18.09

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben es schon gehört: Mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2020 wurde die bisherige Regelung, mit der die Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos ver­boten war, für verfassungswidrig erklärt.

Somit standen wir als Bundesregierung vor einer immensen Herausforderung: Binnen eines Jahres mussten wir eine Regelung für dieses hochsensible und auch sehr emotio­nale Thema finden; und ja, das war für uns alle keine einfache Sache, denn es handelt sich um ein emotionales Thema und es musste eine sehr schwere Entscheidung getrof­fen werden.

Umso wichtiger war es für uns, eine umsichtige Lösung zu finden, um schwer kranken Menschen in einer sehr schwierigen Phase eine Möglichkeit zu geben, ihr Leben selbst und in Würde zu beenden, und gleichzeitig auch Missbrauch zu verhindern, aber auch das Leben zu schützen.

Das Ihnen vorliegende Sterbeverfügungsgesetz ist das Ergebnis eines umfassenden Prozesses. Wir haben im Rahmen dieses Dialogforums im Justizministerium versucht, möglichst alle von der Regelung Betroffenen auch einzubinden und ihre Stimme im Ge­setzwerdungsprozess zu hören, ihnen auch eine Stimme in dieser Diskussion zu geben. Dieses Dialogforum war geprägt von gegenseitigem Zuhören und auch vom einander Verstehen. Vertreten waren ReligionsvertreterInnen, EthikerInnen, JuristInnen, die alle genauso gehört wurden wie MedizinerInnen, VertreterInnen von Betroffenen und auch viele andere betroffene Organisationen. Davon haben wir uns auch leiten lassen, um eine entsprechende Regelung zu treffen.

Unser oberstes Ziel war es, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes verantwor­tungsvoll umzusetzen und damit einerseits die verschiedensten Wünsche zu berücksich­tigen und andererseits Befürchtungen ernst zu nehmen. Mit dieser Regierungsvorlage zeichnen wir einen klaren Weg – einen klaren Weg, der Rechtssicherheit gibt, der den freien Willen schützt und auch den notwendigen Schutz vor Missbrauch sicherstellt.

Ich würde jetzt gerne das neue Sterbeverfügungsgesetz in aller Kürze skizzieren: Künftig sollen schwer kranke und unheilbar kranke Menschen, die volljährig und entscheidungs­fähig sind, die Möglichkeit zum assistierten Suizid haben. Voraussetzung ist selbstver­ständlich, dass die Person von zwei ÄrztInnen aufgeklärt und die Krankheit festgestellt wird. Zudem muss auch von den ÄrztInnen die Entscheidungsfähigkeit bestätigt werden. Nach einer Frist von zwölf Wochen – bei Menschen, die sich aufgrund der Krankheit in einer terminalen Phase ihres Lebens befinden, kann diese Frist auch auf zwei Wochen verkürzt werden – kann bei Notarinnen und Notaren oder PatientenanwältInnen eine so­genannte Sterbeverfügung errichtet werden. Diese Sterbeverfügung ermöglicht dann den Zugang zu einem letalen Präparat in der Apotheke.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wir sprechen über ein sehr sensibles Thema, das uns alle berührt, weil es um die grundlegende Frage des Menschseins geht. Wir alle möchten, dass es unseren Lieben, unseren Familienangehörigen am Ende ihres Lebens gut geht, dass sie ihren Lebensabend und auch ihr Lebensende in Würde ver­bringen, dass sie aber auch die notwendige Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Denn gleichzeitig soll niemand den Weg des Sterbens wählen, wenn es andere Möglich­keiten gibt. Es soll sich niemand für diesen Weg aufgrund einer persönlichen Lage, auf­grund einer finanziellen Lage oder aufgrund von familiären Angelegenheiten entscheiden.

Deswegen bringen wir auch gleichzeitig einen massiven Ausbau der Hospiz- und der Palliativversorgung auf den Weg. Das Gesetz wurde bereits begutachtet, und somit stellt der Bund gemeinsam – natürlich auch im Rahmen dieser Drittelfinanzierung Bund, Län­der und Träger der Sozialversicherung – 108 Millionen Euro zur Verfügung. Gleichzeitig wurden jetzt auch im Ministerrat 2,5 Millionen Euro zur Suizidprävention und auch zur psychosozialen Unterstützung beschlossen.

Bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfes waren wir von drei wichtigen Kriterien geleitet: der Achtung der Menschenwürde, dem Respekt vor dem Leben und dem Respekt vor der selbstbestimmten und höchstpersönlichen Entscheidung schwer kranker Menschen.

Ich möchte diese Gelegenheit aber auch nutzen, um mich bei allen zu bedanken, die bei dieser Regelung mitgewirkt haben – insbesondere bei allen Teilnehmerinnen und Teil­nehmern am Dialogforum und bei allen, die auch persönlich auf mich zugekommen sind und mit mir ihre Sorgen und ihre Befürchtungen besprochen haben. Allen voran möchte ich mich natürlich auch beim Koalitionspartner und bei Frau Ausschussvorsitzender Steinacker sowie auch bei Justizsprecherin Agnes Sirkka Prammer bedanken, weil ich weiß, wie schwierig es war, da eine gemeinsame Regelung zu finden, und ich weiß, dass sie beide auch rund um die Uhr im Einsatz waren, um eine bestmögliche Lösung zu finden.

Ich möchte mich auch beim Justizsprecher und bei der Justizsprecherin der anderen, der Oppositionsparteien – bei Justizsprecherin Yildirim sowie auch bei Justizsprecher Margreiter – nicht nur für die Vorgespräche zu dieser Regelung, sondern auch dafür, dass sie und ihre Fraktionen diese Regelung im Ausschuss unterstützt haben, bedan­ken. Ich möchte mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses bedanken, weil auch sie rund um die Uhr im Einsatz waren, damit wir diese Lösung und dieses Sterbeverfügungsgesetz rechtzeitig vor Jahresende noch beschließen können. – Da danke ich auch Ihnen allen, dass das möglich war, dass wir das rechtzeitig auch hier im Plenum behandeln können, damit keine Rechtsunsicherheit und keine Rechtslücke entsteht.

Ich hoffe wirklich, dass diese Regierungsvorlage breite Zustimmung findet, und möchte mich ganz herzlich bedanken. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

18.16

Präsidentin Doris Bures: Danke, Frau Ministerin.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Troch. – Bitte.