18.07

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Viele Zuseher haben sich heute, wenn sie das verfolgt haben, vor allem zu Beginn, als die zwei Superstars Ihrer neuen Regierung am Wort waren, gedacht: Was ist das, was passiert da gerade?, wenn zum Beispiel der Vizekanzler von oben herab von der Regierungsbank auf tiefste Art und Weise einen großen Teil der österreichischen Bevölkerung beschimpft. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja, von oben herab – obwohl doch jeder den Ruf von Werner Kogler in der Bevölkerung kennt.

Gehen Sie doch einmal hinaus und fragen Sie die Leute: Wofür kennt ihr Werner Kogler? – Ich sage Ihnen, politische Meilensteine und fachliche Errungenschaften sind es nicht – aber fest von oben herab die Bevölkerung beschimpfen! Ich gebe Ihnen von den Grünen die Chance, dass Sie zumindest nicht den Steigbügelhalter für Dollfuß machen, wenn Sie schon den Steigbügelhalter für die türkise ÖVP machen, und zwar indem Sie folgendem Antrag zustimmen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schließung des Dr. Engelbert Dollfuß Museums“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich schnellst möglich für die Schließung des Dr. Engelbert Dollfuß Museums in Texingtal, Niederösterreich, einzusetzen.“

*****

Da geht es um das Museum, das beim neuen Innenminister betrieben wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin neugierig, was die Grünen jetzt machen, ob sie auch Dollfuß den Steigbügelhalter machen oder nur der ÖVP – das ist übrigens das untergehende Schiff (Zwischenruf bei der ÖVP), das Herr Schallenberg gerade gemeint hat.

Wenn sich dann der Herr Neokanzler oder Nochkanzler – bei Ihnen weiß man es ja nicht so genau (Ruf bei der ÖVP: Ein Lustiger!) – bei seiner Antrittsrede oder Abschiedsrede – wie gesagt, das weiß man nicht so genau – darauf beschränkt, sich hauptsächlich bei allen Ministern auf der Regierungsbank zu bedanken, dann fragt sich die Bevölkerung, wofür. Wozu bedanken Sie sich gegenseitig dafür, dass Sie einen Scherbenhaufen in der Republik hinterlassen haben, und schmieren sich für das, was Sie in der Republik angerichtet haben, für den Schaden und für die Demütigung auch noch gegenseitig Honig um den Mund? (Abg. Höfinger: Maul!) – Dafür brauchen Sie sich nicht zu bedan­ken! (Beifall bei der FPÖ.)

Wäre es nicht gescheiter, sehr geehrte Damen und Herren der ÖVP, wenn Sie, anstatt sich hier mit sich selbst zu beschäftigen, zu den neun Millionen Österreichern ge­sprochen hätten – mit einer ganz klaren Botschaft, einer Entschuldigung zum Beispiel? (Abg. Höfinger: Kickl muss weg!) Wäre es nicht gescheiter gewesen, wenn Sie sich bei den neun Millionen Österreicherinnen und Österreichern dafür entschuldigt hätten, was Sie ihnen in den letzten ein, zwei Jahren angetan haben? (Beifall bei der FPÖ.)

Oder steckt in Wahrheit dahinter, dass Sie sich bedanken müssen, weil Sie sonst nie­manden mehr finden für ein Regierungsamt, weil bei Ihnen keiner mehr anstreifen will (Zwischenruf des Abg. Höfinger), weil keiner mehr anstreifen will bei dieser ÖVP, weil keiner mehr anstreifen will bei Ihrem Neobundeskanzler – einem Bundeskanzler, der schon als Innenminister mit voller Härte gegen die eigene Bevölkerung vorgegangen ist, während die Verbrecher in diesem Land Narrenfreiheit haben (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Höfinger), der schon als Innenminister die Grenzen für Urlauber und für Pend­ler geschlossen hat, aber für illegale Zuwanderer meilenweit aufgemacht hat? (Beifall bei der FPÖ.) – Dann verstehe ich, dass keiner mehr anstreifen will, und dann verstehe ich auch, warum Sie sich hier bedanken. (Abg. Höfinger: Was ist mit ...?)

Sehr geehrte Damen und Herren, entschuldigen Sie sich, und dann geben Sie die Ver­antwortung dem Souverän, dem österreichischen Volk, zurück, und lassen Sie das Volk bei Neuwahlen sprechen! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Höfinger. – Zwischenruf des Abg. Zarits.) Ich sage Ihnen ein Geheimnis: Das sind nicht Ihre Untertanen und Ihre Knechte, diese neun Millionen Österreicherinnen und Österreicher sind der Chef in einer Demokratie! Das müssen Sie wieder verinnerlichen. (Beifall bei der FPÖ.) Nicht nur, weil Feigheit vor dem Wähler und dem eigenen Volk keine politische Kategorie sein darf – auch wenn Sie sich ohne Polizeischutz längst nicht mehr unter die Bevölkerung trauen –, sondern auch, weil es Neuwahlen braucht, damit Sie keinen weiteren Tag Schaden in dieser Republik und Schaden für die österreichische Bevölkerung anrichten können. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Nicht einmal die Kollegin Fürst hat geklatscht! Das war wirklich schwach!)

18.11

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten KO Kickl, Schnedlitz

und weiterer Abgeordneter

betreffend Schließung des Dr. Engelbert Dollfuß Museums

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1, Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich des Amtsantrittes des neuen Bundeskanzlers, des Bundes­ministers für europäische und internationale Angelegenheiten, des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung, des Bundesministers für Finanzen, des Bundes­ministers für Inneres und der Staatssekretärin für Jugend in der 133. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 09. Dezember 2021

In Texingtal, dessen Bürgermeister der neu angelobte Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner ist, befindet sich das Dr. Engelbert Dollfuß Museum.

Der Inhalt des Museums gleicht einer Kult- und Gedenkstätte, um Dollfuß zu huldigen. So ist unter Wikipedia, unter Verweis auf die Zeitung „Der Standard“, folgender Satz zu finden: „Bei der Gründung führte der damalige Bürgermeister an, es gehe um die Überwindung des bisher mangelnden Mutes, sich zu Dollfuß zu bekennen.“

Der Standard berichtete am 07.12.2021 unter dem Titel „Nachg'schaut im Dollfuß-Mu­seum: Erneuerer Österreichs“ folgendes zu diesem Museum:

„Das Museum für den autoritären Kanzler in Textingtal fällt nicht gerade kritisch aus, auch wenn der neue Innenminister das gern behauptet.

Schriftsteller Ludwig Laher kennt das Geburtshaus von Engelbert Dollfuß in Textingtal. Im Gastkommentar schreibt er über eine politische wie museumspädagogische Unsäg­lichkeit.

Auf meinen Recherchereisen zu den Geburtshäusern Prominenter, die darin höchstens ihre ersten drei Lebensjahre verbracht hatten, kam ich 2018 auch nach Texing. Ich hatte andernorts schon viel Skurriles, ja Absurdes gesehen, auch Schlitzohriges und Faktenwidriges, um die oft groteske Vermarktung der Berühmtheit zu rechtfertigen.

Von Johann Sebastian Bachs Eisenach bis zu Albert Einsteins Ulm, von Martin Luthers Eisleben bis zu Robert Musils Klagenfurt, von Papst Benedikts Marktl bis zu Hitlers Braunau, das wie Rosa Luxemburgs Zamość lieber nichts mit seinem Sprössling zu tun haben will, reicht der weite Bogen in meinem Buch Wo nur die Wiege stand. Auch Engelbert Dollfuß, "Texings einziger Promi", wie es 2017 in einem Artikel hieß, war mir einen Abschnitt wert.

Nun gibt es in der Gegend seit neuestem einen zweiten Promi, Innenminister Gerhard Karner, bisher Landtagspräsident und Bürgermeister der Großgemeinde Texingtal. Der hat in dieser Funktion, ebenfalls 2018, allen Ernstes behauptet, das Dr.-Engelbert-Dollfuß-Museum habe ein hohes Standing, das Historische würde dort gut erarbeitet und kritisch behandelt.

Seit 1997/98

Als Besucher konnte ich mich davon sofort überzeugen, als ich auf einer neben der Eingangstür angebrachten Tafel lesen durfte: "Geburtshaus des großen Bundeskanzlers und Erneuerers Österreichs Dr. Engelbert Dollfuß". Aha, dachte ich, ist das gar eine originale Weihestätte aus den 30ern, die der Nazizeit getrotzt hat? Im Vorraum wurde ich dann schnell eines Besseren belehrt: "Eingerichtet von der Gemeinde Texingtal in den Jahren 1997/98", hieß es auf einer weiteren Tafel, und dass das Land Nieder­österreich sowie das Unterrichtsministerium mit von der Partie waren; ein echter Uni­versitätsprofessor wurde als wissenschaftlicher Leiter ausgewiesen.

Größtenteils unkommentiert stellt man in Texing nebst anderem die goldene Uhr, die Lederaktentasche, die studentischen Verbindungsmützen und -bänder (Text 1998: "Für Verdienste um Österreich wurden dem Bundeskanzler Ehrenbänder von ÖCV-Verbin­dungen verliehen"), die Orden, die Uniform und die Totenmaske des von den Nazis ermordeten ersten Kanzlers des austrofaschistischen Österreich aus. Neben Biergläsern und Kaffeetassen mit dem aufgedruckten Dollfuß-Bildnis geschmackvoll in eine Vitrine gepackt, gehört ein Kistchen mit zertifizierter Grabeserde seiner letzten Ruhestätte in Wien-Hietzing fraglos zu den Höhepunkten der kritischen Würdigung des umstrittenen Politikers: "Österreichische Erde, die den größten Sohn des Vaterlandes barg".

Der "Märtyrerkanzler"

Eine "Erinnerung an den 70. Todestag von Märtyrerkanzler" Dollfuß 2004 darf ebenso wenig fehlen wie die vielstrophige dichterische Umsetzung seines Heldentodes: "Wir hatten einen Kanzler / Der war so lieb und gut / Daß Östreich glücklich werde / Daß frei die Heimaterde / Gab er sein Herzensblut. // Er war ein Mann des Glaubens / Ein Märtyrer und Held / Ob seiner letzten Stunden / Mit ihren Todeswunden / Klagt nun die ganze Welt."

Ich muss mich zwingen, meinen Bericht über die aufschlussreichen Exponate an dieser Stelle abzubrechen. Im Gästebuch las ich jedenfalls viel Zustimmung zu dem in Texing vermittelten Geschichtsverständnis. Dem dürfte, wenn man seinen Worten Glauben schenkt, auch der neue Innenminister anhängen.

Autoritäres Gehabe

Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat mit seinem autoritären Gehabe und seinem Hinschielen auf lupenreine Demokraten wie Viktor Orbán einen Weg beschritten, der brandgefährlich ist. Wie anfällig die Demokratie in rauen Zeiten sein kann, hat Dollfuß eindrucksvoll bewiesen, als er eine Verfassungskrise für die Ausschaltung des Parlaments nutzte. Ich verwahre mich dagegen, den körperlich kleinen Mann unnötig zu dämonisieren, ihn gar in eine Reihe mit Benito Mussolini oder Adolf Hitler zu stellen, zwischen denen Öster­reich schließlich zerrieben wurde. Er war halt die typisch österreichische Variante, ein bissel grauslich zu Andersdenkenden, aber sehr katholisch, fraglos Täter, aber Gott sei Dank durch seine Ermordung doch in erster Linie Opfer.

Ein Dollfuß-Museum gehört zum Heikelsten, vor das sich ernsthafte Historiker gestellt sehen müssten. Dass Innenminister Karner "seine" Ausstellung dadurch geadelt sieht, dass sie es zu drei Leihgaben für das niederösterreichische Haus der Geschichte gebracht hat, liegt auf einer Linie mit dem Niveau des gesamten Unternehmens, und das ist tief.

Kein Vertrauensvorschuss

Von den Texinger Unsäglichkeiten auf die Qualifikation Karners für seinen Job zu schließen, wäre zu einem so frühen Zeitpunkt sicherlich ungerecht. Einen Vertrauensvorschuss in die Statur und das Denken des Neuen in der Wiener Herrengasse rechtfertigen sie frei­lich nicht.

Ach ja, meine aktuelle Anfrage bei der Gemeinde Texingtal, ob das Dollfuß-Museum inzwischen womöglich einem Relaunch unterzogen wurde, ergab, dass alles beim Alten geblieben ist. (Ludwig Laher, 7.12.2021)“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich schnellst möglich für die Schließung des Dr. Engelbert Dollfuß Museums in Texingtal, Niederösterreich, einzusetzen.“

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Abgeordneter Karl Mahrer. – Bitte, Herr Abgeordneter.