16.03

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte neue Mitglieder der Bundesregierung! (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Werte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Lassen Sie mich einleitend ganz kurz auf die Wortmeldung zur Geschäftsordnung soeben Bezug nehmen! (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, war das ein Appell, nicht jedes Wort des Herrn Klubobmanns Kickl auf die Waagschale zu legen. Ist das ein Appell gewesen, dass wir die Worte des Herrn Klubobmanns einfach nicht ernst nehmen sollen? – Dem folge ich sehr gerne. Ich glaube, das ist der einzige Weg, der uns übrig bleibt. (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Minister! Werte Mitglieder der Bundes­regie­rung! (Abg. Wurm: Sie stecken schon weit drinnen! Weit drinnen!) – Könnte bitte diese Aufgeregtheit im Sektor der FPÖ vielleicht ein Ende nehmen? Es ist wirklich an­strengend. Wir haben derzeit eine sehr, sehr heikle Situation in Österreich, und die betrifft alle Politikerinnen und Politiker, denn mit diesem Chaos, mit dieser Regierungs­krise geht ein unglaublicher Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Politik an sich und in Politikerinnen und Politiker einher. Es mag Ihnen egal sein, aber mir ist es nicht egal, welches Bild wir als Hohes Haus der Bevölkerung hier vermitteln. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Daher appelliere ich an Sie, werte Mitglieder der FPÖ: Reißt euch einfach einmal ein bissel zusammen! Das wäre wirklich wunder-, wunderbar. (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Es ist ein Chaos, das herrscht. Viele Menschen sind verunsichert. Viele Menschen fragen sich: Ist diese Regierung überhaupt noch zur Zusammenarbeit fähig nach all dem, was passiert? Wie geht es weiter? Viele haben das Vertrauen verloren, natürlich auch, aber nicht nur in die Stabilität – Stabilität als Gegenpol zum Chaos, ich habe das jetzt schon ein paar Mal gesagt –, sondern vor allem auch in die Tatkraft. Was wir jetzt brauchen, ist nicht Stabilität in dem Sinn, dass es halt einen Führungsanspruch dahin gehend gibt, ein Amt zu bekleiden und halt nicht wählen zu gehen, Frau Kollegin, sondern vor allem Tatkraft, Handlungsfähigkeit und Verlässlichkeit, nicht nur, aber gerade auch in diesen Zeiten, in denen es darum geht, die Pandemie zu bekämpfen.

Ich habe das gerade vorhin gesagt: Wir alle tragen eine Verantwortung, für diese Ver­lässlichkeit zu sorgen, für das Vertrauen zu sorgen, aber auch für die Tatkraft zu sorgen. Das ist eine Verantwortung, der wir tagtäglich als direkt gewählte Mandatarinnen und Mandatare in der gesetzgebenden Körperschaft gerecht werden müssen, der auch die Mitglieder der Regierung als Exekutive tagtäglich gerecht werden müssen.

Ich sage heute auch ganz bewusst: Es ist notwendig, dass wir zusammenarbeiten – Gesetzgebung, Exekutive und Verwaltung, Opposition und Regierungsparteien, Parla­ment und Regierung –, denn wir sind in einer schwierigen Situation. Verlässlichkeit und Vertrauen herzustellen geht ausschließlich, indem man sich gemeinsam an einen Tisch setzt und alles daran setzt, wieder in Handlungsfähigkeit zu kommen. (Beifall bei den NEOS.)

Was zu tun ist, ist klar. Es ist zunächst einmal das entschlossene Vorgehen gegen diese Pandemie. Ja, wir wollen da endlich raus. Ich glaube, es geht allen so. Es ist eine unfass­bare Müdigkeit da, es ist eine Pandemiemüdigkeit da, es ist eine Lockdown­müdigkeit da, es geht schon wieder um die Frage der wirtschaftlichen Existenz. Es sind natürlich auch psychische und finanzielle, wirtschaftliche Probleme, die handfest und manifest sind, tagtäglich, und die die Menschen langsam verzweifeln lassen. Daher ist es ja so not­wendig, an einem Strang zu ziehen und rauszukommen, damit wir diese Müdigkeit über­winden und Zuversicht bringen, Zuversicht in die Tatkraft und Handlungsfähigkeit der Politik gerade auch in solchen Zeiten.

Dass es in dieser pandemischen Situation notwendig ist, Freiheiten einzuschränken, wissen wir jetzt schon seit vielen, vielen Monaten, aber uns NEOS ist es immer darum gegangen – und das sage ich erneut, weil es mir so wichtig ist –, dass wir nicht die Freiheit an sich begründen, sondern immer nur die Einschränkung der Freiheit. Das soll bitte auch weiter Leitmotiv sein. Nicht die Freiheit muss begründet werden, sondern immer die Einschränkung der Freiheit, und jede Einschränkung muss verhältnismäßig und zweckmäßig sein, um ein Ziel zu verfolgen oder auch zu erreichen.

Da komme ich zum Thema der Impfallianz. (Abg. Kickl: Warum darf der Ungeimpfte nicht ins Kaffeehaus?)  Herr Klubobmann, hören Sie doch auf, hineinzuschreien! (Abg. Kickl: Einfache Frage!) Sie reden immer davon: Es sind so viele Menschen und es werden immer mehr. – Wissen Sie, welche Art von Menschen immer mehr werden? – Menschen, die mir schreiben, wie extrem sie Sie finden, dass es nicht in Ordnung ist, dass man zur Gewalt aufruft. (Abg. Kickl: Geht’s noch? Geht’s noch?)  Ja, Sie haben meines Erachtens sehr wohl implizit zu Gewalt aufgerufen. (Abg. Kickl: Nein!) Das taugt den Menschen nicht mehr (Zwischenruf der Abg. Steger), die wollen, dass wir hier gemeinsam arbeiten und rauskommen.

Nennen Sie mir einen konstruktiven Vorschlag von Ihnen in den vergangenen Monaten! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie wissen, wir haben Sie oft auch unterstützt, wenn es darum geht, zu kritisieren, dass Freiheitseinschränkungen überschießend sind. Sagen Sie mir aber einen einzigen machbaren Vorschlag, der von Ihrer Fraktion gekommen ist! Sie reden von Freiheit und meinen eine Freiheit, die fast schon kindisch ist: eine Freiheit ohne Verantwortung. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Sie reden von Wahrheit und wissen nicht einmal, was Wissenschaftlichkeit ist. (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen.) Sie reden von Demokratie und verachten die schweigende Mehrheit, die es satt hat, dass Sie so viel Verunsicherung und Demagogie in unser schönes Land bringen.

Das ist die schweigende und immer größer werdende Mehrheit in diesem Land, die es einfach satt hat (Zwischenruf der Abg. Steger), dass es hier einen Geist gibt, der stets verneint (Ruf bei der FPÖ: Verneinen tut er es nicht ...! – weiterer Zwischenruf des Abg. Kickl) und nicht gemeinsam darum kämpft, dass wir da rauskommen! (Beifall bei NEOS und ÖVP.)

Da spreche ich jetzt die Impfallianz an. Schließen Sie sich doch an! Rufen wir gemein­sam zu diesem Schritt auf und schaffen wir so Vertrauen in Richtung Impfung! (Zwi­schenruf des Abg. Amesbauer.) Sehr, sehr gerne! Eine Impfpflicht, wie sie heute vorgestellt wurde, ist immer nur Ultima Ratio. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Es ist aber ganz, ganz wesentlich, sich vor Augen zu halten, dass die Freiheit des einen dort ein Ende hat (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Amesbauer), wo die Freiheit des anderen aufhört (Abg. Kickl: Sie haben das nicht zu Ende gedacht!), und wir haben eine Schutzfunktion (Zwischenruf der Abg. Steger), die ganz wesentlich ist, und dieser Verantwortung kom­men wir jedenfalls nach.

Ich denke aber, dass es über das Pandemiemanagement hinaus eine ganz große Ver­antwortung für Tatkraft und Handlungsfähigkeit gibt. Ich bin davon überzeugt – das habe ich schon ein paar Mal gesagt –, dass unser Land in den vergangenen Monaten schmerz­haft gesehen hat, wo Schwachstellen im System sind, wo die Verwaltung nicht gut funktioniert, wo wir zu wenig Gerechtigkeit haben. Dabei denke ich an die Bildung und schaue den Bildungsminister an. Ich glaube, dass das Regierungsprogramm, das vor der Pandemie geschrieben wurde, ernsthaft überdacht werden muss, weil wir in so vielen Bereichen gesehen haben, was nicht funktioniert, und nicht zuletzt auch deshalb, weil die budgetäre Situation, Herr Finanzminister, eine ganz andere ist.

Es muss doch endlich Schluss sein mit „Koste es, was es wolle“, und es muss auch damit Schluss sein, Herr Vizekanzler – ich habe Ihnen zugehört, es war nicht ganz leicht, muss ich zugeben, Ihnen die ganze Zeit zuzuhören –, Wirtschaftspolitik, tatkräftige Wirtschaftspolitik, als Förderpolitik zu verstehen. Das ist doch keine zukunftsträchtige Politik, wie wir sie in unserem Land brauchen. Wir brauchen eine sehr tatkräftige, mutige, innovative, in die Zukunft gerichtete Wirtschaftspolitik, die vor allem jetzt dafür Sorge trägt, dass Innovation wieder in unser Land Einzug hält, dass Unternehmer unternehmen können und nicht daran gehindert werden. Wir sollten jetzt über Liberalisierung und Deregulierung sprechen und vor allem auch sämtliche Bürokratiemonster beseitigen, Dinge, die vielleicht vor ein paar Monaten nicht so akut schienen, aber ich glaube, dass es heute notwendiger denn je ist, zu sagen: Dieses Drehen an kleinen Schräubchen – und es sind viele kleine Schräubchen, an denen Sie drehen wollen – reicht nicht mehr! Das reicht nicht mehr!

Ich möchte eine echte Debatte darüber, was Gerechtigkeit in unserem schönen Land bedeutet, was Chancengerechtigkeit bedeutet, was Leistungsgerechtigkeit bedeutet, was es bedeutet, allen Menschen alle Chancen zu geben. Das muss der Anspruch für eine wirklich tatkräftige Bundesregierung sein. Dafür reichen wir auch die Hand, immer wieder, aber dafür braucht es weit mehr als das, was ich heute vernommen habe. Ein Festhalten an einem Programm von vor Jahren ist nämlich reine Makulatur. Es braucht den Mut, auch Reformen anzugehen, die durchaus unangenehm sind, die uns aber in die Zukunft führen.

Dafür wären wir bereit. Wenn Sie es nicht sind, dann halte ich es für notwendig, mittel­fristig wieder den Wähler und die Wählerin zu befragen. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS.)

16.13

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Bundesminister Magnus Brunner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.