16.39

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Ich muss gestehen, seit ich hier im Parlament bin, ist das definitiv eine der schwie­rigsten Entscheidungen, die ich heute treffen muss. Sie fällt mir deswegen so schwer, weil es so nicht hätte kommen müssen, da wir alle miteinander monatelang vor diesen Entwicklungen gewarnt haben.

Umso schlimmer finde ich es jetzt, dass auf dem Platz, auf dem normalerweise der Bundeskanzler der Republik Österreich sitzt, jetzt nur eine braune Herrenhandtasche steht. Statt dass es eine Entschuldigung des Bundeskanzlers gibt, der immerhin auch ÖVP-Chef ist, steht hier nur diese braune Herrenhandtasche (Vizekanzler Kogler: Das ist eine Aktentasche!) – eine Aktentasche, ich bitte um Verzeihung. Offensichtlich gehört sie Vizekanzler Kogler, es ist eine Aktentasche.

Ich wollte eigentlich darauf hinaus, dass der Bundeskanzler nicht anwesend ist. Er hätte heute hier die Chance gehabt, offen und ehrlich zu sagen, dass es ihm leid tue, dass es überhaupt so weit gekommen ist.

Das, was wir in Österreich erlebt haben, war kein Naturgesetz und das war nicht Un­fähigkeit der Regierung allein, sondern es war auch darin begründet, dass der ÖVP Parteipolitik wichtiger war als gutes Krisenmanagement. (Beifall bei der SPÖ.)

Es waren die Wögingers und Maurers, die bei jeder Kritik immer wieder gesagt haben: Das ist alles nicht so schlimm. – Wir können das ja alle miteinander auch nachvollziehen: Es war die Landtagswahl in Oberösterreich. Expertinnen und Experten haben davor schon gewarnt, dass Maßnahmen zu treffen seien, aber die Wahl in Oberösterreich war wichtiger. Da hat man nichts getan, weil man versprochen hat, dass alles vorbei ist und der coole Sommer schon da ist, wie Sebastian Kurz es damals formuliert hat.

Es gab eine Situation in Salzburg, als Menschen auf der Intensivstation ums Überleben gekämpft haben und Haslauer rausgegangen ist und Virologinnen und Virologen ver­spottet hat. (Abg. Eßl: Immer vorsichtig sein mit ...!) Das war die Ausgangssituation, vor der wir alle gestanden sind. Es hätte nicht so weit kommen müssen. (Abg. Eßl: Immer vorsichtig!) Es hätte nicht so weit kommen müssen, aber wir befinden uns in einer Situation, in der man Verantwortung übernehmen muss. Wir alle müssen auch das wahr­nehmen, was uns Ärztinnen und Ärzte jetzt sagen: dass die Impfung einen Schutz bietet und wir alle gefordert sind, aus dieser Krise rauszukommen. (Abg. Kickl: Du kannst ja!)

Herbert Kickl, ich sage das ganz offen in deine Richtung (Abg. Kickl: Du kannst ja!), ich sage das ganz offen: Wenn es Warnungen von Ärztinnen und Ärzten gibt und wir alle miteinander ihnen hoffentlich vertrauen, dass sie das Beste für ihre Patientinnen und Patienten tun, dann muss man, wenn das Haus brennt, auch beim Löschen mithelfen und den Mut haben, die Verantwortung auch für schwierige Entscheidungen zu über­nehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Lieber Philip, ...!)

Mit den Händen im Hosensack dastehen und nichts tun, das ist eigentlich auch eines Herbert Kickl – ehemaligen Innenministers Herbert Kickl – nicht würdig. Du warst einmal Innenminister, du wirst ja jetzt keine Angst haben, man kann doch in dieser Situation auch Mut haben und Verantwortung übernehmen. (Abg. Kickl: Das hätte es bei dir nicht gegeben!) Nur weil es jetzt irgendeine Splittergruppe aus Oberösterreich, die MFG, gibt, das kann doch nicht sein. Was ist denn aus einer ehemals mutigen Partei wie der FPÖ geworden, dass man diesen Gegenwind fürchtet? Nur weil die MFG jetzt Druck macht (Zwischenruf der Abg. Steger), seid ihr nicht mehr in der Lage, zu eurer Haltung zu stehen und dafür zu kämpfen, dass die Gesundheit der Menschen immer wichtiger sein muss als Parteitaktik. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Kickl.)

All die Debatten in den letzten Monaten – und da ist auch die FPÖ um nichts besser als die ÖVP – haben es nicht leichter gemacht. All diese komischen Debatten über das Entwurmungsmittel, über Bitterstoffe, über Sonnenlicht, dass das alles hilft, waren doch unwürdig und haben den Menschen in den Krankenhäusern, den Patientinnen und Patienten, aber vor allem den Leuten, die um das Leben von Menschen kämpfen, nicht weitergeholfen.

Dieser Eiertanz, dass man da zurückrudern musste und dass du im „Kurier“ dann gesagt hast: Na ja, dieses Wurmmittel ersetzt die Impfung eh nicht – also in Wahrheit glaubt ihr jetzt doch an die Impfung –, das ist doch auch unwürdig, dass man mit irgendwelchen Geschichten rausgeht, weil man glaubt, man muss etwas erfinden, anstatt in dieser schwierigen Situation Verantwortung zu übernehmen. (Zwischenruf der Abg. Steger.)

Verantwortung übernehmen, das machen wir alle miteinander, indem wir sagen, dass wir dieses Gesetz miteinander – auch gemeinsam mit unzähligen Expertinnen und Ex­perten – verhandelt haben und vor allem dafür garantieren, dass es keinen Tag, keine Stunde, keine Minute und keine Sekunde länger in Kraft ist, als unbedingt notwendig. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Stefan.) Dafür sorgen wir gemeinsam mit Ärztinnen und Ärzten und mit Verfassungsexpertinnen und -experten mit einem Moni­toring. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Das ist etwas, was man dafür ganz konkret tun kann.

Krisenmanagement heißt aber auch, Verantwortung in schwierigen Zeiten zu überneh­men, auch wenn es Gegenwind gibt. Da ist keine Zeit für populistisches Herumgetue, sondern ich würde wirklich bitten, dass wir versuchen, Menschenleben zu retten, dass wir alles tun, um miteinander aus dieser Krise rauszukommen. Nur herumzuschimpfen und zu sagen: Bitterstoffe!, Ivermectin!, und was auch immer, wird uns alle nicht weiter­bringen, aber das weiß ja in Wahrheit auch die FPÖ. (Beifall bei der SPÖ.)

16.44

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ragger. – Bitte.