16.20

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Werter Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich würde so begin­nen: Was eint uns heute? – Uns eint, glaube ich, alle, dass wir es satthaben, dass wir unser normales Leben wiederhaben wollen und dass wir die Freiheiten, und zwar unein­geschränkte Freiheiten, wieder haben wollen, wie wir sie vor 2020 hatten.

Was eint uns noch? – Es ist schon angesprochen worden: diese unfassbare Müdigkeit. Nicht nur die letzten Tage und Wochen waren anstrengend, sondern die letzten Jahre waren anstrengend für Mütter, für Kinder, für Jugendliche, für Lehrerinnen und Lehrer, für viele, viele Wirtschaftstreibende, ja, und auch sicherlich für Sie hier im Haus.

Was eint uns noch? – Wir wollen nicht wieder eine Situation haben, in der wir sehen, dass Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger derart an ihrer Überlastungsgrenze sind, dass andere Krankheiten als Covid dazu führen, dass Menschen sterben müssen, unnötig sterben müssen, verfrüht sterben müssen.

Ich habe diese Woche gehört, dass in Österreich der Verbrauch oder zumindest der Bezug von Schlafmitteln massiv gestiegen ist. Das ist dramatisch. (Abg. Hafenecker: ... Mückstein!) Die Zahlen, was Depressionen angeht, besonders leider unter Kindern und Jugendlichen, und leider auch Suizidgedanken, diese Zahlen sind dramatisch. Es zeigt, wie schlecht es den Menschen geht und wie dringend notwendig wir alle es haben, dass diese Zeiten endlich hinter uns sind: Kinder und Jugendliche, die wieder normal in die Schule gehen können, uneingeschränkt, auch Sport machen können, ohne Maske, an allen Freizeit- und schulischen Aktivitäten teilnehmen können; Wirtschaftstreibende, die wieder das tun können, was sie tun, nämlich wirtschaften; Handelsangestellte, die nicht mehr Polizistinnen oder Polizisten spielen müssen.

Eines ist auch ganz klar: nie wieder solche Freiheitsbeschränkungen, wie wir sie hatten! Es ist kein Geheimnis, dass wir NEOS den massiven Eingriffen in die Grund- und Frei­heitsrechte der Vergangenheit sehr oft sehr kritisch gegenübergestanden sind und sie nicht mitgetragen haben. Auch den Lockdown für Ungeimpfte tragen wir beispielsweise nicht mit, weil er für uns zu weit geht, oder den Lockdown im Herbst, weil er unserer Meinung nach überschießend war und zu weit ging. Was aber auch klar war – und diesbezüglich war unser Standpunkt immer klar , ist, dass der einzige Weg, der uns hilft, ist, dass alle, möglichst alle impfen gehen.

Es gilt das, was ganz zu Beginn der Pandemie gesagt wurde, und es ist ganz einfach: Jeder und jede wird dieses Virus bekommen. Ja, und das wird irgendwann einmal auch einen anderen Verlauf nehmen, aber wir müssen aufpassen, dass es nicht zu viele gleichzeitig bekommen und nicht zu viele gleichzeitig bekommen, die noch nie in Kontakt mit irgendeinem immunologischen Ereignis, sei es die Infektion oder die Impfung, waren. Das gilt nach wie vor. Das ist eigentlich sehr einfach. Auf nichts anderes sollte die Politik schauen: dass es nicht alle gleichzeitig bekommen, sodass, auch wenn es nicht alle trifft, aber einen Teil davon schwer trifft, das Gesundheitssystem nicht an die Überlastungs­grenze kommt – ganz simpel! Ich glaube, das verstehen wirklich alle in Österreich, vielleicht bis auf die FPÖ.

Die Impfquote ist einfach zu gering, sie ist zu gering. Die Gefahr ist zu groß, dass wir erneut in eine gefährliche Situation kommen. Und ja, das sind massive Versäumnisse der Bundesregierung, das können wir Ihnen heute nicht ersparen. Lassen Sie mich dazu eines sagen: Ich habe Monate damit verbracht, meine Fraktion hat Monate damit ver­bracht, Vorschläge zu bringen, wie wir positive Anreize setzen können, von Lotterien bis hin auch zu Anreizen über die Gemeinden, gerade BürgermeisterInnen und Bürger ins Boot zu holen – monatelange Versäumnisse! Man könnte sagen, besser spät als nie, ich finde es gut, dass es jetzt Anreize gibt, aber ganz ehrlich: Am Tag der Einführung einer Impfpflicht 1 Milliarde Euro über eine Lotterie auszugeben, das halte ich schon für eini­germaßen skurril und ein wenig eine Verhöhnung. (Beifall bei den NEOS.  Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Also diese massiven Versäumnisse der Regierung sind da. Das wird ein Teil der Be­gründung dafür sein, warum die Impfquote zu gering ist. Der andere Teil der Begründung sitzt vielleicht auch hier im Hohen Haus: Das ist die Agitation, unter anderem der FPÖ, gegen die Impfung. War das gescheit? – Nein, sicherlich nicht, und es hat uns einfach nicht geholfen. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Zu oft wurde zu Recht der Bundes­regie­rung der Vorwurf gemacht, dass man nicht frühzeitig handelt, um für etwaige weitere Wellen gerüstet zu sein. Jetzt ist völlig klar, dass diese Impfpflicht, die niemand wollte, nicht für jetzt, für die Omikronwelle, dafür Sorge tragen kann, dass sie einen großen dämpfenden Effekt hat, aber jedenfalls für den Herbst.

Wir haben uns sehr intensiv mit der Frage beschäftigt, ob Omikron etwas an der Situation ändert; muss man ja. Man muss das offen diskutieren, und das habe ich auch gefordert. Nein, das tut es nicht, denn die Impfung wirkt. Zum anderen ist – das ist schon erwähnt worden – nicht gesagt, dass es mit dieser Welle vorbei ist, dass nicht beispielsweise wieder Delta oder eine andere Variante kommt. Sehr oft wurde, und da schaue ich jetzt in Richtung der Bevölkerung, zu Recht der Politik der Vorwurf gemacht, dass man nicht vorausschauend handelt. Jetzt gibt es erstmals die Chance, dass die Politik schneller ist als das Virus.

Ich möchte noch einmal auf das Thema des Gesundheitssystems zu sprechen kommen, denn die Wahrheit ist eine sehr beinharte. In Wahrheit haben wir seit Monaten eine Triage, wenn es um Krebspatienten und -patientinnen geht. Wir haben seit Monaten eine Triage, wenn es um notwendige, aber vielleicht nicht unmittelbar lebenswichtige Opera­tionen geht. – Das wird einfach so hingenommen, auch von Ihnen, von der FPÖ?! (Abg. Stefan: Überhaupt nicht ...!) Das ist für mich inakzeptabel. Das muss beendet werden. Der Grund liegt einfach darin, dass viel zu wenige Menschen geimpft sind. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Ich weiß, dass es gute Positionen für und wider die Impfpflicht gibt; es gibt keine guten Positionen wider die Impfung. Ich verstehe auch nicht ganz, warum Sie sich selber so einbunkern und hier nur die Impfgegner ansprechen, denn es gibt gute Gründe, warum man gegen eine Impfpflicht ist, aber keine guten Gründe, warum man gegen eine Imp­fung ist. (Abg. Kickl: Was Sie alles wissen!) Ich finde, das hat in einer liberalen Gesell­schaft auch Platz und übrigens auch in einer liberalen Partei Platz, wie Sie heute sehen werden. (Heiterkeit des Abg. Kickl. – Zwischenruf des Abg. Brückl.) Gerade aus dem Gedanken der Freiheit heraus ist es aber begründbar, dass wir sagen: Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. (Abg. Kickl: Es brennt eh lichterloh bei Ihnen!)

Daher sehe ich es als meine Verantwortung und die Verantwortung meiner Fraktion, hier heute für eine große Mehrheit zu sorgen, für einen breiten Konsens zu sorgen und damit einen klaren Willen auch des Gesetzgebers zum Ausdruck zu bringen. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Ich bin auch davon überzeugt, dass die Menschen draußen wollen, dass wir zusammenarbeiten und gemeinsam versuchen, diese Krise hinter uns zu brin­gen. Wir haben diesen Gesetzentwurf deutlich gegenüber dem verbessert, was ur­sprüng­lich am Tisch gelegen ist. Ich danke auch für die konstruktiven Gespräche, aber es war auch sehr notwendig.

Ich möchte drei Punkte herausgreifen: zum einen das fixe Ablaufdatum – das ist be­sprochen worden –, zum anderen die meines Erachtens dringend nötige Flexibilität samt der Evaluierung, die hineingekommen ist. Ja, das ist ein Fahren auf Sicht, aber es ist gut und richtig so, dass wir für den Herbst gerüstet sind.

Der zweite Punkt, der uns sehr wichtig war: Informieren statt strafen. Das ist der Zugang, den wir immer hatten; auch das ist jetzt verwirklicht. Und es ist kein Geheimnis, dass wir gesagt haben: Lasst die 14- bis 18-Jährigen raus, machen wir das erst ab 18!

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, weil das oft erwähnt wurde: Das ist das Thema der Exekutierbarkeit. Es gibt einen Grundkonsens in unserem Land, und dieser Grundkonsens bedeutet, dass man sich an Gesetze hält. Ich appelliere an alle, dass dieser Grundkonsens weiter gilt. Herr Klubobmann (in Richtung Abg. Kickl), er gilt meines Erachtens auch ganz besonders für Abgeordnete, die auf diese Verfassung eingeschworen sind. Verlassen Sie diesen Grundkonsens nicht! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Ich finde es mehr als fair, dass etwaige Strafen dem Gesundheitssystem zugutekom­men, das ist nämlich noch gar nicht so oft angesprochen worden. Das halte ich für richtig und wichtig, denn dort sind die Menschen (Zwischenruf des Abg. Brückl), die tagtäglich mit den Folgen dieser Krise zu kämpfen haben. Ich sage Ihnen das auch in Bezug auf die Exekutierbarkeit: Bei aller Liebe zu Verwaltungsjuristen, mir ist es lieber, es sind Verwaltungsjuristen überlastet als Pflegerinnen und Pfleger und Ärztinnen und Ärzte. Das ist mir weitaus lieber.

Der klare Wille des Gesetzgebers wird zum Ausdruck gebracht. Klar ist auch, und das zu sagen ist mir heute ganz besonders wichtig: Damit muss aber sehr klar auch die Entscheidung in Richtung Freiheit fallen. Das bedeutet, dass es meines Erachtens nicht tragbar ist, dass wir weiterhin einen Lockdown für Ungeimpfte haben, dass es nicht tragbar ist, dass bei 2G im Handel Handelsangestellte weiter Polizisten spielen sollen und dass es einen Fahrplan braucht, wie wir generell mit allen Freiheitsbeschränkungen, etwa Sperrstunde oder 2G, abfahren. Das hat dann meiner Meinung nach keinen Platz mehr, denn dann muss wirklich wieder der Schritt in ein normales Leben gemacht werden.

Impfen ist der richtige Weg. Bitte lassen Sie sich impfen! Aber dann muss auch klar sein: Die Freiheit muss wieder vollständig gewährleistet sein. Danke. (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen.)

16.29

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte sehr.