10.07

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“, schreibt Carl von Clausewitz 1832 in seinem Buch „Vom Kriege“. Ich denke, dieser Satz entspricht auch in etwa der Militärdoktrin von Russland. Dass ein möglicher Krieg so nahe wie selten in der jüngsten Vergangenheit ist, haben wir jetzt schon mehrfach gehört, mit diversen Kilometervergleichen. Ich glaube, die Lehre daraus ist schlicht und ergreifend, dass Donezk und Luhansk nicht irgendwo im weiten Wilden Osten sind, sondern quasi vor unserer Haustür.

Im Rahmen der Östlichen Partnerschaft der EU ist viel, viel Geld, sind Milliarden Euro geflossen, um diesen sechs Ländern, die die Östliche Partnerschaft umfasst, auf die Sprünge zu helfen, sage ich jetzt einmal, mit dem Effekt, dass das Wirtschaftswachstum sehr unregelmäßig ist, dass Korruption zwar oft aufgedeckt, aber noch lange nicht be­seitigt worden ist, dass Reformen entweder gar nicht oder wenn, dann unzureichend umgesetzt worden sind, sehr oft auch wieder zurückgenommen worden sind, und in der EU leider auch das Bewusstsein für die strategische Bedeutung dieser Östlichen Partnerschaft, für die strategische Bedeutung dieser sechs Staaten gesunken ist, gleicher­maßen wie die externe Bedrohung dieser sechs Staaten durch Russland und seine Verbündeten gestiegen ist. Das hat jetzt eben auch zur Konsequenz, dass vor allem Russland und die USA über die Zukunft der Ukraine verhandeln.

Ich habe gestern Abend relativ lange mit Martin Sajdik telefoniert, der viereinhalb Jahre lang Sondergesandter der OSZE für diesen Konflikt war. Martin versichert sehr glaubhaft, dass das OSZE-Monitoring in der Ostukraine wirklich Großartiges leistet und ganz, ganz wichtig ist. Was nur absolut fehlt, ist der politische Druck, dass die, die da monitoren, auch wirklich Zugang, freien Zugang, sicheren Zugang, zu allen Gebieten haben, auch in Russland, was notwendig wäre.

Was aber parallel dazu gleichermaßen fehlt, ist der politische Druck, dass auch Russland abkommensgemäß agiert. Ich habe lachen müssen, als Russland dieser Tage einge­fordert hat, dass die Minsker Verträge endlich umgesetzt werden müssen. Russland hält sich in ganz großem Umfang nicht an die Minsker Verträge, wenn es zum Beispiel darum geht, dass es ja eigentlich schon längst wieder die Ukraine sein sollte, die die Grenzen in den Separatistengebieten überwacht. Darüber hinaus fehlt der politische Druck, dass das Budapester Memorandum, was die Unversehrtheit der Grenzen der Ukraine betrifft, von Russland auch nur irgendwie respektiert würde.

Warum fehlt dieser Druck? Warum fehlt dieser Druck sowohl der Europäischen Union wie auch Österreichs? – Unter anderem deswegen, weil es ganz, ganz viele wirtschaft­liche Interessen gibt, die da querstehen: weil es österreichische Firmen gibt, die in Russland investiert haben, weil es russische Firmen in Österreich, in der EU gibt, die da auch Druck machen, und – das ist wahrscheinlich das Allerschlimmste beziehungsweise der schlimmste Faktor, warum dieser politische Druck nicht zustande kommt – weil wir schlicht und ergreifend von russischen Gaslieferungen abhängig sind, da es Generationen von Wirtschafts- und Umweltministern seit Martin Bartenstein – vor allem Minister der ÖVP – nicht geschafft haben, die Energiewende herbeizuführen, die wir endlich brauchen, da sie es nicht geschafft haben, endlich erneuerbare Energiequellen wirklich in einer Art und Weise auszubauen, dass wir eben nicht mehr von Importen fossiler Energieträger abhängig sind.

In diesem Zusammenhang ist es ein Witz, dass jetzt seit über einem Jahr ein Klimaschutzgesetz in Österreich fehlt (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer), dass wir nicht wissen, welche Ziele betreffend den Klimaschutz wir eigentlich haben. Das ist wirklich bedrohlich, und daran sieht man, dass Klimapolitik auch eine mehrfache globale Dimension hat, beispielsweise auch eine sicherheitspolitische Dimension.

Wissen Sie, ich bin jetzt seit vier Jahren in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, und als ich 2018 dort hingekommen bin, hat es aufgrund der Okkupation der Ukraine gerade Sanktionen gegen Russland gegeben; über mühsame Verhand­lun­gen ist Russland dann im Sommer 2019 wieder zurückgekommen. Ich kann Ihnen sagen, dass die Gespräche und die Verhandlungen seither wesentlich anstrengender und nervenaufreibender geworden sind, dass es wesentlich mehr leere Kilometer gibt, dass es wirklich, wirklich mühsam ist, und trotzdem glaube ich, dass es besser ist, dass Russland am Tisch sitzt und dass wir mit Russland sprechen und nicht über Russland sprechen.

Aus gut informierten Quellen weiß ich, dass Putin vor allem vor zwei Dingen Angst hat: Das sind massive Demonstrationen gegen seine Regierung in russischen Städten und das ist beziehungsweise wäre ein Haftbefehl seine Person betreffend etwa vom Internationalen Strafgerichtshof aufgrund internationaler Verbrechen, die der ICC ahndet. Darum finde ich es auch so unglaublich wichtig – und ich bemühe mich seit in etwa sechs Jahren in Gesprächen mit ukrainischen Abgeordneten darum –, dass die Ukraine das Römische Statut ratifiziert, dass die Ukraine dem Internationalen Straf­gerichtshof beitritt. Ich glaube nämlich, das wäre ein sehr, sehr wichtiger Schritt: Sobald es eine Vorlage von Selenskyj gibt, könnte dieser Schritt dann auch wirklich erfolgen, denn mittlerweile gäbe es eine Mehrheit in der Rada, und der Beitritt der Ukraine zum ICC wäre ein wichtiger Schritt, damit Russland seine Politik nicht mit anderen Mitteln fortsetzt. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

10.13

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bösch. – Bitte.