großes Danke gesagt. Ich freue mich auf eine erfolgreiche und starke Zukunft einer neuen Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Abg. Oberrauner.)

12.33

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Christian Stocker zu Wort gemeldet. – Bitte.