9.48

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Minis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! „Atomkraft ist keine Lösung für den Klima­schutz“, heißt es in der Aktuellen Stunde, und ich möchte für uns NEOS vorweg­schicken, dass wir das natürlich teilen. Das ist aber auch in Österreich keine Beson­derheit, weil sich alle Fraktionen seit vielen, vielen Jahren bei jeder Gelegenheit gegen Atomkraft ausgesprochen haben: gegen Atomkraft im eigenen Land, Atomkraft in Nachbarländern, vor allem in Grenzregionen, in jeder Form, in der Politik, was die Europäische Union betrifft, in den Finanzierungen und Förderungen – das ist nicht neu.

Auch im Speziellen in meiner Fraktion ist es so, dass wir da eine sehr klare Haltung haben. Ich bin auch einer der Abgeordneten, die sich auf europäischer Ebene – gemein­sam mit Kollegin Herr und Kollegen Hammer – bei der Kommission dafür eingesetzt haben, dass Atomkraft und grünes Gas nicht in die grüne Taxonomie aufgenommen werden. Ich war sogar Mitte der Neunzigerjahre als Schüler schon in der Slowakei, um gegen Mochovce zu demonstrieren. Es ist wirklich so: Als Österreicher und als Öster­reicherin haben wir diese Antiatomkraftperspektive sehr stark in uns.

Trotzdem – oder vielleicht auch gerade deswegen – wundert es mich, welches Thema heute vonseiten der grünen Fraktion für die Aktuelle Stunde gewählt worden ist. Es gibt wohl kaum ein Land innerhalb der Europäischen Union, das mehr Rückhalt im eigenen Parlament hat, wenn es um die Antiatomkraftposition auf europäischer Ebene geht. Wir befinden uns in einer Zeit – ich habe das in der Früh gelesen, das sagt der Geschäfts­führer des Handelsverbands –, in der in Wien jedes vierte Handelsunternehmen auf­grund des Lockdowns von Zahlungsunfähigkeit bedroht ist. Die Unternehmen können die Rechnungen nicht mehr pünktlich bezahlen, jedes dritte Unternehmen plant, Stellen abzubauen.

Wir haben eine Situation, in der die Inflation aufgrund der Energiepreise steigt und steigt und steigt. Wir haben Omikron vor der Tür und wissen als Eltern nicht, ob die Schulen im Jänner wiederum aufmachen oder nicht und welche Maßnahmen die Regierung plant. In Westösterreich gibt es zu wenige Arbeitskräfte, damit die Gastronomie und die Hotels überhaupt wieder aufsperren können, wenn sie aufsperren dürfen. Die grüne Fraktion sagt, das zentrale Thema, das wir in der Früh im Nationalrat behandeln sollen, ist ein Thema, bei dem es bereits einen nationalen Schulterschluss gibt. Ich verstehe es leider wirklich nicht. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Amesbauer.)

Auch wenn man all die anderen Themen, die ich gerade genannt habe, als nicht so zentral bewertet – die Frage der möglichen Zahlungsunfähigkeit von Unternehmen, die Frage steigender Arbeitslosigkeit, dass Menschen vor Weihnachten darum fürchten müssen, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren, die Frage des Arbeitskräftemangels im Westen, die Frage, wie es in der Pandemie weitergeht –, wäre das eine sehr gute Mög­lichkeit gewesen, darüber zu diskutieren, denn darüber ist nicht so wahnsinnig viel an Diskussion am heutigen Tag geplant.

Ich komme zum Klimaschutz zurück: Wenn Sie, Frau Ministerin, sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen wollen, dass die Atomkraft und das grüne Gas nicht Teil der grünen Taxonomie werden, dann unterstützen wir NEOS das. Was wir aber nicht unter­stützen, ist das lasche Vorgehen der grünen Fraktion, auch von Ihnen, Frau Ministerin, innerhalb dieser Bundesregierung, was den Klimaschutz in Österreich betrifft. Da hätten Sie eine parlamentarische Mehrheit, da könnten Sie sofort handeln, aber da passiert viel zu wenig.

Ich möchte in der gebotenen Kürze drei Beispiele hervorheben, wo wir als NEOS mei­nen, Sie müssten dringend handeln, unabhängig davon, was Sie auf europäischer Ebene betreffend grüne Taxonomie machen. Der erste Punkt ist: Es braucht ein Klimaschutz­gesetz. Ich bin nicht der einzige Abgeordnete, der sagt, oder wir sind nicht die einzige Fraktion, die sagt, wir brauchen ein Klimaschutzgesetz. Sie haben uns das für Juli 2020 versprochen. Man kann sagen, es ist eine Pandemie dazwischengekommen, es sind verschiedene Beschlüsse dazwischengekommen, aber eineinhalb Jahre später gibt es noch immer kein Klimaschutzgesetz.

Es gibt nach wie vor klimaschädliche Subventionen. Der Nationalrat hat – übrigens mit den Stimmen der Grünen und auch mit den Stimmen der ÖVP – beschlossen, Sie als Ministerin mögen uns bis Juli 2021 eine Studie vorlegen, die aufzeigt, wo wir mit Steuer­geld derzeit klimaschädliches Verhalten subventionieren. Wir haben Dezem­ber 2021 und wir haben die Studie noch immer nicht.

Das Dritte ist, wir brauchen eine ökosoziale Steuerreform, eine, die wirklich wirkt, eine, die einerseits einen Lenkungseffekt bei den Emissionen hat und andererseits den sozialen Ausgleich schafft. Das sind Dinge, bei denen es auch einen breiten Konsens gibt, dass wir sie brauchen. Da haben Sie selbst maximalen Gestaltungsspielraum und da liefern Sie nicht. Aus unserer Sicht ist das heute, weil wir uns schon so klar gegen Atomkraft positioniert haben und weil es so viele andere drängende Themen gibt, jeden­falls nicht der richtige Zeitpunkt, um ausschließlich darüber diskutieren. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

9.53

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Jachs. Bei ihr steht das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.