12.17

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt hätte ich beinahe den Bundeskanzler begrüßt, der ja leider nicht da ist (Zwischenruf bei der ÖVP), wie wir seit 2 Minuten definitiv wissen – großes Leider! Die Regierungsfraktionen dieses Hauses haben es offenbar in den letzten Tagen nicht der Mühe wert gefunden, für ihre eigene Sondersitzung zu ihrem eigenen Vorschlag, näm­lich einem angeblichen Antiteuerungspaket, einen Termin vorzuschlagen, an dem der Bundeskanzler Zeit hat, sich der Diskussion in diesem Hohen Haus zu stellen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es ist nicht eine Frage dessen, ob wir uns hier ernst nehmen oder nicht, es ist eine Frage des Respekts (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Fürst und Kickl); es ist eine Frage des Respekts gegenüber den Menschen in Österreich. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Dass der Kanzler heute bei dieser wichtigen Debatte im Parlament zu einem der wich­tigsten innenpolitischen Themen schlechthin fehlt, zeigt ja nur eines: dass ihn dieses Thema selbst und persönlich nicht interessiert. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es zeigt, dass ihn die Sorgen der Bevölkerung angesichts dieser Rekordpreise, die Sorgen, sich das Leben nicht mehr leisten zu können (Ruf bei der ÖVP: Sehr theatralisch!), einfach nicht kümmern. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn der Bundeskanzler heute da wäre (Zwischenruf bei der ÖVP), dann würde ich ihm nämlich folgende Zitate von der Bevölkerung vorlesen. (Ruf bei der ÖVP: Bitte!) Erstes Zitat: Von dieser Regierung erwarte ich mir prinzipiell überhaupt nichts. Das ist meine Meinung dazu. (Abg. Michael Hammer: Das ist aber ein sehr kräftiges!) Ein weiteres Zitat: Für mich persönlich wird es nichts bringen. (Zwischenruf des Abg. Höfinger. – Abg. Michael Hammer: ... 6 000 Euro!) Oder: Die Inflation macht arm – Punkt.

Das sind nicht Aussagen der Opposition, von politischen Parteien, das sind Aussagen von Bürgerinnen und Bürgern zum Regierungspaket aus einer aktuellen Straßenbefra­gung eines großen österreichischen Mediums. Das sind Menschen, die echte Sorgen haben, jeden Tag, und diese Sorgen werden jeden Tag ein Stück größer, Sorgen, dass sie sich das Leben nicht mehr leisten können – und das Schlimme daran ist, dass sich diese Menschen von dieser Bundesregierung nichts mehr erwarten. (Beifall bei der SPÖ.)

Millionen von Pensionistinnen und Pensionisten, immer mehr arbeitende Menschen, Frauen, Alleinerzieherinnen fühlen sich allein gelassen. Sie fühlen sich von der Politik allein gelassen, und wenn der Kanzler heute da wäre, dann würde ich ihm auch sagen, dass diese Menschen zu Recht von dieser Bundesregierung nichts mehr erwarten. (Ruf bei der ÖVP: Das können Sie ...!) Die Bevölkerung glaubt der Regierung nämlich nichts mehr, weil sie von ihr enttäuscht ist, weil in Zeiten der vielen Krisen diese Bundesregie­rung selbst zum Krisenfall geworden ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Daran, sehr geehrte Bundesregierung, ändert auch Ihr Paket nichts, das Sie hier vor einer Woche vorgestellt haben, worüber sich in Österreich offenbar Sie allein sehr groß freuen. Denn was passiert hier? – Mit diesem Paket, das von Ihnen großspurig als Mil­liardenpaket angekündigt wird, wiederholen Sie mehr oder weniger die Fehler der letzten zweieinhalb Jahre aus dem Coronamanagement, nämlich das monatelange Wegdu­cken. Sie ducken sich weg, führen monatelang Scheindiskussionen, warum irgendetwas nicht geht, was an Vorschlägen bereits auf dem Tisch liegt: Vorschläge, die die Europäi­sche Kommission den Mitgliedstaaten macht, zum Beispiel Steuersenkungen auf Ener­gie und Lebensmittel, und die andere Länder, nämlich elf EU-Länder, bereits umsetzen. (Ruf bei der ÖVP: Was die Deutschen schon bereuen!) Nein, in Österreich duckt man sich weg.

In dieser Zeit hat die Bevölkerung durch die höheren Preise nicht nur viel gezahlt, son­dern auch Milliarden an zusätzlicher Mehrwertsteuer an Sie, Herr Finanzminister, ge­zahlt. Nach monatelangem Wegducken präsentieren Sie heute ein Paket mit Einmalzah­lungen, die in vielen, in vielleicht drei Monaten ausbezahlt werden. Ja, Sie präsentieren ein Paket und Sie nennen es Antiteuerungspaket, obwohl keine einzige Maßnahme in diesem Paket ist, die auf diese teuren Preise dämpfend wirkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Kein einziger Preis wird durch Ihr Paket sinken, nicht einmal um einen Cent: nicht die Strompreise, nicht die Gaspreise und auch nicht die Lebensmittelpreise. – Alles bleibt teuer, alles wird teurer. Die Inflation wird durch Ihr Paket nicht sinken, und bis die Einmal­zahlungen irgendwann im Herbst ankommen, verpuffen sie schon wieder, weil die Men­schen in den letzten Monaten bereits so viel an Mehrkosten, Nachzahlungen, Voraus­zahlungen hatten, dass diese Einmalzahlungen einfach keinen Effekt haben.

Wissen Sie, was das, was Sie betreiben, noch ist? – Es ist ein Hinterherhinken, es ist ein Hinterherlaufen, nicht nur im Coronamanagement, sondern auch bei der Teuerung. Die Regierung hinkt hinterher. Warum? – Ihre Einmalzahlungen sind nicht mehr und nicht weniger als eine halbherzige Symptombekämpfung, aber sie lösen das Problem nicht. Das Problem sind hohe Preise, das Problem sind hohe Energiekosten. Was Ihr Paket ist, ist mehr Placebo als echte Wirkung. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie verhindern mit Ihrem Paket auch nicht, dass viele Menschen – viele und immer mehr aus der Mittelschicht – in die Armut abrutschen und weiter abrutschen werden. Ja, das große Schiff leckt gewaltig an allen Ecken und Enden. Wissen Sie, wie Sie versuchen, diese Lecks zu stopfen? – Mit kleinen Handtüchern. Da wird ein Handtuch nicht reichen, aber es werden auch nicht 28 Milliarden Handtücher reichen, um diese Schiffslecks zu stopfen. Nein, da brauchen Sie schon mehr. Dieses Leck muss repariert werden.

Das Streichen der Mehrwertsteuer auf Strom, Gas, Sprit und Lebensmittel oder ein Preisdeckel sind eine dringend erforderliche Notbremse, die Österreich jetzt so dringend bräuchte. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jakob Schwarz: Höhere Gewinne ...! – Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

Viele fragen sich: Warum ziehen Sie diese Notbremse nicht? Wenn der Bundeskanzler heute da wäre, würde ich Ihn auch fragen: Warum eigentlich nicht? Ich würde ihm ein Beispiel aufzeigen, durch das klar wird, dass Ihr Paket, nämlich das Paket der Regie­rung, nicht ausreicht.

Mir hat eine Pensionistin aus Niederösterreich geschrieben, die in einem kleinen, völlig normalen Einfamilienhaus mit einer normalen Pension, ASVG-Pension, lebt. Sie hat ak­tuell eine Gasnachzahlung von 2 300 Euro. Der Preis hat sich verdreifacht. Sie hat dem­nach eine Vorschreibung fürs nächste Jahr, die um 4 000 Euro gestiegen ist – 4 000 Eu­ro! Und wir reden hier nur von Gas. Wir reden noch nicht von Strompreis- oder Lebens­mittelpreissteigerungen.

Bis Mitte 2023 zahlt diese Pensionistin für das Gas 800 Euro mehr Umsatzsteuer an Sie, Herr Finanzminister. 800 Euro für diese Preissteigerungen, und Sie geben ihr Einmal­zahlungen im Herbst zurück. Das reicht bei Weitem nicht aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Beispiel allein zeigt, dass Ihre Einmalzahlungen ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Wenn der Kanzler heute da wäre, dann würde ich ihm auch sagen, dass die Spit­zenverdiener und Spitzenverdienerinnen dieses Landes durch Ihr Regierungspaket Tau­sende Euro zurückbekommen. Ist das sozial treffsicher? Ist das fair? Ist das gerecht? – Nein, es ist nicht sozial treffsicher. Es ist nicht gerecht, wenn ein Bundeskanzler oder Abgeordnete dieses Hauses in den nächsten Jahren bis zu 6 000 Euro aus Ihrem Paket bekommen und eine Pensionistin mit 1 200 Euro Pension pro Monat nur weniger als ein Drittel. Das ist nicht gerecht und das ist nicht treffsicher. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich denke, Sie sollten auch erkennen, dass sich das irgendwann nicht mehr ausgeht. Das geht sich nicht mehr aus, und es ist Gift für unsere Gesellschaft. Es ist nicht nur Gift für die Einzelnen, die existenzielle Probleme haben, weil es wichtig ist, dass wir in der Gesellschaft einen Ausgleich schaffen, sondern es ist auch Gift für unsere Wirtschaft, weil die Kaufkraft fehlt, sie bricht weg. Und ich frage mich, warum Sie nicht sehen, wie fatal das für Österreichs Zukunft ist.

Ich will ein Österreich, das zusammenhält, ein Österreich, in dem jeder Verantwortung übernimmt, gerade in so schwierigen Zeiten, und ein Österreich, in dem diese Schiefla­gen beseitigt werden und es einen fairen Ausgleich gibt. Ich will, dass die Übergewinne, diese ungerechtfertigten Übergewinne der Energiekonzerne, endlich abgeschöpft wer­den, Herr Finanzminister (Beifall bei der SPÖ), damit wirksame Antiteuerungsmaßnah­men nachhaltig finanziert werden können und damit wir auch die Hälfte des Geldes da­von in erneuerbare Energie investieren können. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt heute zwei Pakete. Heute liegen zwei Pakete in diesem Hohen Haus zur Abstimmung vor: das erste Paket der Bundesregierung, ei­nes, das aus Einmalzahlungen besteht, die verpuffen und die nicht ausreichen, und ein zweites Paket, das der Sozialdemokratie, das Mut hat, das vorausschaut, das ins Sys­tem eingreift, die Preise senkt und damit diese Inflation abdämpft. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit der Abg. Maurer.)

Die Österreicherinnen und Österreicher wissen, was jetzt das Richtige wäre, denn in der bereits erwähnten Straßenbefragung gibt es eine Dame, die gesagt hat: Ich wäre für echte Preissenkungen, seien es Lebensmittel, egal, was es ist, wirklich echte Preissen­kungen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.28

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobmann Wöginger. – Bitte.